»ICH BEVORZUGE BLUT FRISCH AUS DER ADER«

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~ 24. Januar 2018 ~

LIEBES TAGEBUCH,

heute ist Mittwoch. Das bedeutet, dass ich seit fast einer Woche das Dasein einer Untoten friste – eingesperrt in dieser staubigen Villa, die nach wie vor mehr Baustelle als Wohnhaus ist. Zumindest ist es mir gelungen, Stefan zu überreden, endlich eine Dunstabzugshaube in die Küche einzubauen. Ich will es unbedingt vermeiden, dass mein übernatürlich feines Näschen darunter leidet, wenn er tatsächlich irgendwann auf die Idee kommen sollte, Knoblauchgerichte zu kochen. Wobei er wahrhaftig gut kochen kann, der jüngere der beiden Salvatore-Brüder. Damon hingegen demonstriert mir täglich, dass ein Vampir ziemlich viel Alkohol verträgt. Sein Whiskeykonsum ist wirklich enorm! Vermutlich hat er genauso unter dieser Situation zu leiden wie ich. Er wollte ein Leben ohne Vampire und ich sowieso.

Stattdessen wäre ich im Moment viel lieber bei meiner Familie und auf Arbeit. Ich vermisse dieses kleine gemütliche Radio jetzt schon fürchterlich. Noch mehr vermisse ich aber meine Zwillingsschwester Luisa. Sie ist zehn Minuten älter als ich, womit sie immer angegeben hat. Wenn sie erst wüsste, dass sie bald 20 Jahre alt werden würde, während ich auf ewig 19 bliebe. Ich hoffe, sie vermisst mich nicht zu sehr und hat Damons manipulierte Geschichte gut angenommen. Vermutlich hat sie ohnehin zu viel um die Ohren gerade. Im Gegensatz zu mir hat sie bislang nämlich weniger Erfolg bei der Ausbildungsplatzsuche gehabt. Das heißt, eigentlich hat sie noch gar nicht angefangen, konkret zu suchen. Luisa ist sich nach wie vor unschlüssig, wohin sie ihre berufliche Reise schicken soll. Sie würde auch gern studieren, aber dazu müsste sie die Stadt und somit auch mich verlassen. Wir waren noch nie sehr lange voneinander getrennt gewesen, aber im Moment schient es mir eine sichere Alternative für sie zu sein, sich nicht in meiner Nähe aufzuhalten. So verrückt das klingen mag, wünsche ich mir, dass sie bald etwas findet. Möglichst weit weg von hier, damit ich sie nicht jeden verdammten Tag ins Gesicht lügen muss oder sie im schlimmsten Fall noch in diese Vampir-Geschichten mit hineinreiße.

Auf dich, mein Vampir-Tagebuch, muss ich jedenfalls besonders gut aufpassen, damit niemand in dir liest und all das unglaubliche Zeug herausfindet. Stefan hat mir ein Buch mit Schloss gegeben, das ist natürlich praktisch. Mein eigentliches Tagebuch zuhause – mein Radio-Tagebuch – hat keines. Ich hätte es somit nicht weiterschreiben können. Ich klebe aber die ersten drei Seiten später noch in dich rein, dann ist es dennoch komplett.

Aber genug davon, kommen wir zum aktuellen Stand der Dinge: Der heutige Tag sollte nämlich all meine guten Vorsätze, die ich mir auferlegt hatte, auf eine harte Probe stellen. Dabei fing alles so gut an. Der erste Schritt zu einem einigermaßen normalen Leben kam am Morgen, ganz profan per Post. Ein schnöder kleiner Briefumschlag, mit einem Stempel von St. Tropez lag plötzlich auf meinem Bett. Eine gewisse Freya Mikaelson stand in sorgfältiger Handschrift als Absender darauf. Freya ist die ältere Hexen-Schwester von diesem ominösen Klaus, dem ich mein Vampirdasein zu verdanken hatte. Sie hatte mir einen dieser tollen Tageslichtringe gemacht! Ein schlichter silberner Ring mit einem blauen Lapislazuli. Nun konnte ich mein unfreiwilliges Gefängnis endlich wieder verlassen, ohne vom Sonnenlicht geröstet zu werden.

Ich ging vollen Vorfreude und Skepsis zur Tür und steckte vorsichtig einen Fuß hinaus – nichts passierte. Der restliche Körper folgte und dann stand ich da – am helllichten Tage! Die Sonne schien in mein Gesicht und ich musste zunächst blinzeln, da sich meine etwas lichtempfindlichen Augen erst einmal an die Helligkeit gewöhnen mussten. Aber glücklicherweise war dies das Einzige, was in diesem Moment passierte. Ich ging nicht in Flammen auf. Der Tageslichtring funktionierte! Ich war ganz berauscht von diesem Umstand. Nach einer Woche Gefangenschaft in diesem düster-muffigen Gebäude, war ich endlich wieder draußen. Und die Welt fühlte sich so wunderbar intensiv an. Dafür, dass ich eigentlich tot war, hatte ich mich nie lebendiger gefühlt.

✅ Once in a Blue Moon - Marias übernatürliche Tagebücher // (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt