34: Neue Ausblicke

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Payton Parkinson
Man könnte meinen, dass das hier der kitschige Ort war, an dem sich die Hauptcharaktere eines Buches trafen, Zeit zusammen verbrachten und sich dann beim Sonnenuntergang vor malerischer Kulisse küssten.

Die Blätter der umstehenden Bäume strahlten in gelb-orangefarbenen Tönen und einzelne Sonnenstrahlen beleuchteten die Wiese, die im Sommer bestimmt saftig grün wäre. Stattdessen lagen jetzt braune Blätter und Äste auf dem Boden und führten wie ein Weg zum See, der im Sonnenlicht glitzerte.

Man hörte das Rascheln der Baumkronen im Wind und einen Vogel zwitschern. Folgte man dem Pfad, kam man hinter ein paar Bäumen zu einer Holzbank mit Blick auf das Wasser. Der Wind wehte einem sanft um die Nase und es roch herbstlich nach Moos, Holz und Orange.

Es war idyllisch, absolut idyllisch.

Allerdings war ich nicht mit irgendeinem Roman-Prinzen hier, sondern mit Maggie Edevane. Die Bank hatten sie und ihre Freundinnen hier aufgestellt und der Duft von Orangen kam von dem Tee, den sie mitgebracht hatte. Ihr Lieblingstee, wie sie mir erzählte.

Und all das machte diesen Platz irgendwie noch schöner.

„Danke, dass du mir das hier zeigst.”

„Ich finde, wir sollten es dir nicht vorenthalten. Du gehörst dazu”, lächelte Maggie und nahm einen Schluck vom Tee.

Du gehörst dazu. Ich gehörte dazu. Und es fühlte sich verdammt gut an, das zu hören.

„Vielleicht sollten wir mal wieder einen Lagerfeuerabend machen, auch mit dir”, überlegte sie. „Ich frage später mal die anderen.”

„Wenn sie nichts dagegen haben”, stimmte ich zu. „Vor allem Sam, ich will wirklich keinen Stress mit ihr.”

Ich hatte auf dem Weg hierher darüber nachgedacht, dass es mein Leben vielleicht viel einfacher machen würde, wenn ich Personen, die mit mir nicht klarkamen, schlichtweg mied. Pansy und Millicent zum Beispiel waren ja auch ausgelassen fröhlich gewesen, bis ich eben reinkam, um noch meine Jacke zu holen, die ich jetzt doch nicht dabei hatte.

„Ach, die kriegt sich schon ein”, meinte jedoch Maggie und auf ihr Gesicht schlich sich ein seltsamer Ausdruck, den ich so an ihr noch nicht gesehen hatte. „Sie muss genauso damit leben, dass sie nicht der Mittelpunkt der Welt ist, wie alle anderen.”

Nicht sicher, auf was das jetzt bezogen war und warum plötzlich so viel Bitterkeit in ihrer Stimme lag, musterte ich sie von der Seite. „Was meinst du damit?”

Unsicher drehte Maggie ihren Kopf zu mir. „Ich weiß nicht, ob ich dich in dieser Hinsicht beeinflussen sollte. Du und Sam hattet ja eh keinen guten Start.”

Betroffen sah ich kurz weg, aber schenkte ihr danach einen ermutigenden Blick. „Na, sag schon. Freundinnen reden auch über sowas.”

„Na ja, manchmal kommt es mir so vor, als würde Sam sich selbst als den Hauptcharakter inszenieren. Schon als Avery damals zu uns hinzu kam, hat sie diese Show abgezogen. Frei nach dem Motto, kenn’ ich nicht, mag ich nicht.” Sie schnaubte und sah plötzlich gar nicht mehr wie die fröhliche Maggie aus, die ich kennengelernt hatte. „Nach ein paar Wochen hat sie sich dann als seine beste Freundin dargestellt. Avery hier, Avery da. Und sie hätte ihn ja schon immer gemocht. Das ist einfach nur heuchlerisch.”

Stille herrschte, während ich diese Geschichte erst einmal verarbeitete. Dass Samantha nicht gerade freundlich gegenüber mir, der Neuen in der Gruppe, war, wusste ich längst, aber dass sie solche Sachen abzog, hätte ich nicht gedacht. „Wie hat denn Avery reagiert?”, fragte ich nach einer Weile.

Maggie lachte auf. „Der hat bei der Beste-Freunde-Nummer mitgemacht. Von heute auf Morgen war ich abgeschrieben, dabei habe ich ihn den anderen vorgestellt!”

Ich sog scharf die Luft ein. Das war echt mies. Und es passte gar nicht zu dem schüchternen Avery, als den ich ihn wahrnahm. „Das tut mir leid, Maggie”, sagte ich und legte ihr meine Hand auf den Arm.

„Ich will nicht, dass du jetzt ein schlechtes Bild von ihm bekommst”, setzte Maggie leise an. „Es ist wieder alles gut zwischen uns, auch wenn er, glaube ich, nicht weiß, wie sehr mich das damals getroffen hat. Jedenfalls erzähle ich dir das, weil-” Sie atmete tief durch und drehte ihren Kopf wieder zu mir. „Ich will einfach nicht, dass es bei dir auch so sein wird”, murmelte sie dann. „Ich will nicht, dass Sam dich auch so-”

„Hey, ich werde dich nicht hängen lassen!”, protestierte ich sofort und merkte, wie sie aufgrund der Lautstärke kurz aufschreckte. Mit möglichst sanfter Stimme und einem Lächeln erklärte ich deshalb: „Was bei denen passiert ist, war echt nicht okay, aber es wird sich nicht wiederholen. Wir sind Freundinnen, Maggie, und ich möchte nicht, dass sich das ändert.”

„Danke”, flüsterte sie und schnell schloss ich sie in eine Umarmung, als ich Tränen in ihren Augen erblickte. Das… Fühlte sich richtig an. Eine Umarmung konnte so viel bewirken.

„Danke”, sagte sie erneut, als wir uns lösten, und ihr Lächeln wirkte wieder so schön wie zuvor.

„Immer gerne, Maggie”, grinste ich und lehnte mich an die Hinterseite der Bank.

„Noch Tee?”, fragte sie dann und schenkte mir kurz darauf nach.

Ich nahm einen Schluck und legte anschließend meinen Kopf in den Nacken, wodurch ich das Blätterdach im Blick hatte. Da nahm ich eine Bewegung war und fokussierte mich auf den Ast, von dem sie gekommen war. Etwas Rotbraunes saß dort.

„Schau mal”, sagte ich zu Maggie und zeigte nach oben. „Ein Eichhörnchen.”

Auch sie drehte ihren Kopf zum Himmel.

Ich hatte seit Jahren keins mehr gesehen. Das letzte Mal waren Pansy und ich im Wald unterwegs gewesen, abseits unseres Manors. Wir hatten uns etwas in die Wolle gekriegt und irgendwann schweigend nebeneinander gesessen. Bis Pansy dieses Eichhörnchen auf einem Ast entdeckte und mich deswegen ansprach. Sie war immer diejenige gewesen, die nach einem Streit zuerst nach Kontakt suchte.

Und als wir gemeinsam da saßen und es beobachteten, rückte der belanglose Grund unseres Zankens in den Hintergrund und zuhause kamen wir an wie immer, unzertrennlich.

Wäre es jetzt auch so einfach, hätte uns das einiges erspart. Doch ich lebte im Hier und Jetzt und hatte mich mit der Situation abgefunden. Punkt.

„Da, auf dem Ast”, flüsterte ich und versuchte, Maggie ganz genau zu beschreiben, welchen der vielen Äste ich meinte. Zum Glück saß das Tier ganz ruhig, fast so, als würde es uns neugierig beobachten.

„Ach, da”, murmelte Maggie endlich. „Wir haben hier immer wieder mal ein Eichhörnchen gesehen, vielleicht kommt es gerne hier her.”

„Kein Wunder, so schön, wie es hier ist.” Noch während ich das sagte, setzte es sich in Bewegung und verschwand blitzschnell im Geäst. Während Maggie auf das Wasser vor uns starrte, genoss ich mit geschlossenen Augen das Rascheln der Blätter. Ich liebte diese Lichtung jetzt schon.

„Sorry, dass ich so über Sam und Avery hergezogen bin, Payton”, entschuldigte Maggie sich auf einmal. „Das war nicht okay, oder?”

Beunruhigt setzte ich mich wieder nach vorne, zu ihr. „Doch, Maggie, das war es”, widersprach ich dann. „Manchmal muss man solche Sachen rauslassen. Es bringt nichts, das nur mit sich selbst auszumachen. Ich muss das auch noch lernen, glaub mir.” Ich stieß sie sanft mit meinem Ellenbogen in die Seite und lächelte. „Es tut gut, seinem Ärger Luft zu machen. Erst recht, wenn er schon lange da ist. Und so wie es aussieht, musstest du das auch mal.”

„Ja, das, das mache ich nicht oft”, gab sie verlegen zu. „Ich habe danach immer ein schlechtes Gewissen.”

„Aber es war gut, darüber zu reden, oder?”

„Ja, das war es”, grinste sie. „Sam kann uns nicht auseinander bringen, wie mich und Avery damals. Jetzt bin ich mir sicher.”

Und ich war es auch. Dieses Mädchen war wundervoll und egal, was Samantha Jones machen sollte, ich würde sie nicht im Stich lassen.

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I'm alive

Zwillingsdrama | Draco Malfoy FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt