Chapter 3: Kein Entkommen

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Es war eine große Halle, nicht das was ich vom All Japan Team gewohnt war, aber groß. In der Halle trainierten schon neun Spieler. Bisschen wenig für eine Mannschaft, aber Nekoma war auch nicht mehr so groß und hoch angesehen wie bis vor ein paar Jahren. Mein Opa stand mitten drin und unterhielt sich mit einem anderen Mann. Muss wohl der Co-Trainer sein. Kenma ging zu dem großen Jungen von vorhin, Kuroo war glaube ich sein Name. Dieser schlug ihm kräftig auf den Rücken und lachte dabei Laut.

Ich trat einen Schritt zurück, dann noch einen. Eigentlich wollte ich rennen, aber das war der Moment als mein ach so super duper toller Opa mich rief: „Mayumi, hier bin ich." „Scheiße.", stieß ich zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor und schlich vorsichtig wieder zurück in die Halle. Die Spieler hatten alle aufgehört und starrten mich an. Das war einfach nur noch Folter. Ergeben stellte ich meinem Schicksal und ging mit gesenktem Kopf auf meinem Opa zu. Ich konnte das Getuschel der anderen hören und die Blicke in meinem Rücken fühlen. Meine Wangen wurden vor Scham ganz heiß.

„Jungs kommt mal alle her. Ich möchte euch meine Enkelin vorstellen. Mayumi Nekomata.", dröhnte seine Stimme durch die Halle. Gegen das zusammenzucken konnte ich nichts tun, aber jetzt kamen diese ganzen Leute tatsächlich zu uns her. Und sie waren ausnahmslos alle größer als ich. Kann sich der Erdboden bitte auftun und mich verschlingen. Oder kann ich nicht einfach in Ohnmacht fallen oder noch besser sterben. Das war mehr als nur peinlich. Mein Opa stupste mich an, das war die Aufforderung das ich was sagen sollte. Ich zwang mir ein Hallo über die Lippen und hätte fast angefangen zu heulen so stand ich unter Strom. Diese Situation war einfach zu viel. Ich hab mich selten so klein gefühlt.

„Ahh wir kennen uns ja schon.", prahlte dieser Kuroo. „Woher denn?", fragte so ein anderer Typ mit blondem Irokesenschnitt. „Ok Jungs ihr müsst Trainieren, ihr habt bald ein Übungsspiel. Also hängt euch rein und Mayumi du kannst dich zu mir setzen und zu sehen. Oder willst du gerne mit machen?", fragte mich mein Opa und prompt kam die Frage von einem der Spieler. „Wieso sollte sie mit machen?" „Na ganz einfach. Sie ist im All Japan Team und muss ja schließlich auch trainieren.", ich merkte wie mein Opa vor Stolz neben mir fast Platzte. Und darauf folgte anerkennendes raunen. Ich hätte mich in diesem Moment am liebsten übergeben. „Das All Japan Team? Da kommen doch nur die besten hin. Zeig uns was du kannst.", seine Worte leuchteten ja schon. Ich schüttelte nur den Kopf und sagt sonst nichts mehr. Ich hatte Monate lang nicht wirklich trainieren können und dann auch keine Lust mehr gehabt. Ich war bestimmt schon zu schlecht. Ich hatte einfach nichts mehr drauf. Gefangen in einer depressiven Hülle des nichts.

„Also los geht's. Geht euch erstmal richtig aufwärmen.", sagte mein Opa in voller Trainer Manier. „Komm Mayumi, wir setzten uns da hin und reden ein bisschen.", er deutete auf die Stufen vor der Halle. Erleichtert nicht mehr da drin sein zu müssen folgte ich ihm und wir setzten uns. Die Luft hier draußen half mir sogleich meinen Kopf und das Wirrwarr da drin etwas zu klären.

„Erzähl mal Mayumi, wieso trainierst du nicht mehr.", fragte mich Yasufumi sanft. Ich zuckte nur mit den Schultern und fragte mich wie viel meine Mutter ihm wohl erzählt hatte. Er schien anscheinend immer noch auf eine richtige Antwort zu warten. Misstrauisch beäugte ich ihn aus dem Augenwinkel raus. Aber was konnte schon passieren wenn ich es ihm erzähle? Schlimmer als die Antworten von meiner Psychologin können sie ja nicht sein. „Ich ... Ich mag einfach nicht.", kam dann die zögerliche Antwort meinerseits.

„Macht es dir keinen Spaß mehr?", er wollt es wohl genauer wissen. Darauf gab ich ihm keine Antwort, denn ich wusste es nicht. Ich weiß nicht mehr ob mir Volleyball noch Freude bereiten kann. Deswegen war ich ja eigentlich hier um das heraus zu finden. Ich hab mich jetzt verdammte eineinhalb Monate verkrochen. Es wurde doch langsam Zeit das ich wieder lebte. Denn das was ich in dieser Zeitspanne getan habe, war absolut nichts. Ich hatte so gut wie keine Freunde mehr, war ängstlich bei allem. So kann es doch nicht mehr weiter gehen? Irgendwann muss damit auch mal Schluss sein. Aber ob dieser Moment in dem ich es schaffe aus meiner Hülle zu kommen oder diese mit Leben zu füllen in naher Zukunft lag wusste ich nicht. Ich wusste nur eins, das ich das nicht mehr kann. Diese drei Monate nur mit leichtem Aufschlag Training waren beschissen und danach bin ich der Depression verfallen. Ich habe ganze viereinhalb Monate nicht wirklich trainieren können. Und war letztendlich im Selbstmitleid versunken. Das hat mir und meiner Umgebung nicht gut getan. Meine Mutter fasste mich nur noch mit Samthandschuhen an. Meine Freunde und Teamkollegen haben es irgendwann einfach aufgegeben mir zu schreiben oder bei mir vorbei zu schauen. Weil sie von mir einfach keine Antworten mehr bekommen haben.

„Ich hab deinen Unfall im Fernsehen gesehen. Ich hatte fast einen Herzinfarkt. Das sah wirklich nicht gut aus.", das war wirklich nicht das beste was der alte Mann hätte sagen können. Kurz bevor ich mich wirklich öffnen wollte muss er sowas sagen. „Es hat sich auch nicht gut angefühlt!", wütend stand ich auf und wollte weg gehen als er mir noch hinter her rief: „Das glaub ich dir, aber es ist kein Grund aufzugeben." „Aufzugeben?! Wer hat denn hier aufgegeben? Von DIR hat man doch fünf scheiß lange Jahre nichts mehr gehört! Sag du mir nichts von Aufgeben!", schrie ich ihn an. Was erlaubte er sich hier eigentlich so mit mir zu reden? Er kannte mich ja eigentlich gar nicht. Er wusste nicht wie schwer die letzten fünf Jahre eigentlich für mich waren. „Du hast Volleyball aufgegeben.", gab er nur ruhig von sich. Wie kann er hier nur so ruhig sein? Merkte er denn nicht das ich so ein Gespräch überhaupt nicht gebrauchen kann? „Ich habe nicht aufgegeben!", eine Kurzschluss Reaktion in meinem Gehirn. Ich dachte nicht mehr nach. Ich sah nur noch rot. Ich habe Volleyball nicht aufgegeben, es hat doch mich aufgegeben. „Doch hast du, sonst würdest du trainieren und nicht in deinem Zimmer vor dich hin siechen.", gab er nur zurück. „Du hast doch keine Ahnung davon wie es für mich war. Nicht trainieren zu können hat mich fertig gemacht, sosehr das ich es jetzt nicht mehr kann. Außerdem warst du ja nicht mal für mich da!", während ich das sagte rannen mir unzählige Tränen die Wangen runter. Meine Stimme war vom Schreien schon ganz heißer und diese dämlichen Volleyball Idioten starrten uns von der Halle aus auch noch an. Ich drehte mich auf dem Absatz um und stiefelte zu den Umkleiden. Dort angekommen sog ich mich im Flash Tempo um und ging nach Hause.

Dort angekommen legte ich mich sofort in mein Bett und starrte an die Decke. Das Gespräch mit meinem Opa wollte mir einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen. Es war das erste mal seit eineinhalb Monaten, dass ich Gefühle gezeigt hatte. Das ich nicht komplett Leer war. Irgendwie war es schön zu wissen, dass tief in mir drin doch noch so etwas wie ein Funke war.

Dieser eine Satz von mir 'Ich habe nicht aufgegeben!' irritierte mich im Nachhinein. Ich habe aufgegeben. Ich wollte nicht mehr weiter machen, das ist doch aufgeben. Wieso wollte ich meinem Opa dann so sehr beweisen das ich eben nicht aufgegeben habe? Aber was war denn jetzt die Wahrheit? Wäre ich nochmal bereit alles zu riskieren, oder eben nicht? Aber was kann ich denn machen, wenn es nicht Volleyball ist? Was kann ich überhaupt außer Volleyball?

Stöhnend drückte ich mir ein Kissen aufs Gesicht. Vielleicht half das gegen den Ansturm an Gedanken den ich seit ich Yasufumi wieder gesehen habe hatte. Doch nein, das Kissen ist wohl zu dünn dafür um meine Gedanken zu filtern. Aufgebracht werfe ich das Kissen von mir weg. Was kann ich denn jetzt noch tun? Auf Hausaufgaben habe ich nun wirklich keine Lust. Ich könnte ja ein bisschen in den Garten gehen und vielleicht ein paar Bälle schlagen um zu sehen ob es die Mühe wert wäre es nochmal mit Volleyball zu probieren.

Oder ich nehme mir mein Handy und spiele irgendwas. Oder ich setzte mich vor die Ps4 im Wohnzimmer. Ich glaube ich gehe ins Wohnzimmer, da kann ich auch Netflix schauen.

Irgendwann war ich dann wohl auf der Couch eingeschlafen. Meine Mutter weckte mich: „Mayumi es gibt Abendessen." Müde rieb ich mir die Augen. Wie spät war es denn bitte und wieso war ich so müde. Artig setzte ich mich zu meiner Mutter an den Tisch und wir aßen zusammen. Sie sagte nichts, genauso wenig wie ich. Aber sie warf mir immer wieder besorgte Blicke zu. Hatten sie und Opa etwa telefoniert? Wenn ja sprach sie es nicht an. Als ich dann mit dem Essen fertig war ging ich ohne weitere Worte in mein Zimmer um mich Bett fertig zu machen. Nach dem Zähne putzen legte ich mich hin und schlief sofort wieder ein. 

Managerin von NekomaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt