Neues Jahr, neuer Chemoblock. So oder so ähnlich könnte man meinen Wochenstart betiteln. Bis jetzt hatte ich nur meine obligatorischen Untersuchungen, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis eine Schwester mir meinen Medikamentencocktail bringen würde.
Anstatt der erwarteten Schwester, kommt kurze Zeit später jedoch ein gewisser Amerikaner in den Raum.„Gio." Rufe ich erfreut und schäme mich schon fast für meinen überschwänglichen Enthusiasmus, allerdings scheint auch Gio sehr gute Laune zu haben. Er grinst mich ziemlich breit an und zieht mich überraschend in seine Arme und ich weiß für einen Moment nicht wie ich reagieren soll.
Ein wenig verkrampft erwidere ich seine Umarmung, entspanne mich aber recht schnell und genieße seine Nähe, statt mir irgendwelche Gedanken zu machen. Für einige Zeit bleiben wir noch so, dann lösen wir uns wieder voneinander und Gio zieht sich einen Stuhl an mein Bett.
„Wie war es zu Hause?" frage ich ihn und auch wenn ein kurzer Schatten über sein Gesicht huscht, strahlen seine Augen. Verständlich, er sieht seine Familie so selten und wenn er dann wieder in Deutschland ist, fehlen sie ihm vermutlich noch mehr.
„Wunderbar. Wir haben richtig viel zusammen unternommen und ich habe zu viel gegessen." Diese wenigen Worte reichen schon aus mich zum Kichern zu bringen. Gio hat normalerweise ja schon einen Akzent, aber nach seiner Zeit in Amerika ist dieser nun viel stärker und so muss er sich wohl erst wieder ans Deutsch sprechen gewöhnen.
„Warum lachst du mich aus?" fragt er sofort und zieht eine niedliche Schmolllippe.
„Naja, es ist offensichtlich das du in den letzten Wochen nicht wirklich Deutsch gesprochen hast." Erkläre ich es ihm also, woraufhin er nur die Arme verschränkt und weiter so tut, als ob er beleidigt wäre.„Pff, freche Mädchen bekommen keine Geschenke." Warte mal, was? Haben meine Ohren mir hier gerade einen Streich gespielt oder hat Gio mir wirklich ein Geschenk besorgt? „Geschenk?" frage ich also und ziehe die Augenbrauen zusammen, da ich mir nicht wirklich erklären kann wieso er das getan hat.
„Yes. Ich habe dir was mitgebracht, aber du bist ja fies zu mir." Sagt er, kramt in seinem Rucksack und scheint fündig zu werden, zieht es aber noch nicht hervor.
„Gio du musst mir nichts schenken." Murmele ich und senke den Blick. Ich möchte wirklich nichts von ihm haben. Zum einen verstehe ich nicht, wieso er mir etwas schenken möchte und zum anderen habe ich nichts für ihn.
„Zu spät. Ich habe dir was geholt und das musst du auch annehmen, sonst bin ich traurig." Auffordernd hält er mir eine kleine Box entgegen, welche ich zögerlich annehme. Noch einmal schaue ich zu Gio, dieser sieht mich allerdings nur erwartungsvoll an und so öffne ich seufzend die Schleife der Box.
Darunter kommt der zarte Schriftzug einer Schmuckfirma in mein Blickfeld, welche ich allerdings nicht kenne. Vorsichtig hebe ich den Deckel an und schaue mir an, was Gio mir da besorgt hat.
An einer filigranen Kette baumelt eine Sonnenblume. Fasziniert sehe ich mir die detailliert gearbeitete Blüte an und bemerke dabei gar nicht, wie ich breit anfange zu lächeln. Gio sitzt einfach nur stumm neben mir und scheint ganz genau darauf zu achten, wie ich reagiere.
„Gefällt sie dir?" fragt er dann nach einiger Zeit und hört sich ein bisschen unsicher an. Erst dann hebe ich den Kopf und sehe, wie er ein wenig unruhig hin und her rutscht. Anstatt zu antworten, stelle ich ihm jedoch eine Gegenfrage.
„Warum eine Sonnenblume?" Für was stehen Sonnenblumen und warum hat Gio gerade diese Kette ausgewählt? Ich kann nicht leugnen, dass diese majestätischen Blumen wunderschön sind, aber warum fiel seine Wahl auf diese Blume?
„Ich wollte dir erst richtige Sonnenblumen mitbringen, weil sie so fröhlich aussehen, aber im Winter blühen sie ja nicht. Dann habe ich angefangen nach einer Alternative zu suchen und eben auch nach etwas das länger hält." Die Worte beginnen förmlich aus Gio herauszusprudeln und sind dabei mit einer ganzen Portion Unsicherheit gespickt.
DU LIEST GERADE
Sunflower [Gio Reyna]
FanfictionBessere Noten und neue Freunde, das sind die Vorsätze von Lu für ihre neue Schule. Allerdings hat sie da ihre Rechnungen ohne eine Zusammenbruch mit darauffolgender Krebsdiagnose gerechnet. Ihre Welt zerbricht in tausende Scherben, sie hatte doch so...