20: Vom Entlieben und der Eifersucht

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Warum? Warum? Dieses Wort hallte in meinem Kopf wider. Immer wieder. War die Antwort wirklich so einfach? War es das Offensichtliche? Ich sträubte mich mit aller Kraft dagegen, doch trotz meiner Bemühungen sickerte sie langsam durch: Draco hatte eine Affäre mit Hailey. Oder war heimlich mit ihr zusammen.
Ich wehrte mich gegen diesen Gedanken, aber helfen tat es mir nicht, denn jedes Mal, wenn ich meine Augen schloss, tauchten Bilder vor mir auf. Bilder von diesem großartigen Freitag. Heute Morgen, wie sie nacheinander den Klassenraum betraten. Der Moment vor der Besenkammer. Und schließlich, wie er vor ihr stand, mit diesem Buch in der Hand.

Ich wälzte mich in meinem Bett hin und her, in der Hoffnung, dabei meine Gedanken loszulassen. Ohne Erfolg. Sie ließen sich einfach nicht vertreiben. Ja, ich war verletzt. Aber ich musste mir selbst auch eingestehen, dass ich eifersüchtig war, auf Hailey. Nein, auf Kinsbrook.
Ich seufzte leise, drehte mich nochmal und kam wieder zur Ausgangsfrage zurück: Warum? Warum waren wir uns gestern Abend so nah gewesen, wenn er sich doch offensichtlich für sie interessierte? Warum hat er nie etwas gesagt? Warum musste ich ausgerechnet jetzt in ihn verliebt sein? Warum?

Am nächsten Tag wachte ich mit dem Gedanken auf, dass ich mir umsonst Hoffnungen gemacht und alles falsch interpretiert hatte. Donnerstag hatte er bestimmt nicht vorgehabt, mich zu küssen. Unsere verschränkten Hände hatten wahrscheinlich auch keine romantische Bedeutung gehabt, sondern irgendeine andere. Und in dem Blick in Alte Runen hatte ich definitiv zu viel gesehen.
Ich war es satt, mir so viele Gedanken um ihn und diese Situationen zu machen, die am Ende nichts brachten, weil er sowieso nicht an mir interessiert war. Das musste ich ändern. Aber ich wusste, dass ich mich nicht auf der Stelle "entlieben" konnte. Es hatte schon lange genug gedauert, bis ich meine Gefühle verstanden hatte. Nein, stattdessen müsste ich dafür sorgen, dass Momente, über die ich zu viel nachdachte, gar nicht erst entstanden. Ich mochte den Gedanken daran, mich von ihm fern zu halten, ganz und gar nicht, doch ich sah ihn als die einzige Möglichkeit an. So sehr die Vorstellung von meinem Vorhaben schmerzte, ich musste jetzt auch an mich selbst denken. Denn wenn das so weiterging, würde ich mich durch falsche Hoffnungen verrückt machen oder daran zerbrechen.

Und ich behielt Recht in dem Punkt, dass es mir weh tat, Draco nicht zu beachten. Der Samstag war schwer für mich und verging sehr langsam. Ich vermisste es jetzt schon, mit ihm und Blaise etwas zu unternehmen. Es musste nicht etwas Besonderes sein, aber einfach Zeit mit ihnen zu verbringen, mit ihnen zu lachen, das fehlte mir schon nach zwei Tagen, die eigentlich ein schönes Wochenende hätten werden sollen. Bloß am Sonntagnachmittag, als ich im Innenhof saß und las, kam Blaise auf mich zu und setzte sich zu mir. Wir redeten ein bisschen und er fragte, ob ich Lust hätte, noch etwas mit ihm und Draco am Abend zu machen. Ich verneinte.
„Was ist los mit dir?", wollte er nach einer kurzen Pause wissen. „Was meinst du?" Ich sah ihn gespielt erwartungsvoll an.
„Du bist schon seit gestern so komisch, Payton."
„Ich weiß nicht, was du meinst", log ich.
Er seufzte. „Wenn du es dir anders überlegst, komm einfach zu uns."
Dann war er gegangen. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, nicht nur ihm gegenüber.

Am Abend überdachte ich meine Entscheidung. Ich konnte die beiden doch ab jetzt nicht völlig ignorieren! Ich tat ja so, als wäre etwas Schlimmes passiert und sie wären schuld. Das konnte ich nicht machen. Nicht, weil ich nicht damit klar kam, dass der Junge, in den ich verliebt war, eine andere hatte.
Ich müsste mich einfach normal verhalten. So, als wäre nie etwas passiert. Also so, als würde es mir nichts ausmachen. Nein, so, als wüsste ich es gar nicht erst. Aber vor allem so, als wäre er nur ein Freund für mich und nicht mehr.

Ignorier deine Gefühle einfach, sagte mir meine innere Stimme und wiederholte es ständig, damit ich es ja nicht vergaß. Bei jeder Mahlzeit in der großen Halle, bei der ich mit Draco an einem Tisch saß. In jedem Unterricht, in dem ich neben ihm saß. In jedem Unterricht, in dem ich nicht neben ihm saß. Denn ja, ich riss mich zusammen, befolgte meine neue Strategie und behandelte ihn jetzt so normal, wie es mir möglich war. Der ein oder andere Blick war natürlich trotzdem da und ohne jetzt mehr darüber nachzudenken, ein längerer Blickkontakt kam auch mal vor. Ich ermahnte mich jedoch immer wieder, das nicht als etwas Besonderes anzusehen. Man schaut sich halt mal an, wenn man nebeneinander sitzt. Völlig normal. Aber wie lange solche Blickkontakte halten, das hat doch eine Bedeu- Stopp. Hör auf, Payton.

Zwillingsdrama | Draco Malfoy FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt