22. Wenn alle Karten offenliegen

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Kapitel 22: Wenn alle Karten offenliegen

Celeste POV (Gegenwart):

Der Ausdruck in Levis Augen schmerzte ungemein.
"Erwins eisblaue Augen waren das Letzte, das ich noch erblicken konnte. Dann wurde alles wieder schwarz. Aufgewacht bin ich in einer Pflegestation.
Ich... konnte erst gar nicht glauben, dass ich das überlebt hatte."
Meine Stimme zitterte zwar enorm, doch sie war Nichts im Vergleich zu all den Tränen, die über meine Wangen kullerten. Dieses Mal konnte ich sie sogar gleich wahrnehmen. Trotz der vielen Tränen, die meine Sicht etwas vernebelt und mir schon in den Augen brannten, konnte ich seine Reaktion wahrnehmen.
So hatte ich Levi noch nie zu Gesicht bekommen.
"Was war dann?", fragte er mit klarer Stimme.
Seine Augen verschmälerten sich, die Arme kreutze er übereinander.
Allerdings nicht wie gewohnt ganz lässig, nein.
Nein, sein Körper... wirkte angespannt. Ich konnte es deutlich erkennen, denn jeder Muskel seines nackten Oberkörpers zuckte immer wieder etwas auf.
"Ich... lag im Koma."
Ihm die Vergangenheit so offen zu legen viel mir wirklich schwer. Ich spürte wie einzelne Tränen sich in meinem Mund sammelten. Es schmeckte salzig und war unangenehm. Noch viel unangenehmer war es, sie hinunterzuschlucken.
Vom Erzählen brannte mit bereits wie wild der Rachen, die Tränen verstärkten dies nur noch.
"Ich... lag im Koma. Für ein ganzes Jahr. Als ich aufwachte konnte ich nicht sprechen. Ich brachte kein einziges Wort heraus."
Ich schluckte erneut unter Schmerzen.
"Erwin hatte ab und zu nach mir gesehen. Als du gefragt hast in welcher Beziehung ich zu ihm stehe.. meinte ich doch er habe mir das Leben gerettet."
"Das war es also."
"Ja."
Langsam begann ich mir meine Tränen aus dem Gesicht zu wischen. Nicht, dass sie das daran gehindert hätte, weiter einfach unkontrolliert aus meinen Augen zu dringen.
Doch ich wollte nicht, dass Levi mich so sieht.
So schwach. So verletzlich.

"Ich übte viel, damit ich wieder sprechen konnte und körperlich wieder fit wurde... Ganze zwei Jahre hat es gedauert, bis Erwin mich wieder zum Aufklärungstrupp ließ."
"Und dann?"
"Dann... haben wir uns kennengelernt."
Als sich Levis Augen plötzlich weiteten, legte ich den Kopf etwas schief.
Was, hatte er damit wirklich nicht gerechnet? Ich dachte, dass es ziemlich offensichtlich war.
Er war es doch, der sich beschwert hatte, weil ich-
"Deshalb hattest du dich so verstellt", beendete er meinen Gedankengang schließlich.
Ja, deshalb hatte ich keine Ahnung, wie ich mich zu Beginn verhalten sollte.
Deshalb hatte ich versucht, stets zu lächeln, auch wenn mir nicht dazu zu Mute war.
Stets bemüht, etwqs aufrecht zu erhalten, das nicht einmal "ich" war.
Deshalb war ich so erleichtert als er mich so schnell durchschaut hatte.
Ich nickte stumm, wischte mir erneut übers Gesicht.
Levi schien etwas angeekelt davon, doch versuchte er es wohl ausnahmsweise zu ignorieren.
"Stimmt. Ich... wusste selbst nicht, wie ich mich benehmen sollte, aber..."
Auf einmal spürte ich in mir wieder dieses Gefühl aufsteigen.
Dieses Gefühl, das ich seltsamerweise immer in Levis Nähe verspürte.
Dieses Gefühl, das mich willkürlich  Sachen sagen und erröten lies.
Wie aus Reflex beugte sich mein Körper vor, meine Arme sanken ein und mein Kopf wurde schwer. Bis ich den Kopf schließlich auf Levis Schulter ablegte.
"Aber... das ist jetzt anders."
Ich spannte meinen Körper aus Angst vor seiner Reaktion an.
Ein paar Sekunden später entschied ich mich jedoch dafür, mich einfach fallen zu lassen.
Gegen den Mann, der mir erst so unnahbar erschien.

Levi POV:

Als sie ihren Kopf auf meine Schulter und ihren Körper zu mir fallen ließ, stellte ich zum ersten Mal fest, wie zerbrechlich sie eigentlich war.
Trotz der Muskeln, die sie im Training aufgebaut hatte, waren ihre Knöchel so zierlich, ihr Kopf schien ganz leicht.
Nur ihr ewig langes Haar kitzelte mich etwas und störte.
Was sie mir erzählt hatte, war einfach nur grausam.
Grausam, dass sich so jemand überhaupt als Vater schimpfte. Grausam, dass er seine eigene Tochter misshandelt hatte und am Ende auch noch umbrigen wollte.
Ich konnte meine Wut und Zorn gegenüber diesem Mann nicht fassen.
Schon lange nicht mehr hatte ich so einen Groll gegenüber jemandem verspürt.
Wer würde so etwas seinem eigen Fleisch und Blut antun?!
Wusste Erwin davon etwa die ganze Zeit?
Jetzt war es für mich natürlich vollkommen nachvollziehbar, warum sie stets versucht hatte, ihre Maske zu wahren.
Sie wusste ja selbst nicht einmal genau, wer sie noch war und was ihr noch blieb.
Und doch ließ sie sich gegen mich fallen.
Sie vertraute mir, das hatte sie von Anfang an.
Auch, wenn ich es erst nicht direkt sehen konnte.
Sie schenkte mir ihr vollstes Vertrauen, total unabhängig davon ob aus Angst oder Hoffnung.
Und sie schenkte mir ein Lächeln, erst gezwungenermaßen, doch...
Mittlerweile lachte sie, weil sie es wollte, weil sie es wieder konnte.
Mit einem angestrengten Seufzer löste ich meine Arme auseinander. Ich spürte ihren Atem auf meiner Haut, spürte wie sie ganz zögerlich ihre Hände auf meiner Brust ablegte.
Sie zitterten, wie erwartet.
Und auch wenn ich es als sehr unangenehm empfand, spürte ich die Tränen, die nun auch an mir herab rannten.

Die weiße Chrysantheme (Levi x OC / AoT FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt