»DIESES STÜCK BRONZE SOLL WERWÖLFE ERSCHAFFEN HABEN?«

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LIEBES TAGEBUCH,

viel geschlafen habe ich letzte Nacht wieder nicht, denn schließlich habe ich sofort, nachdem ich von diesem skurrilen Vampirtreffen zurückgekommen bin, alles dort erlebte in dir aufgeschrieben. Ich wollte einfach nicht riskieren, irgendein Detail zu vergessen. Demnach ist dies hier bereits der zweite Eintrag an diesem 5. Februar.

Der heutige Montag war, im Gegensatz zum Wochenende ein angenehm ruhiger Tag. Keine Vampirdramen, keine Leichenfunde und vor allem kein Klaus.

Na ja, wart's ab.

Am Nachmittag hatte ich vor, Alaric Saltzmans ersten Okkultismuskurs an der Volkshochschule zu besuchen. Franz, unser Radiospezialist für Mythen und Sagen musste heute länger Arbeiten und hätte es nicht pünktlich zum Kursbeginn geschafft. Also hatte ich mir eine der Freikarten geschnappt, die Ric am Freitag dem Radio gesponsert hatte und mich bereit erklärt, dort hinzugehen. Ich selbst erhoffte mir dabei Hinweise und Fakten zu den angeblichen Harzer Werwölfen.

Laut Klaus waren alle Geschichten darüber nur Legenden und vage Gerüchte und er selbst wusste nicht, was daran wahr ist und was nicht. Meine Hoffnung bestand darin, ihm alle Informationen darüber zu geben, die ich auftreiben konnte. Wenn er anschließend die Stadt wieder verlassen würde, hätte ich meine Mission erfüllt. Der heroische Plan für die zweite Tageshälfte stand somit fest.

Bis dahin genoss ich meinen freien Tag und ruhte mich richtig schön aus, denn nach wie vor fühle ich mich manchmal eher schlecht als recht. Und um ehrlich zu sein, beunruhigte mich das sogar noch ein wenig mehr als die Anwesenheit des Urvampirs in Eichenstedt. Offenbar war es wirklich nicht alltäglich, dass sich ein Vampir so fühlte wie ich im Moment.

Das Einzige, was mich noch mehr beunruhigt, ist der mörderische Vampir, der am Wochenende einen Mann getötet hat und dessen Identität wir immer noch nicht kennen. Damit lag Klaus nur noch auf Platz drei meiner größten Sorgen. Na ja, vielleicht auch nicht. Denn es bestand schließlich immer noch die Möglichkeit, dass er am Ende doch etwas mit diesen Vampirangriffen zu tun hatte. Außerhalb jeglicher Platzierungen liegt natürlich noch die allgegenwärtige Sorge um meine eigene Familie. Sie zu schützen hat für mich allerhöchste Priorität. Leider bedeutet das auch, sich täglich neue Lügen einfallen zu lassen.

Lügen, liebes Tagebuch, werde ich künftig auch, was meinen Gesundheitszustand betrifft. Nie wieder möchte ich in so eine peinliche Situation wie gestern hineingeraten! Du wirst in Zukunft der Einzige sein, der noch die Wahrheit über meine Unpässlichkeiten erfährt. Wenn Damon und Stefan fragen, wie es mir geht, dann sage ich ab jetzt: Fabelhaft, es könnte nicht besser sein. Vielleicht lag es nur daran, dass ich mein neues Vampirdasein zuerst gänzlich akzeptieren musste, um mich in dieser Haut wohlfühlen zu können.

Um ehrlich zu sein, hoffe ich wirklich darauf, dass das der Schlüssel zu meinem Wohlbefinden ist. Denn wie könnte ich mich denn gesund fühlen, wenn ich nicht hinter dem stehe, was ich jetzt bin?

Ein Vampir.

Nach wie vor belastet mich dieser Umstand mehr, als ich jemals zugegeben habe. Wer auch immer jemals meine Zeilen lesen wird, wird denken, dass ich keine Probleme damit habe, eine untote blutsaugende Kreatur zu sein. Die Wahrheit sieht völlig anders aus. Es gibt Momente, in denen ich in Tränen ausbreche, gegen Dinge trete, Äste im Park ausreiße, wenn ich nachts allein spazieren gehe. Ich möchte schreien, fliehen vor all dem. Die Erinnerungen an mein früheres Leben sind dann vor allem eins: unermessliche Qualen.

Ich hatte ein schönes Leben, eine großartige Familie und ein klares Ziel vor Augen. Dennoch freute ich mich auf die vielen unvorhergesehenen Dinge, die einer jungen Frau so passieren. Ich werde im Mai zwanzig Jahre alt. Da fängt das Leben doch erst an und endet nicht bereits.

✅ Once in a Blue Moon - Marias übernatürliche Tagebücher // (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt