Teil 16 - Probleme

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POV Toni

Irgendetwas stimmt nicht. Obwohl Shelby geschrieben hat, dass ich mir keine Sorgen machen soll, mache ich mir Sorgen. Irgendetwas ist vorgefallen und das wird mehr als eine schlechte Note oder so etwas gewesen sein. Immerhin hat Shelby sich krankgemeldet. Das ist total untypisch für sie. Das einzige Mal, von dem ich weiß, dass sie sich abgemeldet hatte, war als ihr Opa im Krankenhaus war und Shelby zu ihm musste. Die Zeit vergeht echt langsam. Der Chemieunterricht ist wie immer ziemlich langweilig und kann mich deswegen nicht von meinen Gedanken ablenken. Also nehme ich mein Handy unter den Tisch und schreibe weiter mit Shelby: „Was ist denn passiert?". Ich warte eine Minute, bis Shelby mir zurückschreibt: „Sag ich dir, wenn wir bei dir sind. Konzentrier dich lieber auf den Unterricht Toni" „Mach ich, aber schreib mir bitte, wo du bist", schreibe ich. „im Park", lese ich dann.

Nach den zwei Chemiestunden bin ich endlich befreit. Shelby hat mir nicht mehr geschrieben. Ich hoffe einfach es ist nichts allzu Schlimmes. „Kommst du jetzt einfach zu mir, oder soll ich lieber in den Park kommen", schreibe ich Shelby. „Ne ich komm einfach zu dir.", antwortet Shelby. Ich gehe recht schnell zu meinem Fahrrad, als Martha mich aufhält: „Hey Toni, Ich finde wir könnten mal wieder was zusammen machen. Shelby kann auch gerne mitkommen", Martha lächelt einfach weiter vor sich hin. „Ja mal schauen. Heute geht aber leider nicht, Ich treffe mich heute mit Shelby. Das ist wichtig", ich versuche dabei zu lächeln. Martha bemerkt es: „Stimmt was nicht?" „Nein, alles gut. Bis später", sage ich schnell und gehe an ihr vorbei zu meinem Fahrrad, mit dem ich sofort losfahre. Martha kommt wieder etwas später nach Hause, wegen ihres Tanzunterrichts.

Als ich zuhause ankomme, sehe ich Shelby schon neben der Tür stehen. Wir gehen gemeinsam in mein Zimmer. Shelby sieht nicht so gut aus. Sie sieht irgendwie verzweifelt aus. „Was ist passiert?", frage ich sie. „Jane weiß über uns Bescheid... Sie hat mich eine schlampige Lesbe genannt und als ich sie zur Rede gestellt habe, meinte sie, dass es offensichtlich sei, dass wir was miteinander hätten.", Shelby läuft eine Träne über die Wange, also setze ich mich näher an sie und nehme sie in den Arm. Sie legt ihren Kopf auf meiner Schulter ab und sagt: „Sie wird es jedem erzählen.", sofort bricht Shelby in Tränen aus und ich versuche sie fester zu halten.

Ich weiß nicht so recht, wie ich mit dieser Situation umgehen soll. Ich hatte immer gehofft, dass Shelby irgendwann von sich aus erzählt, dass sie auf Mädchen steht und offen damit umgehen kann. Das ist wohl das Ideal für jeden in solch einer Situation. Es macht mich einfach nur wütend, dass sie es jetzt nicht mehr selbst entscheiden kann. „Wenn ich Jane in die Finger kriege...", ich unterbreche den Satz, weil ich nicht weiß, was ich tun würde. Jane hat einfach nicht das Recht, andere bloßzustellen. Shelby ist schon wieder etwas ruhiger und sagt: „Toni, was soll ich jetzt machen?". Ich versuche sie weiter zu beruhigen: „Es wird schon wieder alles gut werden. Vertrau mir" „Ich will nicht, dass mein Vater es weiß. Ich hab einfach nur Angst vor seiner Reaktion", sagt Shelby verzweifelt während ich sie immer noch im Arm habe.

Ich kann mich zwar nicht wirklich in ihre Situation hineinversetzen, aber ich glaube ich verstehe ihre Angst. Trotzdem frage ich: „Was denkst du denn passiert, wenn er es erfährt?" Für einen Moment herrscht Stille, doch dann antwortet sie: „Ich weiß nicht... Er hat mir schonmal klargemacht, dass er so etwas nicht akzeptiert. Er wird sicher enttäuscht sein. Er wird mich nicht mehr als seine Tochter sehen. Ich habe Angst, heute nachhause zu kommen" Ich würde sie gerne mehr beruhigen, aber vielmehr als ihr jetzt beiseitezustehen, kann ich nicht. Ich möchte ihr wirklich helfen: „Wenn du willst, kannst du hierbleiben. Du könntest hier übernachten." „Das macht es vielleicht nur noch schlimmer... trotzdem danke", jetzt drückt sie mich etwas fester.

Eine halbe Stunde sitzen wir noch da und reden etwas weiter. Dann entscheiden wir uns, spazieren zu gehen, um nicht länger über diese Dinge nachdenken zu müssen. Die kühle Luft draußen beruhigt Shelby und mich. Es ist kaum windig, aber die leichte Brise, die trotzdem vorbeizieht, ist recht angenehm. Die Straßen sind fast leer, wie so häufig. Die meisten Menschen sind halt einfach lieber für sich. Nach einigen Minuten merke ich, wie Shelby plötzlich meine Hand hält. Ich schaue auf unsere Hände und realisiere, dass mein Gefühl recht hatte. Dann schaue ich hoch zu Shelby und sehe sie fragend an. „Bald weiß es sowieso jeder", Shelby wirkt wirklich etwas entspannter. Ich genieße einfach nur, dass sie meine Hand in der Öffentlichkeit (auch wenn hier kaum jemand ist und erstrecht niemand, den ich kenne) hält. Pure Wärme strömt durch meinen Körper. So schön ist die Berührung. Ich fühle mich einfach nur geborgen und ich hoffe Shelby fühlt dasselbe. Ich löse kurz unsere Hände voneinander, um dann meine Finger zwischen ihre Finger zu legen. Das finde ich nämlich noch schöner als das normale Händchen halten.

Nach dem Spaziergang gehen wir erst wieder zu mir nachhause, verabschieden uns und dann fährt Shelby nach Hause. Ich leihe ihr dafür mein Fahrrad, weil es sonst einfach zu weit ist, um zu Fuß zu gehen.

Understood - The Wilds FanfiktionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt