»NIEMAND HAT MICH GESEHEN«

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~ 28. März 2018 ~

LIEBES TAGEBUCH,

in drei Tagen ist wieder Vollmond. Der zweite Blue Moon dieses Jahres. Eines der seltensten Himmelsereignisse überhaupt und ein wichtiger Tag im Leben eines jeden Werwolfs. Und vielleicht der letzte Tag für eine der wenigen Hybriden auf dieser Welt – mich.

Freya hat bislang noch nichts gefunden, um meine endgültige Verwandlung abzuschließen. Sie hat alle ihr zur Verfügung stehenden Hexenbücher gewälzt, aber ihre Suche verlief ins Leere. Walther und Edith verweigern jede weitere Kommunikation mit uns. Es ist furchtbar. So langsam wird die Luft unter mir dünner und ich fühle mich wieder etwas schlechter als zuvor. Aber das alles sollte mir den heutigen Tag nicht verderben. Denn für heute stand eine ausgiebige Tour durch den Harz auf dem Plan.

Nachdem ich meinen Chef manipuliert hatte mich offiziell zu einem angeblichen Außeninterview zu schicken, holten mich Stefan und Damon am Funkhaus ab. Von dort aus fuhren wir an verschiedene Sehenswürdigkeiten meiner schönen Heimat entlang. Den tief verschneiten Brocken ließen wir dabei natürlich aus. Ein weiteres Mal durch das Schneegestöber dort oben war für Damon und mich kein einladender Gedanke. Aber wir mussten Stefan natürlich unbedingt die Hexenfigur auf dem Hexentanzplatz zeigen.

Alles in allem war es wirklich ein wunderschöner, gelöster Tag voller lustiger Momente. Erst weit nach Anbruch der Dunkelheit trafen wir wieder in Eichenstedt ein. Nach einer heiteren Carpool-KaraokeTour. Auch bei der Verabschiedung versuchten wir drei unsere fröhliche Stimmung beizubehalten. Aber unsere Umarmung fiel sehr lang und innig aus. Ich versuchte, stark zu bleiben. Aber als ich mich umdrehte und ging, schaute ich nicht noch einmal zu meinen beiden Freunden zurück. Stattdessen liefen mir die Tränen wie Wasserfälle aus den Augen. Falls dies wirklich unsere allerletzte gemeinsame Zeit war, so sollten sie mein Gesicht fröhlich grinsend in Erinnerung behalten.

Aber in mir drin grinste schon seit einer Weile nichts mehr. Immer wieder fühlte ich mich, als würde ich eine schwere Grippe haben. Kopf und Glieder schmerzten und ich war schwächer, als ich es jemals zugeben würde. Ob ich nun an dem Fluch oder an Klaus' miese Laune sterben würde. Mein eigener Körper war bereits dabei, meine Existenz zu vernichten, denn diese sollte einfach nicht sein. Diese Gewissheit verheimlichte ich auch vor meiner Schwester. Die letzten Tage mit meiner Familie sollten genauso entspannt und schön werden, wie mein letzter Ausflug mit den Salvatores. Nichts sollte diese Momente trüben.

Zum Glück gab es bereits kurz nach meinem Eintreffen wieder Grund für mich, zu schmunzeln. Luisa kam mir sogleich entgegen und meinte, dass eine Art Butler ein edel aussehendes Paket für mich abgegeben hätte.

»Keine Sorge, Papa hat es entgegengenommen. Niemand hat mich gesehen«, beruhigte sie mich.

Nicht auszudenken, wenn die Mikaelsons so kurz vor dem Armageddon doch noch von der Existenz meiner Zwillingsschwester erfahren hätten. Ein Wunder, dass ich dieses Geheimnis überhaupt so lange vor ihnen bewahren konnte. Allerdings war es für mich ein noch größeres Rätsel, warum Edith und Walther nichts von ihr wussten. Sie hatten doch auch sonst so gut wie jeden Werwolf aufgespürt und mich auf Schritt und Tritt beobachtet.

Sie wussten es und planten irgendetwas. Eine Panikwelle durchfuhr meinen Körper bei diesem Gedanken. Ich versuchte, mir vor Luisa nichts anmerken zu lassen, und folgte ihr in mein Zimmer.

Auf meinem Bett lag das angekündigte Paket. Es schien von Rebekah zu sein. Als ich es öffnete, erlebte ich eine kleine Überraschung. Das rote Kleid, welches ich damals anprobieren sollte, befand sich im Paket und eine Karte, sowie eine offizielle Einladung zur Eröffnungsfeier am kommenden Tag. Rebekah schrieb mir, dass ich das Kleid zu diesem Anlass tragen solle.

Liebe Maria,

Nik hat mir erzählt, dass du dieses Kleid anprobiert hast, während Freya und ich Saint-Tropez waren. Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn du es als Geschenk von mir annimmst und es morgen zu unserer Einweihungsparty trägst.

Ganz liebe Grüße, Becks

Ach herrje! Da war es also wieder, das rote Kleid. Wie könnte ich dieses Geschenk ablehnen? Rebekah, Freya und Kol waren schließlich auch meine Freunde. Ich sollte auch mit ihnen einen letzten schönen Tag verbringen, vor dem Ende. Klaus kann ich ja weiterhin ignorieren. Es sei denn, er beschleunigt mein Abtreten einfach kurzerhand. Vor allem, wenn er spitz kriegt, dass ich ohne sein Wissen mit den Wölfen geredet habe. Na ja, das geht vielleicht schneller, als nach dem Bruch des Fluches qualvoll dahinzuvegetieren. Aber was würde dann aus Luisa werden? Wieso um alles in der Welt habe ich mir so wenig Gedanken über ihr weiteres Schicksal gemacht. Verflucht noch einer!

✅ Once in a Blue Moon - Marias übernatürliche Tagebücher // (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt