21: Die Kunst der Blamage

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Schrecklich. Durchgefallen. Schrecklich.
Professor Snapes Blick, überrascht. Pansys Blick, zufrieden. Bulstrodes Blick, schadenfroh. Blaise’ Blick, ungläubig. Dracos Blick, beunruhigt.
Schrecklich. Durchgefallen. Schrecklich.
Die Worte verfolgten mich, ihre Blicke ließen sich nicht von meinem inneren Auge entfernen. Ich rannte weiter, bloß weg. Ich war einfach aus dem Raum gestürmt, weil ich es nicht ertragen konnte. Noch nie war ich durch eine Prüfung gefallen. Noch nie hatte ich eine solche Blamage erlebt.

Dabei hatte der Tag so gut begonnen. Ich war motiviert gewesen, hatte mit Draco und Blaise gefrühstückt und mich innerlich gefreut, dass alles mit meiner neuen Strategie gut ging. In den anschließenden Fächern war auch alles in Ordnung gewesen. Selbst als VgddK dann begonnen hatte, war ich noch zuversichtlich gewesen. Wieso auch nicht? Ich hatte gewusst, dass ich es schaffen würde, so gut, wie ich ungesagte Zauber bereits konnte. Zumindest hatte ich das gedacht.

Die ersten Schüler hatten es versucht, einige geschafft, andere nicht. Snape hatte sich die Leistungen notiert und trockene Kommentare abgegeben. Schließlich war Pansy nach vorne gegangen und hatte die Zauber gut gemeistert. Nach ihr war ich dran gewesen, das war schon immer so. Draco hatte mir noch bestätigend zugenickt. Auf dem Weg hatte Pansy mich rechts gestreift und ein „Viel Glück” gemurmelt, aber keineswegs freundlich geklungen. Aus der Ruhe gebracht hatte mich das aber nicht, an sowas war ich ja gewöhnt. Aber dann, dann hatte ich es irgendwie nicht hinbekommen, zu zaubern. Es war ein seltsames Gefühl gewesen, als würde mein Zauberstab mir nicht richtig gehorchen. Expelliarmus hatte ich mit Mühe noch geschafft, aber alles andere nicht. Erbärmlich.

Ich lief weiter, mir rannen einige Tränen die Wangen herunter. Mit gesenktem Blick war ich an den Schülern vorbei gegangen, bevor der Nächste aufgerufen worden war. Doch anstatt stehen zu bleiben, war ich geradewegs zur Tür und ohne jemandem Bescheid zu sagen weggerannt. Jetzt stoppte ich in einer kleinen Nische und ließ mich an der Wand heruntergleiten. Ich zog meinen Zauberstab aus der Tasche links im Umhang und betrachtete ihn, doch erkannte nichts Auffälliges. Was war nur los gewesen?

„Lumos", murmelte ich und es entstand ein Licht, dann erlosch es wieder. Okay, jetzt ohne Worte. Lumos. Lumos! Ich konzentrierte mich so gut es ging auf den Spruch. Komm schon, nur ein Licht! Da erhellte sich das Stabende erneut. Warum war es so schwer? Den Zauber konnte ich doch früher auf Anhieb! Resigniert legte ich den Stab wieder beiseite.

„Da bist du ja!"
Erschrocken sah ich auf. Draco. Sein sorgenvoller Ausdruck wich einem erleichterten, der aber wieder verschwand, als er mich genauer betrachtete. Man sah mir bestimmt an, dass ich geweint hatte. Er setzte sich neben mich und einen Moment lang schwiegen wir. Als ich merkte, dass er etwas sagen wollte, kam ich ihm zuvor: „Ich weiß nicht, was los war."
Er nickte.
„Es, es war so peinlich, Draco. Wie mich alle angestarrt haben und dass ich es nicht geschafft habe, ich-", brach es dann aus mir heraus und Tränen bildeten sich erneut in meinen Augen. „Ich hab' es einfach nicht mehr ausgehalten und dann, dann-"

Weiter kam ich nicht, denn als die erste Träne sich ihren Weg über meine Wange bahnte, drehte Draco sich zu mir und umarmte mich. Ein unglaublich schönes Gefühl breitete sich in mir aus, übertönte die negativen Emotionen und verstärkte sich noch, als ich meine Arme ebenfalls um ihn legte. Es gab mir Kraft. Seine Nähe, sie beruhigte mich. Selbst mein Herzschlag schlug wieder in einem gleichmäßigen Tempo. Okay, angesichts der Tatsache, dass Draco mich gerade umarmte, war er vielleicht leicht erhöht. Aber insgesamt, war es einfach wundervoll.

Schließlich lösten wir uns langsam voneinander. So langsam, dass sein Gesicht meinem noch sehr nah war, als ich leise ein „Danke" murmelte. Seine Mundwinkel hoben sich ein wenig. Meine Güte, sah er dabei gut aus. Und seine Augen erst, ich-
Ich zwang mich, wegzusehen und senkte verlegen meinen Kopf. Auch er räusperte sich kurz und sorgte für mehr Abstand zwischen uns. Am liebsten hätte ich ihn sofort wieder an mich gezogen, aber ich riss mich zusammen. Der Gedanke, wie schön es wäre, wenn er seinen Arm nochmal sanft um mich legen würde, blieb jedoch.

„Draco? Wo gehst du hin?”, wollte ich erstaunt wissen und blieb stehen. Links würden wir am Gemeinschaftsraum ankommen, aber er bog nach rechts ab.
„Nach draußen.”
„Warum?”
„Weil es besser ist, draußen zu üben, wenn man keine Punkte verlieren will.”
„Was? Wozu üben, Draco?”, fragte ich verwirrt.
„Willst du die Nachprüfung etwa nicht schaffen?”, antwortete er und verschwand anschließend hinter einer Ecke.
Nachprüfung? Meinte er das ernst? Snape hatte allen klargemacht, dass er so etwas nicht machen würde, da die, die durchfielen, es auch beim nächsten Versuch nicht schaffen würden und er sich einen weiteren Nachmittag mit miserablem Versagen nicht antun würde…

„Es gibt eine Nachprüfung?”, hakte ich sofort nach, als ich ihn eingeholt hatte.
„Ja.”
„Und das sagst du mir erst jetzt?” Stille, dann drehte er seinen Kopf kurz zu mir, schmunzelte ganz leicht, aber sagte nichts. „Aber wieso gibt es eine?”, löcherte ich Draco weiter und er wandte seinen Blick wieder ab. „Snape wollte doch nicht-”
„Er hat wohl seine Meinung geändert”, unterbrach er mich schulterzuckend.
„Lüg mich nicht an, Draco.”
„Das war keine Lüge, er hat ja ganz offensichtlich seine Meinung geändert. Vielleicht will er nicht, dass gerade du durchfällst, weil er weiß, dass du es eigentlich kannst”, stritt er es ab und ich glaubte, ihn murmeln zu hören: „Da wär’ er auch nicht der Einzige.”

Draußen probierte ich dann nochmals, ohne zu sprechen zu zaubern, doch es fiel mir sehr schwer und das Gefühl, mein Zauberstab würde mir nicht gehorchen, war wieder da. Auch wenn Draco versuchte, mir zu helfen, es funktionierte nicht. Und wir wussten nicht, wieso.

„Und?" meinte Blaise nach einer kurzen Stille. Wir machten gerade einen abendlichen Spaziergang, wenn man es denn so nennen konnte.
„Hm?"
„Hat es wieder geklappt?"
„Nein", seufzte ich.
„Hast du eine Ahnung, warum?", hakte er nach einer kurzen Pause nach.
„Nein, ich weiß es nicht, Blaise. Gestern hat alles noch funktioniert."

„Seit wann klappt es denn nicht mehr?"
„Auch das weiß ich nicht so genau, heute Morgen haben wir ja nicht so viel gezaubert und wenn, dann hab’ ich auch was gesagt."
„Und da war noch nichts komisch?"
„Nein, eigentlich ni-" Ich zögerte, überlegte nochmal. „Obwohl, doch, also es fiel mir um einiges schwerer als sonst, aber ich hab' mir nichts dabei gedacht."
„Und heute Nachmittag, mit Draco? War es auch-"
„So lächerlich wie bei der Prüfung?", fiel ich ihm mit einem gequälten Lächeln ins Wort. „Ja, das war es. Nur nicht ganz so peinlich, weil mich nicht so viele dabei angestarrt haben."
Blaise nickte.

„Versteh mich nicht falsch, Draco hat versucht, mir zu helfen und das hat er gut gemacht, er hat mich getröstet und das hat mir auch Kraft gegeben, aber-"
„Hey, du musst dich nicht dafür rechtfertigen", unterbrach er mich und blieb vor mir stehen.
„Ich will nur sagen, dass er das so gut es ging gemacht hat. Und ich, ich bin ihm dankbar dafür", erklärte ich und senkte meinen Blick leicht, denn ein Lächeln stahl sich langsam auf meine Lippen. Trotz den deprimierenden Versuchen hatte ich die Zeit mit Draco nämlich genossen. Und die Umarmung erst…

„Payton?", riss mich da Blaise aus meinen Gedanken.
„Hm?"
„Ach, nichts", grinste er. Ein auffordernder Blick meinerseits brachte ihn dann doch zum Sprechen: „Ich glaube dir, dass er wirklich versucht hat, dir zu helfen, aber du musst mir nicht sagen, dass du ihm dankbar bist. Sag es lieber ihm."
Ich nickte. Recht hatte er und so nahm ich es mir fest vor. „Werde ich, wenn ich ihn sehe."

„Du kannst es ja morgen nach eurem Training machen", warf Blaise ein.
„Training?"
„Ihr werdet doch bestimmt wieder üben, oder?"
„Ähm, keine Ahnung, vielleicht?", gab ich überrumpelt von mir. „Müssen wir das unbedingt am Wochenende machen?"
„Wann sonst? Snape wird die Nachprüfen garantiert schon Montag durchziehen."
Ich fluchte leise. Dann müsste ich wirklich morgen üben.

„So schlimm, mit Draco zu üben?", meinte Blaise amüsiert.
„Was? Nein!", wehrte ich sofort energisch ab.
„Dann ist ja gut", grinste er. „Und dann schaffst du das auch, klar? So sehr, wie er sich dafür ins Zeug gelegt hat."
„Hm?" Ich sah ihn verwirrt an.
„Na, er hat Snape doch zu der Nachprüfung überredet."
„Echt?", fragte ich erstaunt.
„Ja, wusstest du das nicht?"
„Nein, nein, wusste ich nicht", antwortete ich nachdenklich. Warum hatte er mich dann angelogen?

Zwillingsdrama | Draco Malfoy FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt