»MARIA GIBT ES DOPPELT!«

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IN DER ZWISCHENZEIT unterhielten sich Damon und Stefan über mich und über den Umstand, der dazu geführt hatte, dass ich zum Vampir wurde. Ich belauschte die beiden, nachdem ich mich geduscht und mir ein paar frische Klamotten von Stefan übergezogen hatte.

»So viel also dazu, dass es hier keine Vampire gibt, Bruder«, warf Stefan Damon vor.

»Es gab in Eichenstedt keinen Einzigen, als ich damals hier war, glaub mir, Bruder«, setzte sich Damon Salvatore zur Wehr. »Sonst hätte ich nie vorgeschlagen, hierher zu kommen. Und, bis eben hatten wir auch noch keinerlei Anzeichen für Vampire. Ich habe keine Ahnung, was das alles zu bedeuten hat.«

Damon hatte für sich und seinen Bruder offenbar ein vampirfreies neues Leben vorgesehen und aus diesem Grund das friedliche Eichenstedt als neue Heimat ausgewählt. »Wir müssen schnellstmöglich herausfinden, wer die beiden Vampire sind, die Maria angegriffen, beziehungsweise geheilt haben«, schlug Stefan vor. »Vor allem müssen wir ihre Absichten kennen. Zumindest einer von ihnen scheint keine Rücksicht auf seine Opfer zu nehmen. Der könnte noch für Schwierigkeiten sorgen.« Stefan war besorgt, dass mit dem Auftauchen der fremden Vampire ihr neuer Zufluchtsort gefährdet sein könnte.

»Es kann aber sein, dass beide nur auf der Durchreise waren und schon längst über alle Berge sind«, gab sich Damon zuversichtlich und genehmigte sich einen Bourbon. »Außerdem haben wir keine Anhaltspunkte darüber, ob die Bewohner dieser Stadt überhaupt eine Ahnung haben, dass es Vampire gibt. Bisher ist mir hier kein geheimer Gründerrat bekannt, der irgendwelche Geheimwaffen gegen Vampire versteckt hält. Also leg dein Grübelgesicht wieder zur Seite, kleiner Bruder. Pass lieber auf unser Vampir-Baby auf, dass sie nichts Unüberlegtes tut. Ich werde mich in der Zwischenzeit um ihr handfestes Alibi kümmern.«

Damon ging zu der Adresse, die ich ihm gegeben hatte. Meiner Adresse. Die Wohnung, in der ich mit meiner Familie lebte. Ihnen allen, sowie meinen Kollegen von Eichenstedt.fm erzählte er, dass ich eine Zeit lang zur Luftkur am Meer weilen würde. Damit war zumindest sichergestellt, dass sich niemand über mein plötzliches Verschwinden wunderte oder sich Sorgen machte. Wenn jemand fragte, konnten sie Antworten geben. Das hoffte ich jedenfalls.

Als Damon später zurückkam, hatte er einiges zu erzählen: »Stefan, du glaubst es nicht! Du willst es gar nicht glauben!«, schrie er beim Reinkommen.

»Was? Was will ich nicht glauben?«, fragte Stefan, als er seinen sichtlich verwunderten Bruder sah.

»Doppelgängerin!«

»Wie bitte?«

»Maria gibt es doppelt! Wir haben es schon wieder mit einer Doppelgängerin zu tun! Das ist doch zum Haareraufen. Bitte, rauf dir deine Haare, Stefan!«

Stefan raufte seine präzise gestylten Haare natürlich nicht. Er war jedoch sprachlos, nachdem er das Wort Doppelgängerin gehört hatte.

»Sie hat was?«, fragte er ungläubig nach.

»Luisa ist meine Zwillingsschwester, nicht meine Doppelgängerin. Wie seid ihr denn drauf?« Ich ging die Treppe runter, als ich Damons sonderbare Geschichte hörte und die Reaktionen, die sie auslöste. Wie kam er denn auf eine Doppelgängerin? »Habt ihr in 170 Jahren noch nie Zwillinge gesehen?«

Ich hatte auch dir, liebes Tagebuch, bislang nichts von meiner Schwester erzählt. Damals kam der Anruf meiner Freundin Jasmine dazwischen, als ich damit beginnen wollte. Danach wurde ich nachlässig mit dem Schreiben – räusper.

»Doch, doch. Und du glaubst gar nicht, wie froh ich bin, dass es nur das ist«, antwortete Damon, faltete die Hände wie zum Gebet vor die Brust zusammen und blickte mit geschlossenen Augen nach oben.

»Was ist denn mit dem los?«, fragte ich mit einer Mischung aus Verwirrung und Amüsement. Aber auch Stefan sah irgendwie erleichtert aus, als ich ihnen von Luisa erzählte.

»Wir haben da so unsere Erfahrungen gemacht, mit Doppelgängern. Keine Guten.« Stefan setzte sich auf das große Ledersofa, welchem daraufhin eine Staubwolke entwich. »Die Doppelgänger, die wir kennen, reichen für hundert Menschenleben. Da müssen nicht noch mehr dazukommen. Eine Doppelgängerin war es, die uns verwandelt hat. Katherine Pierce. Sie war auch schuld daran, dass Damon und ich uns, nun ja, auseinandergelebt hatten, für einige Jahrzehnte.«

Ich verstand zwar nicht, was er damit genau meinte, aber ich wurde wieder um eine Information reicher.

»Vampire, Hexen, Doppelgänger. In was bin ich hier nur hineingeraten?«, sagte ich mehr zu mir selbst. Die Brüder lachten.

»Du wirst dich noch wundern«, antwortete Damon. »Übrigens, ich hab hier was für dich«, sagte er anschließend und holte eine kleine Flasche mit einer klaren Flüssigkeit aus dem Küchenschrank. »Das ist Eisenkraut-Extrakt. Nicht Knoblauch, sondern dieses widerliche Gewächs ist schädlich für Vampire. Vampire sind sozusagen allergisch dagegen. Es verletzt und schwächt sie. Es kann als Waffe gegen uns eingesetzt werden.«

Damon öffnete die Flasche und ließ einen winzigen Tropfen auf mein Handrücken fallen. Es passierte etwas Ähnliches wie beim Sonnenlicht. Die Haut schmerzte und es bildeten sich Brandblasen.

»Ich weiß, es ist verdammt unangenehm. Aber wenn du jeden Tag einen Schluck davon zu dir nimmst, dann kannst du zu einem gewissen Grad immun dagegen werden. Es schadet dir dann nicht mehr so stark. Ich würde dir das wirklich anraten.«

Stefan nickte, um zu zeigen, dass sein Bruder recht hatte. Mit einem unguten Gefühl setzte ich daraufhin das Fläschchen an meine Lippen und trank einen Schluck.

»Oh, shit!«, keuchte ich anschließend. Mein gesamter Mundraum sowie meine Speiseröhre und natürlich auch der Magen brannten wie die Hölle. Sodbrennen war nichts dagegen. Erst nach einiger Zeit heilte alles wieder und der Schmerz ließ langsam nach. »Das kann ich doch nicht jeden Tag trinken!«

»Tu dir selbst den Gefallen. Es wird einfacher werden und du bist einen wunden Punkt los«, ermutigte mich Stefan. »Menschen, die Eisenkraut im oder am Körper tragen, können übrigens nicht von Vampiren manipuliert werden. Achte stets darauf, bevor du jemanden einer Gedankenmanipulation unterziehen willst.«

»Gibt es sonst noch Dinge, die ich wissen sollte?«

»Sehr viele, aber für heute waren es erst mal genug. Jetzt lernst du am besten, deine Sinne zu kontrollieren. Dieser Sturm muss für dich ja ungeheuer laut sein«, sagte Stefan und hatte damit vollkommen recht.

Den Rest des Tages übte ich mit ihm mein Gehör zu kontrollieren. So konnte ich es gezielt einsetzen, um zum Beispiel jemanden belauschen zu können. Aber ich konnte mit viel Konzentration auch lernen, Dinge auszublenden. So endete mein erster Tag als Vampir und meine erste Lektion im Vampirsein.

✅ Once in a Blue Moon - Marias übernatürliche Tagebücher // (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt