Teil 2 - Chemie

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POV Shelby

Toni sieht mich aus der zweiten Bankreihe aus an. Ich weiß nicht, ob sie traurig wirkt oder ob ich meine Gefühle gerade auf sie projiziere. Ich sitze so weit weg von ihr wie nur möglich, ganz hinten links am Fenster. Toni dreht sich wieder um und schaut auf die Tafel. Es ist schmerzhaft ihr nicht so nahe sein zu können, aber ich kann das einfach nicht. Wenn mein Vater das erfahren würde, währe es schrecklich. Er tut alles für mich jetzt, seit wir zurück von der Insel sind, ich kann ihn nicht enttäuschen.

Meine Lehrerin schreibt irgendeine chemische Reaktionsgleichung an die Tafel, als sie sich umdreht und mich aus meinen Gedanken reißt: „Shelby, kannst du die Reaktionsgleichung ausgleichen?". Ich sitze wie in Schockstarre, völlig perplex und schaue Frau Johnson leer ins Gesicht. „Shelby, hast du überhaupt zugehört?", fragt sie mich noch zusätzlich. Schnell gebe ich ihr eine Antwort, von der ich mir nicht sicher bin, ob sie richtig ist. Sie dreht sich um und schreibt weiter, was mir sagt, dass ich richtig geraten hatte.

Dann schaue ich wieder zu Toni. Sie hat sich nicht stark verändert seit der Insel. Sie sieht beinahe unverändert aus, nur etwas gesünder, kein Sonnenbrand und so. Irgendwie ist Toni noch schöner geworden, als sie eh schon war. Ich frage mich, was sie über mich denkt. Vielleicht bin ich ihr schon egal geworden, was ich aber verstehen kann, da ich sie ja seither ignoriert habe.

Der Gong ertönt, der den Unterricht beendet. Alle springen rasch auf und packen ihre Sachen zügig ein. Scheinbar sind sie alle erleichtert, dass der Chemieunterricht vorbei ist. Ich bleibe noch kurz länger sitzen als die anderen und schaue Toni an. Sie nimmt ihre Federtasche packt sie in den Rucksack, verschließt den Rucksack und wirft ihn sich über ihre Schulter.

Frau Johnson winkt mich zu ihr. Jetzt muss ich auch aufstehen. Ich nehme meine Sachen und gehe zu Frau Johnson. „Shelby, du musst besser aufpassen. Ständig bist du abgelenkt und hörst nicht zu. Ich weiß, dass dir die Schule schwer fällt seit der Sache." „Ja, ich muss mich mehr bemühen, sorry.", antworte ich ihr in der Hoffnung, dass sie mich nun in Ruhe lässt. „Da musst du dich nicht bei mir entschuldigen, hier geht es ja schließlich um dich. Versuch einfach ab und zu mal mitzuarbeiten, dann klappt das schon.", sagt Johnson neumalklug und ich nicke nur. Um nicht noch länger herumzustehen, gehe ich langsam rückwärts, verabschiede mich, drehe mich um und gehe schnell aus dem Klassenzimmer.

Der Gang ist total überfüllt und ich versuche mich bis zu meinem Spinnt durchzuquetschen. Plötzlich tritt mir jemand auf den Fuß. „Scheiße", gebe ich von mir, während ich auf meinen schmerzenden Fuß schaue. „Oh entschuldige bitte", Toni steht vor mir und sieht aus, als wäre sie genauso erschrocken wie ich, dass sie ausgerechnet mir auf den Fuß getreten ist. „Schon gut", sage ich und flüchte. Schnellen Ganges bewege ich mich auf meinen Spinnt zu. Seltsam, dass wir jetzt nach dieser langen Zeit wieder geredet haben, wenn man das schon reden nennen kann. Und dann musste es so ein flüchtiges Wort sein. Egal. Ich tue meine Bücher in meinen Spinnt und schaue mich in meinem kleinen Spiegelchen an, dass ich in meinem Spinnt zu hängen habe. Mein Make-up ist verbesserungswürdig, also schminke ich es nach. Etwas Lippenstift und den Concealer auffrischen.

„Hey, geht es dir gut?", Olivia (eine Freundin, die ich schon vor der Insel hatte und die mir treu geblieben ist) spricht mich an. Scheinbar sehe ich gestresster aus als ich gedacht hatte. „Klar, alles gut", lächle ich ihr entgegen. Eigentlich stimmt es ja auch, klar habe ich momentan ein wenig stress wegen der Schule, aber sonst ist alles in Ordnung. Mein Leben ist endlich wieder normal. „Kommst du später noch mit uns mit zum Sport?", fragt Olivia. Ich weiß nicht, ob ich das wirklich möchte. Wir gehen zwar sonst auch immer alle zusammen zum Sport, aber irgendwas stört mich an dem Gedanken mit den Anderen Sport zu machen, weil sie alle genauso religiös sind wie mein Vater. Ich bin zwar auch nicht gottlos, aber irgendwas stört mich. „Ja, ich komme mit, falls ich nachher Zeit habe. Ich muss noch was mit einem meiner Lehrer besprechen", ich kann einfach nicht nein sagen. Es wäre irgendwie seltsam das abzulehnen und vielleicht komme ich durch den Sport ja auch auf andere Gedanken.

Understood - The Wilds FanfiktionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt