Kapitel 12 •Im Friedhof•

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Wir liefen stillschweigend die Straßen entlang. Es wurde langsam dunkel, weswegen die Laternen angingen. „Irgendwie fühle ich mich schlecht.", flüsterte ich Lorent zu. „Wieso?", fragte er nach. „Naja, ich war schon seit zwei Monaten nicht mehr da. Denkst du ER ist böse auf mich?", erwiderte ich traurig. „Nein, niemals. Er kann dir nicht böse sein, dafür hat er dich zu sehr geliebt. Und tut es dort oben immer noch.", sagte er und zeigte am Ende zum Himmel. Ein Stern fing plötzlich an zu funkeln. Ich fing an zu lächeln. „Hast du das gesehen! Das war ER! ER war es! Da bin ich mir sicher!", kreischte ich, während ich an seinem Arm zog. „Ja.", sagte er leise und lächelte mich an. Ich war so froh. Er ist mir doch nicht böse! Ich bekam Tränen in den Augen und hielt die Hand meines Bruders. [...] Ich fing an zu zittern, da wir uns dem Friedhof näherten. „Ich weiß nicht, ob ich das kann, Lorent.", gab ich ehrlich von mir. „Hey, hals Maul. Ich bin da.", sagte er und schob mich zum Tor. Ich atmete tief ein und wieder aus. Wir liefen vorbei und dann kamen wir schon an: vor SEINEM Grab. Ich kniete mich hin und betrachtete seinen Grabstein. Und fuhr mit meiner Hand drüber.

Adrian Garcia
23.10.1997 - 02.06.2020
Guter Freund, Sohn und Geliebter

Er hatte die Welt zu früh verlassen - viel zu früh. Ich nahm meine Kette aus meiner Jacke und betrachtete meinen Ring. Jetzt sind vielleicht die meisten verwirrt. Wer war Adrian? Welche Beziehung hatte ich zu ihm? Was für einen Ring? Woran ist er verstorben? Naja, die kann ich jetzt schonmal beantworten: Adrian war meine erste Liebe. Der Ring? Das war mein Verlobungsring. Woran er verstorben ist? An einem Autounfall. Wie es dazu kam? Naja, das werdet ihr schon bald erfahren. An seinem Nachnamen erkennt man, dass er kein Albaner war. Um genau zu sein kam er aus Spanien. Wir hatten uns im Alter von 18 ineinander verliebt, da er in meine Klasse ging. Wir hatten uns dann, als ich 20 Jahre alt war, verlobt. Nächstes Jahr wäre unsere Hochzeit gewesen. (Unsere Eltern haben dies alles sogar akzeptiert!) Ich musste lächeln, als ich das Gefühl hatte, sein Lächeln zu sehen. Er hatte mich erfüllt. Er hatte mir all den Stress weggenommen. Er hatte zwei Nebenjobs gehabt, nur um mir den Wunsch jedes jungen Mädchens zu erfüllen: eine Traumhochzeit. Ich hatte ihm oft gesagt, dass es zu viel sei, doch er hörte nicht auf mich. Ich wäre auch mit einer kleinen Party zufrieden gewesen, doch er wollte das nicht. „Alles ok?", holte mich die Stimme meines Bruders zurück. Ich nickte und bemerkte später mein nasses Gesicht. Meine Haare klebten chaotisch links und rechts an meinen Wangen. Ich flüsterte noch ‚ich liebe dich' bevor ich aufstand. Ein angenehm frischer Wind wehte durch meine Haare und verlieh mir eine Gänsehaut über meinem kompletten Körper. Ich schmunzelte und sah automatisch rechts von mir. Ich habe das Gefühl, dass er sich auf der rechten Seite seines Grabes hingekniet hat. Komisch, oder? Ich spürte eine Hand an meiner rechten Schulter und erschrak. „Was ist los?!", schrie Lorent. Ich sprang auf und fuhr mir durch die Haare. „Er hat mich angefasst. Adrian. Ich hab's gespürt.", flüsterte ich aufgebracht und ging auf Lorent zu. „Hey, Schwesterherz?", räusperte er sich nach einer langen Umarmung. Ich sah hoch. „Vielleicht bildest du dir das alles ein.", fuhr er fort. Ich schüttelte hastig meinen Kopf. Kann nicht sein! Lorent sah mich bemitleidend an - das kann ich gar nicht gebrauchen! „Wollen wir gehen?", fragte ich ihn, ohne ihm einen Blick zu gewähren. Er nahm meine Hand und wir gingen aus dem Friedhof. Ein wenig später kreuzte sich unser Weg mit dem von Kujtim...
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