4. Widerstand und Wiedergutmachung

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Kapitel 4: Widerstand und Wiedergutmachung 

Celeste POV:

"Sieh mal, ist sie nicht ein braves Kind? Und so hübsch!"

"Hast du gesehen? Sie hat sich schon wieder mit einem anderen Jungen getroffen. Irgendwann fängt sie sich noch was ein."

"Heute war ihr Vater wieder da. Das ist mal ein stattlicher Mann!"

"Schon mal was vom Aufklärungstrupp gehört?"

"Willst du etwa in die Fußstapfen deines Papas treten?"

"Sie wird viel zu sehr gelobt!"

"Ab heute habe ich keine Tochter mehr!"

Ich schreckte auf. Schon wieder diese Stimmen, die mich nachts wach hielten. Momente von früher, sie folterten mich oft wenn ich schlief. Schweißgebadet richtete ich mich auf und ging ins Badezimmer um mir das Gesicht zu waschen und meine Kleidung schnell zu wechseln. Ob ich jetzt wieder einschlafen könnte? Ich versuchte die Augen zu schließen und mir etwas Schönes vorzustellen. Doch es wollte nicht klappen. Immer wieder sah ich Bilder meiner Vergangenheit vor meinem inneren Auge, es bereitete mir Kopfschmerzen. Ich musste auf die Beine, vielleicht etwas trinken. Ja das war bestimmt keine schlechte Idee.

Als ich in die Küche trat, konnte ich Levi gegen die Möblierung gelehnt erkennen. Er hatte mich sofort bemerkt, doch ausnahmsweise noch nichts gesagt. Was dachte er wohl gerade? Wahrscheinlich überlegte er sich noch eine passende Beleidigung oder so etwas in der Art. Ich schritt also auf ihn zu und ließ mir Wasser in einen Becher einlaufen. Auch er trank etwas, ich glaube, es war wie immer Tee. Allerdings trank er aus einer Tasse und wie immer auf diese seltsame Weise, die ich nicht nachvollziehen konnte. Wer kann so trinken, ohne dass er etwas ausschüttet?, dachte ich für mich und lehnte mich ebenso an. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich ihn erneut oberkörperfrei zu Gesicht bekam. Das war nun schon das zweite Mal. Durch eines der riesigen Burgfenster schien Mondlicht herein, was bewirkte, dass seine Muskeln noch definierter aussahen. Wenn er seine Uniform anhatte, konnte man gar nicht erahnen, dass darunter so ein athletischer Körper steckte. Das fand ich irgendwie witzig und lächelte für mich. „Was grinst du so blöd?" Da war er wieder, der gewohnte Umgangston des Hauptgefreiten. „Nichts", antwortete ich schnell. „Woher stammt diese Narbe an deinem Hals?" Vor Schreck ließ ich meine Becher zu Boden fallen. „Wie tollpatschig bist du denn bitte?" Doch ich ignorierte ihn einfach. Natürlich, ich trug nur ein Nachthemd, also konnte meine Narbe am Hals gar nicht verdeckt sein. „Jetzt antworte gefälligst." „Ich will nicht darüber reden", erwiderte ich ihm und wischte mit einem Tuch die kleine Pfütze auf, die durch meinen Schreck am Boden gelandet war. Als ich fertig war, stellte ich den Becher neben die Spüle und wandte mich zum Gehen um. Ich konnte hören, wie Levi seine Tasse abstellte und mir nachging. „Antworte mir gefälligst oder hörst du schlecht?" Ich stoppte. „Ich will nicht darüber reden." „Das ist ein Befehl." Verkrampft ballte ich die Hände zusammen. Ich hatte es nicht gewagt, mich zu ihm umzudrehen, ich wollte einfach gehen. Doch ich konnte seine Schritte hinter mir hören, er kam immer näher auf mich zu. Was ich nun tun würde, war wahrscheinlich keine gute Idee, aber in diesem Moment war es mir sowas von egal. Ich drehte mich zu ihm um. „Ich widersetzte mich dem Befehl!", schrie ich und lief so schnell es ging davon. Als ich in meinem Zimmer ankam, schloss ich sofort die Tür hinter mir und verriegelte sie. Befehl hin oder her, ihm davon zu erzählen, wie sollte ich das einfach so können? 

Levi POV:

„Sie hat sich deinem Befehl widersetzt?" „Ja Erwin. Ich könnte sie dafür zur Strecke bringen." Erwin grübelte einen Moment. Ich wusste, dass er nicht ernsthaft über diese Möglichkeit nachdachte, aber etwas beschäftigte ihn. Es war der nächste Morgen und er wollte gerade zurückreiten. „Du weißt doch mehr, ich kenne dich." Er lächelte. „Dir entgeht aber auch nichts, Levi." Natürlich nicht, dafür kämpfte ich lange genug an seiner Seite. „Also, was ist es? Es hat doch mit ihr zu tun." „Scharfsinnig wie immer", meinte er. „Du weißt doch, was passiert ist." „Sie sollte dir selbst erzählen, woher sie diese Narbe hat." Ich seufzte. „Wenn ich sie nicht mit Gewalt dazu zwinge, rückt sie wahrscheinlich nie damit raus." „Tu mir den Gefallen und übertreib es bei ihr nicht. So viel kann ich dir sagen." Erwin sah mich durchdringend an. Dann schwang er sich auf sein Pferd. „Den Rest kriegst du selbst heraus, das weiß ich." Und schon ritt er davon. „Ist Kommandant Erwin schon weg?". Es war ihre Stimme, die ich hinter mir näher kommen hören konnte. Sie lief zu mir und hielt Ausschau. „Du hast ihn gerade verpasst." Ihr Blick schien etwas trübe. „Sag mal, in was für einer Beziehung stehst du zu Erwin genau?" Mit dieser Frage hatte sie wohl nicht gerechnet.

Celeste POV:

Hatte Levi mich das gerade wirklich gefragt? Ich wollte mich doch entschuldigen, warum kam er mir jetzt mit so einer seltsamen Frage? Doch ich wusste auch, dass ich ihn wahrscheinlich nicht ewig hätte abwimmeln können, also formulierte ich meine Antwort vorerst so wage wie nur möglich. „Dank ihm lebe ich noch." Levi schien kein bisschen beeindruckt. „Jetzt weiß ich ja genauestens Bescheid." Das meinte er natürlich sarkastisch. Er drehte sich um und ging Richtung Trainingsplatz. „Ich bin noch nicht bereit!", schrie ich ihm lauthals nach. Dann nahm ich sofort die Hände vor den Mund. Erst widersetzte ich mich seinem Befehl, dann konnte ich mich nicht mal richtig bei ihm entschuldigen und jetzt schrie ich ihn wieder an. Wie würde er darauf wohl reagieren? Ich ahnte bereits Schlimmes. „Wie auch immer", erwiderte er mir dann lustlos.

Nachdem ich bei meinem morgendlichen Versuch, mich richtig bei Levi zu entschuldigen, versagt hatte, beschloss ich es auf eine andere Art nochmals zu probieren. Seine Kameraden hatten mir verraten, dass er unglaublich auf schwarzen Tee stand, also dachte ich mir, es damit zu versuchen. „Hauptgefreiter, bleib bitte noch kurz", bat ich ihn nach dem Abendessen. Die anderen waren bereits gegangen, doch ich wollte die dicke Luft zwischen uns klären. „Was willst du noch?", fragte er mich gelangweilt und saß sich nochmal gezwungenermaßen hin. Er überschlug die Beine und legte einen Arm auf der Lehne seines Stuhles ab. „Ich wollte mich noch entschuldigen. Ich habe Tee gemacht, wenn du welchen willst." „Du willst dich also mit Tee bei mir einschleimen? Du hast ja Nerven." Ohne seinen Kommentar zu beachten, stellte ich ihm einfach eine Tasse hin und goss sie auf. Dann füllte ich meine Tasse und saß mich zu ihm. „Verzeih mir, dass ich mich deinem Befehl widersetzt habe." Doch bevor ich noch etwas von mir geben konnte, hatte er mich an meinem Halstuch gepackt und zu sich gezogen. Meine Stirn berührte dabei beinahe die seine, seine schmalen Augen funkelten mich zornig an. „Ich hätte dich dafür abstechen können." Tapfer erwiderte ich seinen Blick. „Ja, ich weiß." Ruckartig ließ er mich darauf wieder los. Ich richtete mein Tuch zurecht. "Danke, dass du es nicht getan hast", fügte ich noch hinzu." Mir war bewusst, dass es ein unglaublich dummer Fehler gewesen war. Levi hatte sich wieder nach hinten gelehnt, nahm einen Schluck von seinem Tee, als wäre nichts gewesen. „Sieh zu, dass du mir bald davon erzählen kannst", riet er mir und stellte seine Tasse ab. Wieder sah er mich eindringlich mit diesem eisigen Blick an. „Das ist ein Befehl." Ich nickte und nahm nun endlich auch ein paar Schlucke. Dabei beobachtete ich den Hauptgefreiten und bewunderte wieder seine Trinkweise. „Du trinkst ganz schön seltsam." „Du bist ganz schön seltsam." Darauf musste ich irgendwie lächeln. 







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Die weiße Chrysantheme (Levi x OC / AoT FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt