9. Kapitel ~

174 11 2
                                    

"Wo warst du?", fragte ich Louis, als dieser nach langer Zeit auch mal wieder kam.

"Hab mir was zu essen geholt, du warst am schlafen, deswegen wollte ich dich nicht wecken."

"Hättest auch was von meinen Sandwiches haben können", sagte ich und hielt die durchsichtige Tüte hoch. 

"Zu spät", meinte er und biss in seine gefüllte Teigrolle. 

Langsam wurde es später Nachmittag, wir gingen manchmal wenn uns heiß wurde ins Wasser, aber das war dann auch das Einzige. Ungefähr alle zwei Stunden musste ich mich wieder neu eincremen, weil die Sonne so stark auf meine Arme und Beine strahlte, dass es brannte. Wenn ich mal wieder auf der Seite lag und aufgrund des Wellenrauschens fast einschlief, legte ich mir als Sonnenschutz meine khakifarbene Kappe über das Gesicht, dann sah ich zwar nichts mehr, aber das nahm ich wohlwollend hin. Es musste nach dem Sonnenstand her - nicht dass ich mich sonderlich damit auskannte, aber das sah wirklich jeder - ungefähr fünf Uhr sein. Grandma hatte sich noch nicht gemeldet, okay, wie auch? Also machte ich mir keine Sorgen. 

Von der Mitte des Strandes fing auf einmal an Musik zu spielen, als ich mir das näher ansah, erkannte ich Leute, die sich in einem Halbkreis vor etwas oder jemanden gesetzt hatten, jubelten und applaudierten. Ich wurde neugierig und fragte Louis, was das war. Er erklärte mir, dass die Cafés an Stränden manchmal Amateurmusiker arrangierten, um die Stimmung etwas aufzulockern und die Leute zusammenzubringen. Was soviel hieß wie, sie wollten Geld verdienen. Er hielt wohl nicht sonderlich viel davon, aber ich beschloss einfach mal dort hinzugehen. Ein wenig soziales Interagieren hatte ja noch niemandem geschadet. 

Je näher ich kam, desto lauter und deutlicher wurde das Gitarrenspiel, ein Mann sang etwas, war das etwa hawaiianisch? Ich setzte mich zwischen die Leute in den Sand, sie beachteten mich gar nicht, weil die meisten so in die Musik vertieft waren. Manche summten mit, ein paar lagen sich in den Armen und einige wenige waren sogar in eine Art meditative Trance verfallen. Die Musik - obwohl ich kein Wort verstand - brachte mich wirklich zum entspannen und ich fing an, mir Fantasiewelten und anderes Zeugs vorzustellen. Wenn man das so hört, könnte man meinen, sie hätten hier etwas in die Luft gesprüht, von dem man high wurde. Ehrlich gesagt hätte mich das im Nachhinein nicht überrascht. Der Sänger saß dort im Schneidersitz und es schien als wäre er nur mit seiner Gitarre bekleidet, vielleicht trug er darunter aber auch einen Rock aus Palmblättern. Er hatte schwarze lange Haare, karamellfarbene Haut und asiatische Gesichtszüge. 

"Falls du wissen willst, was der da singt, ich hab auch keine Ahnung."

Ich drehte mich herum, neben mir saß plötzlich Louis, er hatte sich also doch noch umentschieden. Konnte ich verstehen, wer ließ sich schon ein Gratiskonzert entgehen und das am Strand?

"Aber ich hoffe, dass du das kennst", sagte ich beim nächsten Lied. Es war schon ein oder zwei Jahre alt, langsam und auf Englisch. Ich hatte es schon oft im Radio gehört, aber diese Coverversion und dazu der Akzent machten es noch ein bisschen intensiver. 

Wir blieben noch lange, bis die Sonne unterging und der Himmel langsam immer dunkler wurde. Ich vergaß alles, die Zeit, den Treffpunkt mit Grandma und unsere Sachen, die ungeschützt auf der Decke lagen. Louis sah auf sein und zum Glück weckte mich der helle Bildschirm und die darauf zu sehende Uhrzeit auf. 

"Wann sollten wir uns nochmal mit Grandma treffen?", fragte ich leise und mit einem Anflug von Panik. Louis zuckte mit den Schultern. Wir mussten nicht viel diskutieren und gingen sofort los, einzelne sanfte Zupfer auf Gitarrensaiten begleiteten uns, als wir unsere Sachen durchsuchten und dann alles zusammenpackten. Es war zum Glück nichts gestohlen worden, nicht mal das Surfboard. 

"Wie sollen wir die denn jetzt noch finden? Grandma und Heath könnten überall sein." Ich musste meine Stimme etwas erheben, da wir an einem vielbefahrenen Zebrastreifen standen und sich einfach keiner erbarmen wollte und einmal kurz für uns hielt. Instinktiv gingen wir erstmal zu der Stelle, wo Heath uns heute mittag herausgelassen hatte. Und Bingo! Das Auto stand noch immer oder besser gesagt schon wieder dort, jetzt mussten wir nur noch hoffen, dass jemand dort drin saß. Die Scheiben waren schwarz, was die Sache mit dem reingucken nicht gerade einfach machte. Louis klopfte an die Scheibe und nur ein paar Sekunden später ging das Licht im Vorderraum an. Dort saß ein aufgeschreckter Heath, der sein Nickerchen beendete und sich verschlafen die Augen rieb. Er drückte einen Knopf und endlich fuhr die Scheibe herunter. 

"Auch schon hier?", wollte er wissen, erwartete aber glaube ich nicht wirklich eine Antwort. 

Louis lud sein Surfboard auf die große Ladefläche und ich fragte Heath, ob er wüsste wo Grandma war. 

"Ich denke mal, dass sie wir ihr einfach hierher kommt, das hatten wir ja so ausgemacht. Glaub ich. Sorry, bin noch müde." 

Louis stieg vorne bei seinem Vater ein und ich ging auf meinen alten Platz nach hinten. Wir ließen die Türen offen, damit etwas frische Luft hereinkam und wir besser sehen konnten. Eine geschlagene Stunde später, es waren 22 Uhr, kam Grandma um eine Straßenecke spaziert und winkte, als sie uns sah.

"Habt ihr lange auf mich gewartet?" Wir verneinten höflich.

"Es war toll, wir waren noch essen und haben Billard gespielt, sie hat sich überhaupt nicht verändert." Grandma lachte und ich freute mich, dass sie Spaß hatte. 

"Also ich fahre heute nicht mehr nachhause, ich penn nämlich gleich ein. War ein anstrengender und zahlenreicher Tag", meinte Heath. Ich wusste zwar nicht, was er mit zahlenreich meinte, aber es musste wohl etwas mit seinem Termin zutun haben.

"Also, was machen wir?" Er umschlung das Lenkrad mit seinen Armen und lehnte sein Kinn darauf ab.

"Im Auto schlafen", brachte Louis ein. Ich war mir fast sicher, dass es als Scherz gemeint war, aber Heath und Grandma schienen das als gar keine schlechte Idee zu empfinden. 

"Wenn keiner was dagegen hat, ich denke mal parken ist hier umsonst." Und mit diesen Worten holte Heath ein Kissen von unter seinem Sitz hervor, legte es auf das Lenkrad und war dann praktisch schon eingeschlafen. Na das ging ja schnell. Es sah fast so aus, als würde er das öfters machen. 

Louis schüttelte den Kopf und zeigte uns ein Fach unter unseren Sitzen, wo wir noch ein paar andere Kissen finden würden. Damit wurde mein Verdacht bestätigt, dieses Auto war offenbar auf alles vorbereitet. Ich wechselte noch einen halb verwunderten und halb lächelnden Blick mit Grandma, sie zuckte aber nur die Schultern. 

"Nacht", sagte ich und alle außer Heath wiederholten es. 

Das seltsamste an der ganzen Geschichte war aber, dass wir alle schon um viertel nach zehn schliefen. Ob das etwas mit dem Surfen oder der Einschlafmusik zutun hatte, wusste ich nicht, aber es war mir auch egal. Ich legte mein Kissen an die Tür auf meiner Seite, rollte mich irgendwie zusammen und hoffte, dass die Rückenschmerzen am nächsten Tag nicht allzu schlimm sein würden. Obwohl neben uns eine Straßenlaterne leuchtete, schlief ich erstaunlich schnell ein und wachte auch in der ganzen Nacht nicht mehr auf. 

Every Summer has a Story (Louis Tomlinson)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt