6: Nachsitzen

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Oder: Wenn Millicent viel zu oft Recht hat


„Parkinson."
Mein Nachname durchschnitt die Stille wie ein Messer, dessen Klinge selbst Vibranium mit Leichtigkeit durchschneiden könnte. Der Moment dagegen war wie Papier gewesen und- schnipp- zerstört.
Ich löste meinen Anblick von Dracos Augen, in die ich die ganze Zeit gestarrt hatte, realisierte, wie nah sich unsere Gesichter gekommen waren und sah dann in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war.
Millicent Bulstrode. Sie stand am Eingang des Gemeinschaftsraumes und blickte uns angewidert, aber auch ein wenig überrascht an.
„Bulstrode", entgegenete ich kühl und dreht mich zu ihr.

Draco ließ meine Hand los. Ich war kurz enttäuscht, aber wollte mir nichts anmerken lassen. Nicht vor ihr.
Sie ging langsam auf uns zu. „Was willst du?", fragte ich.
„Ich? Gar nichts. Aber du vielleicht. Du könntest zum Beispiel zum Nachsitzen bei Professor McGonagall wollen." Mein Gesicht entgleiste. Nein, das hatte ich gerade vollkommen vergessen! Drachenmist!

Auf Millicents Gesicht lag ein triumphierendes Lächeln. Mein Blick war ihr natürlich nicht entgangen. Ich versuchte, mich wieder zu fassen. Behalt die Kontrolle!
„Na los, geh schon. Oder kannst du dich nicht losreißen?"
Sie stand direkt vor mir und sah mir durchgehend in die Augen. Sie wirkte stark, bedrohlich, überlegen. Und dummerweise hatte sie Recht.
Ich wollte gerade losgehen, als mir meine Schreibfeder wieder einfiel. Sie lag immer noch in meinem Schlafsaal. Verfluchter Echsenschwanz!

Ich ging einen Schritt zurück und knallte dabei gegen Draco, der fast schon beschützerisch hinter mir stand. Ich hob meinen Kopf und sah ihm direkt in seine Augen. Sie waren dunkelgrau, wie bei einem starken Gewitter, aber trotzdem so schön... Konzentrier dich, geh weiter!

Also senkte ich meinen Kopf, trat einen Schritt nach rechts, dreht mich um und setzte meinen Weg fort. „Falsche Richtung."
Bleib ruhig, sie ist kein bisschen nervtötend... Geh einfach weiter.
Als ich die Tür hinter mir schloss, lehnte ich mich von innen gegen sie und atmete tief ein und aus. Dann nahm ich die Feder von meinem Nachttisch und ging mit ausdrucksloser Miene wieder in den Geeinschaftsraum.

Ich sah Draco und Millicent erstaunlich nah beieinander stehen und hielt kurz verwundert inne. Sie beugte sich vor und Dracos und ihr Gesicht waren nur noch Zentimeter weit entfernt. Ich hielt die Luft an. Das konnte doch nicht wahr sein, das-

Millicent drehte ihren Kopf und sah mir direkt in die Augen, sie grinste hämisch und flüsterte Draco etwas in sein Ohr. Er drehte sich von ihr weg und wirkte angewidert. Als er mich entdeckte, wie ich versteinert zwischen Gemeinschaftsraum und der Treppe zu den Schlafsälen stand und ihn wahrscheinlich ziemlich schockiert und traurig ansah, veränderte sich sein Blick, doch ich konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten.

Millicent kam mit einem Grinsen auf mich zu und ihr Anblick erinnerte mich an eine Hyäne, die ihr Opfer verwundet auf dem Boden liegengelassen hatte, um sich vor dem Verspeisen an dessen Qualen zu erfreuen. Als sie ganz nah an mir vorbei ging, wisperte sie: "Viel Spaß beim Zuspätkommen." Dann verschwand sie zu den Schlafsälen.

Verdammt, ich würde wirklich zu spät kommen. Warum hatte sie schon wieder Recht?
Ich setzte meinen Weg mit schnellen Schritten fort und verließ den dunklen Raum ohne noch einmal zu Draco zu blicken. Ich konnte nicht.
Ich beeilte mich und kam kurz darauf am Klassenzimmerfür Verwandlung an. Ich klopfte, öffnete die Tür und fand eine schreibende Pansy und eine Professsorin vor, die ganz offensichtlich nicht erfreut über meine Verspätung war.
Nach einer leicht bissigen Bemerkung bezüglich Unpünktlichkeit McGonagalls und einer schnellen Entschuldigung meinerseits setzte ich mich mit einer Schreibaufgabe ebenfalls an einen der Tische und fing an.

Doch konzentriert war ich nicht. Meine Gedanken hingen an den Geschehnissen von eben fest und kreisten in meinem Kopf, als würde der Hogwarts Express in einem Schienenkreis fahren und an den Halstestellen immer die gleichen Orte vorfinden:
Bin ich wirklich in meinen besten Freund verliebt? Warum hat er meine Hand genommen? Bin ich mehr als nur eine Freundin für ihn? Was wäre passiert, wenn Bulstrode nicht gekommen wäre? Und warum waren die Beiden sich dann plötzlich so nah?
Dann traf der Zug wieder am Bahnhof mit der ersten Frage ein und ließ mich nicht aussteigen, um nachzudenken, sondern fuhr ohne eine plausible Antwort weiter.

Es war zum Verzweifeln. Ich brachte nur mühsam die richtigen Buchstaben auf das vor mir liegende Pergament und musste mich zusammenreißen, nicht all meine Fragen zu notieren und kurz darauf durchzustreichen. Ich musste unbedingt die Kontrolle behalten. Das wurde mir beigebracht, seit ich klein war.
Irgendwann war Pansy fertig mit ihrer Aufgabe und überreichte Professor McGonagall das Pergament. Jede Menge mit Tinte geschriebene Buchstaben standen darauf. Ich hatte nicht ansatzweise so viel geschrieben wie sie.

Pansy durfte den Raum verlassen und sah kurz vor der Tür noch einmal zu mir herüber. Herablassend. Kalt. Und für einen kurzen Augenblick bildete ich mir ein, Besorgnis in ihren Augen gesehen zu haben, aber das konnte nicht sein.
Ich konzentrierte mich jetzt wieder so gut wie möglich auf die Bewegungen meiner linken Hand. Ich mochte meine Schrift, sie war ein wenig verschnörkelt und ich verband häufig die Buchstaben miteinander, aber man konnte meine Texte sehr gut lesen. Gerade vollführte ich einen Bogen am unteren Ende des ts und verband ihn anschließend mit dem folgenden a. Trotzdem bemühte ich mich, schnell zu schreiben. Immerhin wollte ich noch heute in meinen Schlafsaal zurückkehren dürfen.

Als ich nach gefühlten Stunden alles Notwendige geschrieben hatte, gab ich Professor McGonagall meine Arbeit und verließ endlich das Klassenzimmer. Ich durchlief die langen Korridore und kam an einer Steinwand im untersten Teil des Schlosses an. „Aschwinderin.“
Ich schritt durch eine Öffnung und betrat den Gemeinschaftsraum. Es waren nur noch ein paar Schüler hier, ich hatte wohl ziemlich lange beim Nachsitzen gebraucht. Da ich weder Draco noch Blaise entdecken konnte, ging ich direkt zu der linken Treppe, die zu den Mädchenschlafsälen führte.
Ich betrat den kleinen Gang und zählte links die Türen. Eins, zwei, drei, vier... acht. Auf dem Schild waren fünf Namen zu lesen:

Delia Aliston
Millicent Bulstrode
Hailey Kinsbrook
Pansy Parkinson
Payton Parkinson.

Das war das große Glück, das ich besaß: Ich schlief mit meiner Zwillingsschwester in einem Raum. Am Anfang hatte ich es wirklich als Glück empfunden, aber mittlerweile war es einfach eine Qual. Oft gab es Streit und wenn so etwas wie ein gegenseitiges Bedrohen mit den Zauberstäben stattgefunden hatte, würde der Abend garantiert nicht ruhig verlaufen. Und heute war das passiert.
Ich atmete einmal tief durch und öffnete die Tür.

- - -

Okay, was haltet ihr von Millicent?

Und was wird jetzt passieren?
Das Drama kann beginnen. 😈😇

Zwillingsdrama | Draco Malfoy FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt