You [37]

483 39 37
                                    


Es klopfte an der Tür.
Felix erwachte träge aus seinem Mittagsschlaf. Seine Augen waren noch völlig verklebt, als er mit schlürfenden Schritten dem Geräusch nachging. Er fragte sich, wer an seinem freien Tag ein unangekündigtes Anliegen hatte.
"Jeongin? Was machst du denn hier?", wollte Felix wissen und machte Platz, damit der Jüngere in sein Reich eintreten konnte. Völlig durchnässt, stand der Blauhaarige in seinem Flur, zitterte und wischte sich die Haare aus dem Gesicht. Mittlerweile war der Blonde wach.
"Ich weiß, das ist etwas plötzlich, aber kann ich die Nacht hier schlafen? Ich hatte Streit mit Chan und ich will nicht nach Hause."
Zuerst wollte Felix nachharkte, was passiert sei, aber da erinnerte er sich, dass dem Blauhaarigen bestimmt kalt war.
"Warte hier kurz. Ich hole dir schnell ein Handtuch und frische Klamotten", sagte er und flitzte in sein Schlafzimmer. Kurzzeitig wühlte er in seinem Schrank, suchte nach Oberteil und Hose, welches ihm zu groß war. Der Australier machte noch schnell einen Tee und dann nahmen sie Platz auf der Couch.
Irgendwann, nachdem sie ein Drama angefangen hatte, klingelte es an der Tür. Felix sah Jeongin an, der nur die Achseln zuckte und weiterhin wie gebannt auf den Bildschirm starrte. Vielleicht war es ja Chan, der Jeongin suchte.
Ohne jegliche Hintergedanken öffnete er die Tür. Er erstarrte augenblicklich.
"Eine falsche Bewegung, Lee Felix, und du stirbst."
Felix' Herz begann so stark zu hämmern, dass er glaubte, es würde ihm aus der Brust platzen. Ihm kam kein Laut über die Lippen, während der Mann ihn in seinem Wohnung zurückdrängte.
"Du wirst dich jetzt selbst mit diesen Kabelbindern fesseln und dann gehen wir."
Seine Stimme war monoton. Kein Funke von Hass oder Freude oder Leben kam zum Vorschein.
"Nicke, wenn du verstanden hast."
Eine Millionen Gedanken wirbelten dem Blonden durch den Kopf, Dinge, die er sagen, Abmachungen, die er anbieten könnte. Doch die Waffe an seinem Kreuz drückte alles beiseite, also nickte er. Dann kamen sie ins Wohnzimmer, wo Jeongin noch saß. Der Lauf der Waffe richtete sich auf den Blauhaarigen.
"Fe-", er stoppte und blickte angsterfüllt zu ihnen herüber.
"Sieh an, sieh an. Gleich noch ein Opfer."
Seine Stimme war ausdrucklos, ohne jedes Gefühl, beinahe gelangweilt. Und dieses Unbeteiligtsein überzeugte mehr als alles andere. Felix sah aus dem Augenwinkel, wie der braunhaarige Mann nachzudenken schien. Wieso trug er keine Verkleidung? Tötete er jetzt Jeongin? Und ihn gleich mit?
"Kleine Planänderung. Fessel deinen Freund und kleb ihm den Mund zu. Er kommt mit. Zwei, anstatt ein Opfer, ist noch viel besser."
Felix schossen kalte Eissplitter über das Rückgrat. Was passierte hier gerade?
Der Blonde fühlte wieder die Waffe in seinem Rücken und er beieilte sich, nachdem er in Jeongins Richtung geschubst wurde, ihm Kabelbinder anzulegen. Er wagte es nicht zu sprechen, aber er versuchte mit seinen Augen den Jüngeren zu beruhigen. Er glaubte nicht, dass das half. Er war ja selbst völlig schockiert. Das Klebeband war in der Küche, also sagte er das dem Mann.
"Versuch irgendeinen Schwachsinn und ich durchlöchere deinen Freund hier mit meinen Kugeln. Hol es und komm ohne Umwege zurück."
Felix war sich bewusst, dass der Mann seine Worte wahr machen würde, wenn er nicht das Tat, was er wollte, demzufolge hastete er in Richtung Küche, um das Klebeband zu finden. Als er wieder ins Wohnzimmer kam, standen beide schon im Flur. Bereit zu gehen. Wo auch immer hin. Felix wünschte sich Changbin wäre hier.
Ohne Aufforderung stieß er Felix in Jeongins Richtung, damit er das Klebeband anlegte. Danach sollte er sich selbst fesseln, was er ohne Mucks tat. Es hatte keinen Zweck sich zu wehren.
"Jetzt gehen wir nach unten. Ich voraus, ihr hinterher. Rennt einer weg, knall ich ihn ohne Umschweife ab, kapiert?"
Beide nickten.
Ihm Flur war keine Menschenseele. Nur Stille. Einerseits war das gut, niemand würde verletzt werden, andererseits schwand ihre Chance, dass jemand sie rettete.

Draußen bließ ein warmer Wind durch die Wohngegend, während sich ihre Augen langsam an die Sonne gewöhnten. Sie hielten auf einen Wagen zu. Urplötzlich  tauchten Bilder von dem Unfall vor seinem inneren Auge auf. Es waren Bilder, von denen er dachte, sie längst überwunden zu haben. Sein Herzschlag geriet außer Kontrolle. Es fehlte nicht mehr viel, und er hyperventilierte. Inzwischen war Felix ganz von Taubheit eingehüllt. Er konnte nicht in diesen Wagen steigen. Alle Geräusche waren gedämpft, und in seinem Kopf herrschte eine eigenartige, fremde Stille, durchbrochen durch das Hämmern seines eigenen Herzens. 
"Steig in den Wagen!", knurrte der Mann.
Er konnte nicht, selbst wenn er wollte. Seine Füße waren an den Boden geschweißt. Bevor jedoch einen weiteren Gedanken an die Waffe, an die ganze Situation oder das Auto verschwenden konnte, spürte er einen stechenden Schmerz an seinem Hinterkopf, sodass er ins Taumeln geriet und in den Wagen fiel. Es schmerzte höllisch.
Und Felix begann in der Dunkelheit zu brennen.

Coffee Love {ChangLix}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt