»ICH HABE DAS GEFÜHL, VON INNEN ZERRISSEN ZU WERDEN«

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LIEBES TAGEBUCH,

ich bin noch da!

Gerade so. Ich liege auf der Rückbank von Klaus'Auto und versuche, so gut es geht, die folgenden Ereignisse für die Nachwelt zu notieren. Das funktioniert eher schlecht als recht. Mir geht es beschissen. Aber lass mich etwas weiter ausholen:

Nachdem Freya mit dem Zauber begonnen hatte, ging alles ganz schnell. Ein gleißend helles Licht und danach völlige Dunkelheit umgaben mich, während die Mikaelson-Hexe sich mit letzter Kraft die finalen Worte heraus quälte, um den Zauber abzuschließen.

Anschließend konnte ich eine Art Druckwelle spüren, die anscheinend von dem Werwolfsgürtel ausging.

Dann fielen wir alle in eine Art Koma und wussten von nichts mehr.

Als wir nach ein paar Minuten wieder zu uns kamen, überschlugen sich die Ereignisse.

Die Wölfe steckten bereits mitten in der Verwandlung.

Schließlich hörte ich Klaus brüllen.

»Die Ringe! Was zur Hölle ist mit den Ringen passiert?« Vor ihm lagen die Mondlichtringe, die wir den Wölfen nach ihrer überstandenen Verwandlung, wie versprochen geben wollten.

Doch sie waren allesamt in Einzelteile zersprungen. Und das war nicht das Einzige, was sich verändert hatte.

Auch ich fühlte mich sonderbar. Es war, als wäre ich zu gleichen Teilen so stark wie niemals zuvor und doch so selbstzerstörerisch, wie ich es mir nie hätte vorstellen können.

Ich hätte alles um mich herum in Stücke zerreißen und dasselbe auch mit mir tun können. Mehr als ein krächzendes ‚Klaus' brachte ich nicht heraus. Dieser sah, in welcher Lage ich mich befand, und biss sich sofort ins Handgelenk und gab mir sein Blut.

Dies nun war der zweite Versuch, meine Verwandlung in einen Hybriden abzuschließen. Unsere Hoffnungen, dass ich nach dem Bruch des Fluches automatisch zur Hybridin werde, wurden bereits zerschlagen. Aber wer hatte schon ernsthaft daran geglaubt, dass es so einfach sein würde?

Neben mir windete sich nun auch Rebekah wieder auf die Beine.

»Maria, deine Augen! Hat es funktioniert?«, fragte sie, als sie meine goldgelb leuchtenden Wolfsaugen sah.

Ich war ein Werwolf. Aber auch ein Vampir. Beides zusammen funktionierte leider noch nicht.

»Wir wissen noch nicht, ob ihr Körper die Vampirseite akzeptiert«, sagte Klaus und schickte seine Schwester los, um nach Freya zu sehen.

Diese lag nach wie vor bewusstlos neben dem Altar.

»Wie geht es dir jetzt?«, fragte er mich anschließend.

Leider konnte ich ihm keine positive Antwort geben.

»Ich habe das Gefühl, von innen zerrissen zu werden. Es tut so weh«, antwortete ich mit schwacher Stimme.

Das war noch eine milde Beschreibung von dem, was ich gerade durchmache.

Klaus gab mir daraufhin die Flasche mit Hopes Blut.

Rettungsversuch Nummer drei.

Doch auch dieser schien ins Leere zu verlaufen, als ich das Blut nach ein paar Minuten im hohen Bogen wieder an die Luft beförderte.

Dann war es Zeit für das Blut der fünf Hexenzirkel. Dieses behielt ich zwar bei mir, aber es setzte dennoch kein Gefühl der Besserung ein. Der nächste Versuch wäre Freyas Blut gewesen. Sie kam auch gerade wieder zu sich und war auf dem Weg zu uns. Doch es gab ein neues Problem.

Die Werwölfe hatten ihre Verwandlung mittlerweile abgeschlossen und benahmen sich genauso wild, wie sie nun aussahen. Als ich sie sah, überkam mich das magische Gefühl, dass ich zu ihnen gehörte, und es war ein faszinierender Anblick diese Kreaturen zu sehen, die kurze Zeit zuvor noch ganz normale Menschen waren.

»Wir müssen hier weg! Schnell!«, rief Rebekah, als sie uns entgegenkam. »Die Wölfe sind völlig außer Kontrolle, sie werden uns in Stücke reißen.«

»Verdammt! Was soll der Blödsinn? Haben wir irgendwas falsch gemacht?«, fragte Klaus und seine Adern quollen an seinem Hals hervor.

»Haben wir nicht. Ich kann mir nicht erklären, was geschehen ist, warum die Ringe zerbrochen und die Wölfe derartig aggressiv sind«, antwortete Freya, die noch von ihrer Schwester gestützt werden musste.

»Wir müssen zu den Autos, ehe wir Werwolffutter werden«, sagte Rebekah und sie und Klaus schleppten mich und Freya so schnell es ging zu den Autos.

Rebekah packte Freya in ihren Wagen, während Klaus mich in seinen verfrachtete. Dann ging es in der höchstmöglichen Geschwindigkeit, die die beiden Fahrzeuge aufbringen konnten zurück nach Eichenstedt.

Ich bekam davon nicht allzu viel mit. Alles um mich herum fühlte sich dumpf an und ich hörte alles, als wäre ich weit entfernt in einem anderen Raum. Dennoch lauschte ich ein paar Bruchstücke von einem Telefonat, welches Klaus mit seinem Bruder Kol führte. Kol klang völlig außer sich.

»Nik, irgendwas ist hier völlig aus dem Ruder gelaufen. Edith ist nicht mehr in ihrem Zimmer und auch Walther ist verschwunden. Das ganze Gebäude ist von Wölfen umzingelt. Sowohl in ihrer Tier- als auch in ihrer Menschengestalt. Das war doch so nicht geplant.«

»Natürlich war das so nicht geplant!«, schrie Klaus seinen Bruder übers Telefon an, woraufhin ich wieder etwas munterer wurde und reflexartig dich, mein liebes Tagebuch, aus meiner Tasche hervorkramte.

»Wir haben auch einen Verletzten. Rodríguez, dieser Nichtsnutz wurde von einem Wolf gebissen«, ergänzte Kol.

»Scheiß auf Rodríguez. Sieh zu, dass du das Schlimmste verhindern kannst. Rebekah und Freya sind bereits auf dem Weg zu dir.« Klaus legte auf und raste weiter durch die Nacht.

Zum Glück waren die Straßen in der Nacht zu Ostersonntag nahezu frei.

Wir erreichten Eichenstedt schneller als erwartet, auch wenn es sich für alle Beteiligten sicher länger angefühlt hatte. Klaus half mir, aus seinem Auto zu kriechen, und wollte mich sofort in meine Wohnung bringen. Die Nachbarn dachten sicher, ich sei betrunken. Aber über so etwas Profanes konnte ich ihn diesem Moment nicht nachdenken.

Vielmehr sorgte ich mich um Rodríguez und immerhin ist meine Schwester in der Wohnung. Ich wusste nicht, ob dies der richtige Zeitpunkt war, die beiden miteinander bekannt zu machen.

»Geh bitte zuerst zur Villa und hilf deinen Geschwistern mit den Wölfen klar zu kommen. Rette den armen Rodríguez. Er hat den Tod nicht verdient. Verschwende keine Zeit für jene, die bereits verloren sind«, sagte ich zu meinem Erschaffer.

»Das kommt gar nicht infrage. Niemand interessiert sich für diese Witzfigur Rodríguez!«, protestierte Klaus.

»Er ist mein Freund. Ich habe ihn von Walthers Zwängen befreit. Er vertraut mir und ich vertraue dir. Tu mir diesen letzten Gefallen, Klaus.«

Klaus sah nicht glücklich über meine letzte Bitte aus und ich hatte erneut das Gefühl, Tränen in den Augen des über tausend Jahre alten, unbesiegbaren und skrupellosen Urhybriden zu sehen. Die Augen, die bereits so viel Leid und Tod gesehen und selbst verursacht hatten.

»Bitte geh jetzt«, flehte ich ihn erneut an und begann mit schwachen, zitternden Händen die Eingangstür aufzuschließen. »Ich bin für Rod eine Königin. Ich kann mein Wohl nicht über das seine stellen. Ich warte auf dich. Versprochen«, sagte ich und versuchte zu lächeln.

Ehe ich die Tür hinter mir schloss, versprach Klaus, so schnell wie möglich zurückzukommen. Dann quälte ich mich die Treppe rauf und klopfte mit letzter Kraft an der Haustür.

Meine völlig verängstigte Schwester öffnete mir.

✅ Once in a Blue Moon - Marias übernatürliche Tagebücher // (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt