Dead [1]

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Der Tod konservierte die Menschen auf ewig.
Sie werden in irgendeinem Alter festgehalten. Sie altern nicht mehr. Sie bleiben da, wo ihr letzter Atemzug endete. Und das Einzige, was blieb, waren Erinnerungen.
Detective Seo Changbin war den Anblick des Todes mittlerweile gewöhnt und trotz dessen zuckte er jedes Mal in der Nacht aus seinem Schlaf, wenn einer seiner abgeschlossenen Fälle ihn heimsuchte. Doch dieser Tatort, zu dem er in aller herrgottes Frühe berufen wurde, war anders. Sein Kollege und bester Freund Chan stand schon mit zwei Kaffees vor dem Hochhaus, welches sie wohl in wenigen Minuten betreten würden.
"Ein guten Morgen kann ich uns wohl sparen, oder?", fragte der Größere und überreichte das Getränk. Changbin nickte nur murrend. Sein Blick schweifte zu dem Gebäude. Er konnte erahnen, was sie erwartete.
Träge bahnten sich die zwei Detectives an den Uniformierten vorbei. Innerlich wappnete sich der Schwarzhaarige auf das, was ihn gleich treffen würde. Mord.
Er hatte schon einiges gesehen. Erwügte Babys, zerstückelte Mütter, vergewaltigte Mädchen. Jedes Mal dachte er, es könne nicht schlimmer werden. Doch irgendein Merkmal oder Detail brachte das Fass stets zum Überlaufen. Er seufzte schwer, als sie vor einer Tür mit gelben Absperrband zum Stehen kamen. Das Erste, was ihm entgegen strömte, war der Gestank. Eine entsetzliche Mischung aus Parfüm und Blut. Ihm schoss augenblicklich eine Frage in den Sinn: Warum Parfüm? Changbin machte sich gedanklich einen Vermerk und betrachtete die Reaktion seines Partners. Er schien dasselbe zu denken. Nach einem Nicken beiderseits betraten sie die Wohnung. Minimalistisch, war sein erster Einfall, nachdem sie geradewegs in das winzige Wohnzimmer fielen. Die Küche war ebenfalls daran angelehnt. Es schien nicht so als würde jemand hier wohnen. Keine Habseligkeiten, die auf jemanden hindeuten wie Bilder oder Dekorationen. Unpersönlich. Oder es war wegen eines Umzuges noch nicht eingeräumt. Aufgrund dessen, dass der Eingangsbereich keine wirklichen neuen Erkenntnisse zeigte, zogen sie weiter in das Innere des Apartments. Hinter einer angelehnten Tür erstrahlte Licht. Der Geruch war hier am Dominantesten. Beschreiben konnte man es nicht. Das Blut verschwand unter dem Parfüm, aber nicht komplett. Dieses schwere und kupferartige war penetrant. Dann sahen die beiden Neuankömmlinge das Schlachtfeld. Changbin schluckte hart und versuchte sich nicht von den Eindrücken, die auf ihn niederprasselten, ertränken zu lassen.

Im Raum befanden sich schon die anderen zwei Mitglieder seines Teams.
Hyunjin blickte als Erster von dem Gemetzel auf.
"Ich bin froh, dass wir das nicht aufräumen müssen."
Das war typisch für ihn. Was er sagte, war schockierend, krass und gefühllos. Und es erfüllte Changbin mit einer Art Erleichterung. Ja, es wirkte unpassend, aber sein Verhalten war die Realität und das brauchten sie in solchen Situation, ansonsten verschlang die Dunkelheit einen. Hyunjin war eine Art Supermodel unter den Polizisten. Er war einer von jenen schönen Menschen, die einem das Gefühl vermittelten, man blicke in die Sonne, wenn man sie zu lange anstarrte. Er hatte einen Abschluss in Forensik und Kriminologie. Viele fanden ihn einschüchternd oder grausam. Aber sie konnten sich nicht gründlicher irren. Ehrlichkeit stand bei ihm an oberster Stelle und Changbin wusste, dass der Größere für jeden in seinem Team eine Kugel fangen würde. Hyunjin besaß nur ein Gesicht und das zeigte er der Welt. Seine Unkompliziertheit konnte man leicht übersehen und wenn man es nicht ertrug, dass er sich über einen lustig machte, verlor er keinen Schlaf über das Unwohlsein des anderen.
"Sei nicht immer so!"
Dieser Tadel kam von Chan. Leise, ernst und auf den Punkt gebracht. So war der Australier. Er hatte diesen finsteren Blick, der mehr als einen Verdächtigen im Verhörraum zum Schwitzen brachte. Die Ironie war, dass der Blondschopf einer der freundlichsten und nettesten Menschen war, die Changbin je kennengelernt hatte. Er besaß diese unerschütterliche Geduld für die er ihn beneidete. Er brachte Ruhe in ihre Fälle. Er würde bei der Spurensuche nie müde werden und er war sich niemals zu fein alles noch einmal durchzukämmen. Sein Blick für Kleinigkeiten hatte schon viele ihrer Fälle gelöst.
Eine neue Stimme ertönte.
"Tja, immerhin sind wir es nicht, der da liegt."
Die Worte kamen ohne Einleitung oder Entschuldigung. Sie stammten von Minho, und Minho war eben so. Er war der Verschlossenste unter ihnen. Niemand wusste, was er in seiner Freizeit machte, welches Müsli er mochte oder ob er gerne Fern sah. Aber er war brilliant. Die Polizeischule hatte er als jüngster Kadett abgeschlossen und Rekorde in jeder Disziplin errungen. Jedoch ging einem seine Art oft gegen den Strich, brachte einen zum Zähneknirschen oder machte einen wütend. Trotzdessen hielt er stets zu ihnen. Seine besten Idee hatten Changbin und er zusammen. Sie ergänzten sich perfekt, wenn es darum ging sich in Mörder hineinzuversetzen. Manchmal war er ein Buch ohne Titel hinter einer selbsterrichteten Mauer. Bisher wusste niemand, warum er so war. Doch das Team hatte sich vorgenommen dieses Eis zum Splittern zu bringen.
"Ist dir mal aufgefallen, wie still und ruhig die Toten da liegen?", fragte er Chan und starrte auf den Körper.
"Nichts Lebendiges könnte jemals diese Reglosigkeit imitieren", murmelte er.
Dann hörte er auf zu fühlen. Er kannte das, was nun kam, nur zu gut. Der erste Schock war überwunden und jetzt war es an der Zeit dieses Grauen mit klinischem Auge zu betrachten. Es war schon beinahe unnatürlich.

Coffee Love {ChangLix}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt