»DU MUSST UNS VERTRAUEN, WIR BESCHÜTZEN DICH, LUISA«

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ALS ICH ALLEIN WEITERGING, spürte ich, dass mich Walthers Worte doch mehr beschäftigten, als ich wollte.

Mein Gehirn fühlte sich an, wie ein dicker fester Knoten an dessen Enden kräftig gezogen wurde. Ich wusste einfach nicht, was mir dieser Wichtigtuer überhaupt sagen wollte. Warum wollte er mich unbedingt wütend machen? Ich habe eine seiner Anhängerinnen getötet. Wusste er das nicht oder wollte er mich gerade deshalb herausfordern? Aber was hätte er davon?

Wie kam Walther darauf, dass er ein besserer Vampir sei, als alle anderen, wenn er und seine Bande es waren, die einen Rauchgasanschlag auf das Altenheim verübt haben, einen Mann getötet haben und mich fast getötet hätten? Sie sind es, die Angst und Schrecken verbreiten!

Oder hat er am Ende doch einen guten Grund für all das? Woher meint er, Klaus zu kennen, und wer gab ihm all die Informationen über die Salvatores? Stehe ich vielleicht doch auf der falschen Seite?

Ich wollte diese Gedanken nicht zulassen und rief mir immer und immer wieder ins Gedächtnis, dass er anscheinend alles über mich wusste – sogar Dinge, von denen ich selbst keine Ahnung hatte. Walther hatte seine Hausaufgaben gemacht, er weiß genau, mit wem er es zu tun hat. Ich hingegen verlasse mich auf mein Gefühl und das sagt mir im Moment nur eins: Unsere Feinde sind er und Edith und wenn sie alles über mich wussten, dann kannten sie auch meine Schwester Luisa. Sie ist nicht länger sicher und um ihretwillen musste ich mit ihr über alles sprechen. Es gab keine Ausreden mehr. Da unsere Eltern bei Bekannten zu Besuch waren und erst spät wieder nach Hause kommen würden, war heute ein geeigneter Tag dafür.

Ich ahnte, dass ich ein jämmerliches Bild abgeben musste, als ich die Haustür aufschloss. Der Gesichtsausdruck meiner Zwillingsschwester bestätigte meine Vermutung.

»Willst du mir vielleicht heute erklären, wo du wieder so lange warst?«, sagte sie streng und musterte mich von oben bis unten. »Ich weiß, es geht mich nichts an, aber du hast dich so stark verändert in letzter Zeit. Schau dich doch an! Du bist nicht mehr du selbst und immer so grüblerisch. Ich merke doch, dass du in irgendwelchen Schwierigkeiten steckst. Also sagst du es mir endlich? Vielleicht kann ich dir helfen, wenn du es zulässt«, sie betonte die Frage so, als würde sie wissen, dass ich es ihr erneut nicht sagen würde.

Doch sie sollte sich irren.

»Komm mit«, sagte ich knapp und ging mit ihr in mein Zimmer.

Zuvor überzeugte ich mich noch davon, dass Freyas Schutzkranz nach wie vor an seinem Platz hing. Auch wenn dem so war, fühlte ich mich mittlerweile selbst in meiner eigenen Wohnung nicht mehr sicher. Aber ich versuchte, meine Gedanken einzig auf meine Schwester zu konzentrieren. Denn heute sollte der Tag sein, an dem es keine Geheimnisse mehr zwischen uns gab.

Wir setzten uns auf mein Bett und Luisa sah etwas ängstlich aus. Ich hatte keine Ahnung, was sie vermutete, warum ich mich in letzter Zeit so verändert habe und so oft fortmusste, aber ich war mir sicher, dass die Wahrheit all ihre Vermutungen übertreffen würde.

»Also, was ist los?«, fragte sie und legte tröstend ihre Hand auf meine Schulter. »Hat es etwas mit nem Kerl zu tun? Wirst du zu irgendwas gezwungen? Nimmst du irgendein Zeug? Sie haben dich noch nicht direkt darauf angesprochen, aber unsere Eltern machen sich tierische Sorgen um dich.«

Ich hatte keine Ahnung, dass ich so schlecht darin war, die Fassade des normalen Lebens aufrechtzuerhalten.

»Es ist nicht, wie du denkst, Luisa«, begann ich zu sprechen und meine Stimme zitterte. Die Nerven lagen blank und ich war traurig und zugleich froh darüber, dass meine Schwester gleich alles wissen würde und ich mit ihr meine übernatürlichen Sorgen teilen konnte.

✅ Once in a Blue Moon - Marias übernatürliche Tagebücher // (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt