Nach dem abendlichen Besuch der Ärzte ist nicht wirklich mehr etwas passiert. Kurz nach der Visite kam noch eine Schwester vorbei, um mir einen letzten Infusionsbeutel für den heutigen Tag anzuhängen, wenn dieser durchgelaufen ist, wird mich keiner mehr stören. Da die Besuchszeiten für heute allerdings schon vorbei waren, konnte ich mit keiner Ablenkung mehr rechnen und da mein Handy Akku nach und nach den Geist aufgab, konnte ich nicht mal mehr mit Theo schreiben.
Allein, dieses Wort schwebt immer wieder in meinen Gedanken herum. Das werde ich wohl in den nächsten Wochen und Monaten oft sein. Umgeben von vielen Ärzten, aber dennoch allein. Meine Mutter wird sich in ihre Arbeit stürze, Carlos wird viel ihrer Aufmerksamkeit brauchen und ich bezweifle das sie ihn oft mit ins Krankenhaus nehmen wird.
Theo kann auch nicht immer zu mir kommen. Vermutlich wird er versuchen hier so viel Zeit wie möglich zu verbringen, aber er muss eben auch weiter zur Schule gehen und kann diese nicht vollständig vernachlässigen.
Meine Kopf war an diesem Abend wie leergefegt. Ich konnte mir zu meiner Diagnose keine richtige Meinung bilden. Okay, mir war bewusst, dass das definitiv nicht die beste Nachricht war, die ich hätte bekommen können, aber schlimmer geht immer, oder?
Anstatt einen Plan zu formen, wie ich die nächsten Wochen und Monate angehen sollte, starre ich einfach nur gegen die helle Wand und befinde mich in meiner eigenen Welt. Aus dieser werde ich erst wieder gerissen, als sich die Zimmertür öffnet und die Schwester von vorhin wieder den Raum betritt.
Auf ihrem Arm hält sie einige Sachen, welche sie auf dem kleinen Tisch in meinem Zimmer ablegt und mir dann den Infusionsschlauch von meiner Hand abmacht. Jetzt kann ich mich wieder frei bewegen und das wird, wie ich gerade merke, auch aller höchste Zeit, denn meine Blase spannt schon wieder unangenehm.
„Hier ist ein wenig Kleidung für die Nacht, sowie Seife und ein Waschlappen, du möchtest dich sicherlich ein wenig frisch machen." Sagt sie mit einem freundlichen Lächeln und deutet auf ihre Mitbringsel.
Mit dünner Stimme bedanke ich mich und beginne meine Beine vorsichtig aus dem Bett zu heben. Mit wachsamen Augen beobachtet die Schwester meine langsamen Bewegungen und verlässt das Zimmer erst, als sie sicher ist das ich sicher auf meinen Füßen stehe.
Ein wenig wackelig fühlen sich meine Beine schon an, allerdings legt sich das nach ein paar kleinen Schritten wieder und ich komme meinem Ziel dem Badezimmer immer näher.
Mit einem seufzen lasse ich mich schließlich auf dem geschlossenen Toilettendeckel nieder und atme tief durch. Dieser kleine Gang hat mich schon erschöpft und ich habe die dunkle Vermutung, dass das in den nächsten Tagen nicht unbedingt besser werden wird.
Vorsichtig entledige ich mich meiner Kleidung und feuchte den Waschlappen unter einem lauwarmen Wasserstrahl an, damit ich meinen Körper von dem Schmutz des Tages befreien kann. Mit einer Hand voll Wasser reinige ich anschließend noch mein Gesicht und nachdem meine Haut wieder getrocknet ist, ziehe ich mir die bereitgestellte Kleidung an.
Der Weg zurück in mein Bett kommt mir doppelt so lang wie bei meinem Hinweg vor und so dauert es seine Zeit, bis ich mich wieder auf der Matratze niederlassen kann. Für einen Moment muss ich mich sammeln, dann lege ich mich wieder zurück ins Bett und kuschele mich unter die Bettdecke.
In dieser Nacht komme ich so gut wie gar nicht zur Ruhe. Zunächst kann ich keine bequeme Position auf der Matratze finden, dann höre ich ständig irgendwelche Geräusche auf dem Flur und anschließend falle ich fast aus dem Bett, weil ich mich wie gewohnt umdrehen möchte.
Gefühlte fünf Minuten nachdem ich dann endlich meinen Weg in die Traumwelt gefunden habe, geht die Tür auf, das Licht an und eine Schwester kommt mit einem fröhlichen „Guten Morgen!" in meine Zimmer.
DU LIEST GERADE
Sunflower [Gio Reyna]
FanfictionBessere Noten und neue Freunde, das sind die Vorsätze von Lu für ihre neue Schule. Allerdings hat sie da ihre Rechnungen ohne eine Zusammenbruch mit darauffolgender Krebsdiagnose gerechnet. Ihre Welt zerbricht in tausende Scherben, sie hatte doch so...