Kapitel 11 •Der geheimnisvolle Besucher•

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»Am Abend«
Ich legte mir noch meinen Schmuck an und betrachtete mich am Spiegel. Fragend sah ich mich einfach an. Wer kommt denn? Und warum so eine Geheimnistuerei? Muss ich heute die Gäste bedienen? Als 22 Jährige sowieso, aber ich bin ja „krank" und das würde meine Mutter nicht wollen. Als es klingelte machte meine Mutter unten auf und öffnete die Tür. Mein Vater stand hinter meiner im Flur und ich kam gleich danach. Man hörte schon den Aufzug und dann kam er - mein Bruder. Meine Eltern sahen mich lächelnd an und ich rannte auf ihn zu. Er lies seine Tasche fallen und nahm mich in die Arme. „Es war so langweilig ohne dich.", flüsterte ich. Er küsste meinen Haaransatz und zog mich näher zu sich. Ja, ich habe einen älteren Bruder. Okey, was heißt älter? Er ist grad mal 5 Minuten älter als ich. Ja, wir sind Zwillinge. „Ich war doch nur zwei Jahre weg.", sagte er lachend. „Du weißt, dass ich dich gebraucht hätte.", flüsterte ich. Und bekam Tränen in den Augen. Ich wischte diese sofort weg und entfernte mich von ihm. Meine Eltern gingen auf ihn zu und umarmten ihn herzlich. Er musste für 2 Jahre nach Kanada und konnte uns deshalb nie besuchen. Jetzt ist er endlich wieder da und muss hoffentlich nicht wieder weg. Er betrat unsere Wohnung und zog seine Jacke aus. Ich nahm ihm diese samt Tasche ab und legte sie in unserem Zimmer ab. Ja, wir teilen uns ein Zimmer, damit wir aus dem anderen ein Ankleideraum für mich machen konnten. Er hat mir diesen Wunsch erfüllt, bevor er nach Kanada musste. „Wie geht es dir?", hörte ich plötzlich hinter mir. Ich erschrak und drehte mich um. Er lächelte mich an. „Ganz gut.", erwiderte ich. „Lüg nicht.", sagte er nun. Ich lächelte gezwungen und weinte plötzlich. Er kam sofort auf mich zu und umarmte mich. „Wenn du willst können wir gemeinsam hingehen?", fragte er mich. Ich wusste genau was er meinte. Seit 2 Monaten war ich nicht mehr dort - es würde gut tun. Ich nickte schnell und umarmte ihn fester. Daraufhin zischte ich laut auf. „Verdammt!", schrie ich qualvoll. Er stolperte zurück und schon kamen meine Eltern in unserem Zimmer. Ich zog mein Shirt hoch und das Verband war kaum zu übersehen. Lorent, mein Bruder, sah mich erschrocken an. Meine Eltern hatten vor es ihm irgendwann persönlich zu sagen, darum habe ich nichts erwähnt. Wer hätte gedacht, dass es heute soweit sein wird? „Was ist passiert?!", schrie er aufgebracht und kam mir näher. Die Schmerzen waren nun vergangen, während ich ihm alles erklärte. Natürlich ließ ich die Wahrheit aus. Fürs erste. [...] „Möge Allah ihn und seine Liebsten beschützen. Was wäre bloß passiert, wenn niemand auf der Straße gefahren wäre?", kam mein Bruder nun zu Wort. Wenn niemand auf der Straße gefahren wäre, würde ich keinen Verband tragen, mein Lieber. Ich sah ihn nur lächelnd an. „Zum Glück ist dir nichts passiert. Alles wird heilen, keine Sorge, Schwesterherz. Ab jetzt passt dein großer Bruder auf dich auf!", fuhr er fort. Ich fing an zu lachen. „Komm runter von deinem Trip. Du bist bloß fünf Minuten älter!", erwiderte ich. Er streckte mir die Zunge raus und lachte. Ja, wir haben einen sehr guten Draht zueinander. Er ist nicht nur mein Bruder, sondern auch mein bester Freund. „Geht's wieder?", fragte er mich. Ich bejahte. Wir schwiegen beide, da wir an unseren Handys waren. Meine Mutter machte nebenbei das Essen fertig und mein Vater saß im Wohnzimmer und sah Fern. Ich konnte raushören, dass er sich seine Lieblings-Quizshow ansah. „Lorent, wann wollen wir gehen?", fragte ich ungeduldig. Er schrie daraufhin durch die Wohnung: „Mam, kur o buka gati? (Mam, wann ist das Essen fertig?)" Ich sah ihn fragend an. „Dauert bisschen.", erwiderte meine Mutter. „Zieh deine Jacke an.", sagte er an mich gewandt. Ich tat das, was er mir sagte und stand auf. „Wir gehen spazieren.", sagte er zu unseren Eltern. Wir liefen zur Tür, wo wir unsere Schuhe anzogen. Nachdem wir nochmal „Tschüss" sagten, lies er die Tür ins Schloss fallen. Und nun machten wir uns auf dem Weg zum Friedhof.
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Sekreti jonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt