~All Days Are The Same~

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Die lange Busfahrt nach Hause muss ich mit dem Schulwechsel jetzt eben in Kauf nehmen, anders geht es nicht. Aber das habe ich akzeptiert, also fast. Positiv daran ist, dass dieser Bus ziemlich leer ist und ich sowohl Morgens als auch Nachmittags meine Ruhe habe. Ein negativer Punkt ist definitiv das ich früher aufstehen muss. Ich wache zwar auch ohne Wecker früh auf, aber unter der Woche ist die Uhrzeit dennoch pure Quälerei und zu früh für mich. Mit einem leisen Seufzen steige ich aus dem stickigem Bus aus und laufe die letzten Meter nach Hause. 

Die hohen Häuser spenden mir kühlenden Schatten und so muss ich nicht durch die glühende Mittagssonne gehen. Mit routinierten Bewegungen schließe ich die Tür auf und gehe am kaputtem Fahrstuhl vorbei die Treppe in den dritten Stock hinauf. Ein wenig außer Atem bleibe ich vor unserer Haustür stehen und drücke eine Hand auf meine schmerzende Lunge. Seit einiger Zeit bekomme ich Seitenstechen vom Treppensteigen, aber es wundert mich nicht, denn schließlich habe ich schon seit einer halben Ewigkeit keinen Sport mehr gemacht und meine Ausdauer hat dementsprechend darunter gelitten. 

Als der Schmerz nachlässt, drehe ich den Schlüssel im Schloss herum und trete in unseren Flur. Direkt kommt mir der abgestandene Zigarettengeruch in die Nase und ich verziehe angewidert das Gesicht. Unmotiviert streife ich mir die Schuhe von den Füßen, stelle meine Tasche in meinem kleinen Zimmer ab und tapse dann in die Küche. Meine Mutter steht fröhlich summend am Herd und rührt in einer großen Pfanne. Im Hochstuhl neben dem Küchentisch sitzt mein kleiner Bruder und zermatscht glucksend ein paar Bananenscheiben. 

"Hallo Mama." mache ich mich also bemerkbar, woraufhin sich meine Mutter grinsend zu mir umdreht.
"Hallo Schätzchen. Wie war dein erster Tag?" fragt sie mich euphorisch und widmet sich wieder dem Essen zu.
"Ganz gut, denke ich." murmele ich unsicher und streiche durch die kastanienbraunen Haare von Carlos, welche meinen so sehr gleichen. Seine Augen scheinen allerdings eine seiner Haare ähnliche Farbe anzunehmen, während meine eher grünlich geworden sind.

"Und die anderen Schüler? Sind sie nett?" fragt sie weiter und ich verdrehe über ihre Neugierde schmunzelnd die Augen. 
"Ich habe sie für gerade mal zwei Stunden gesehen Mama. Keine Ahnung ob sie nett sind." Mit einem empörtem Gesicht dreht sich meine Mutter zu mir um. 

"Lucinda, du willst mir jetzt aber nicht sagen das du dich mit niemandem unterhalten hast." Nicht wirklich begeistert verziehe ich das Gesicht.
"Hör auf mich Lucinda zu nennen. Ich habe nichts angestellt, also bleib bitte bei Lu." Wir hatten tatsächlich mal die Abmachung getroffen das sie mich nur bei meinem vollem Namen nennen darf, wenn ich etwas angestellt habe und das war im letzten Jahr leider öfter als mir lieb war der Fall. 

"Und ich habe mich durchaus mit anderen Leuten unterhalten. Theo zum Beispiel, aber der ist leider nicht in meinem Stammkurs." Gebe ich ihr dann doch eine Auskunft über meinen heutigen Gesprächspartner, was sie zu einem zufriedenem Gesichtsausdruck bringt.
"Okay, dann ist ja gut. Kannst du bitte Carlos ein bisschen sauber machen? Unser Essen braucht noch und er muss gleich seinen Mittagsschlaf machen." Breit grinsend drehe ich mich zu meinem Bruder. 

"Dann komm mal her kleiner Mann." sage ich und hebe ihn aus seinem Hochstuhl. Darauf bedacht seine bananigen Finger nicht auf meine Kleidung zu bekommen, halte ich ihn ein Stückchen von mir weg und so laufen wir ins Badezimmer. Mit routinierten Bewegungen säubere ich sein Gesicht und seine kleinen Hände, was er mir ausnahmsweise ohne Terror zu veranstalten gestattet.

Anschließend ziehe ich ihm seine Schlafsachen an und trage ihn in sein Zimmer. Carlos Kopf liegt schon träge auf meiner Schulter und so lege ich ihn vorsichtig in seinem Bett ab. Den Rollladen versuche ich so leise wie möglich zu schließen und als der Raum angenehm dunkel ist, schalte ich Carlos Nachtlicht ein. 

Sunflower [Gio Reyna]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt