Baby [30]

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Felix hatte die letzten zwei Tage kaum geschlafen, was höchstwahrscheinlich an der Tatsache lag, dass er versucht hatte eine Frau zu retten, die im Sterben lag. Und dabei hatte er es nicht einmal geschafft. Jetzt litt er unter verqueren Träumen, in den Blut und Versagen, seine Familie und der Tod der Frau darin vorkamen. Zu seinem Leidwesen musste er heute mit den anderen zu einem Verhör. Die Stimmung unter ihnen war semioptimal. Keiner hatte Lust miteinander zu reden. Jeder hing seinen Gedanken nach und als sie das Präsidium betraten,  wurden sie von einem schreienden Kind begrüßt, welches in Chans Armen wild um sich schlug.
"Ihr seid bestimmt wegen der Befragung hier, oder?", kam Hyunjin auf sie zu.
Jeongin nickte.
"Was ist hier los?", wollte Jisung wissen und verschränkte die Arme vor der Brust. Felix war ebenfalls neugierig. Müsste das Kind nicht beim Jugendamt sein?
"Es gab Komplikationen mit der Übernahme des Kindes, da zur Zeit keine Familie frei ist. Changbin hat sich gestern dazu bereit erklärt, dass Baby für die Nacht zu nehmen."
"Ohje, das arme Baby. Wissen wir wie es heißt?", fragte Seungmin und starrte dem Kind mit ruhiger Faszination in das rote Gesicht.
"Ich habe es die Brut Satans getauft", ertönte Changbins murrende Stimme. Jisung und Jeongin sowie alle Anwesenden verkniffen sich ein Lachen.
Der Schwarzhaarige hielt eine große Kanne Kaffee in der Hand, die sogar noch dampfte.
"Ich habe die Nacht kein Auge zu getan."
Der Blonde blickte dem Älteren in die Augen. Sie huschten unruhig hin und her.
"Kann jemand es bitte abstellen?", meldete sich nun auch noch ein genervter Minho zu Wort, der die Ansammlung an Menschen in ihrem Büro scheinbar nicht tolerierte. Zumindest sagte das sein Gesichtsausdruck aus.
"Hallo? Ich tue hier mein bester, Mister Pessimismus, aber kleine Kinder sind nicht mein Fachgebiet", meckerte Chan, was das Kind noch weiter dazu brachte zu weinen.
Felix wandte sich an den Australier und streckte ihm seine Hände entgegen. Der Ältere verstand, worauf er hinauswollte und übertrug ihm das Baby. Binnen Sekunden herrschte Stille, während Felix den Kleinen hin- und herwiegte, als war ihm das Aufziehen von Kindern in die Wiege gelegt wurden.
"Das Kind spürt, dass du nervös bist", entgegnete er dem Australier, welcher ihn erstaunt anschaute.
Der Blonde lief ein wenig durch den Raum, wobei der Rest ihn stillschweigend beobachtete. Nachdem Felix das Kind in seine notdürftige Trage gelegt hatte, fragte Changbin, wie er das gemacht habe.
"Felix kann gut mit Kindern. Sie vergöttern ihn nahe zu", erklärte Seungmin stolz, was Felix dazu veranlasste seinen Ellbogen in die Seite des Braunhaarigen zu rammen. Changbin starrte ihn für eine Minute an, dann zwei. Er schien zu überlegen.
"Denkst du an das, was ich auch denke", fragte der Schwarzhaarige Chan, der ihm grinsend zu nickte.
Mit nichtssagenden Blicken entließen die zwei, Felix und seine Freunde zu den Verhören. Als sie wieder kamen, stand eine junge Frau in Raum und diskutierte mit Changbin.
"Ah, da seid ihr ja. Ich habe eine Frage an Felix. Chan und ich hatten eine Idee. Da ich die meiste Zeit arbeiten bin, kann ich für die nächsten zwei Tage nicht auf den Kleinen aufpassen. Würdest du mir helfen?", fing Changbin sofort an zu sprechen, was Felix vollkommen überrumpelte.
"Rein rechtlich ist es eigentlich nicht möglich, aber die nette Dame vom Jugendamt hat zugestimmt. Da du ja so gut mit Kindern umgehen kannst, wie Seungmin bestätigt hat, wärst du mir eine große Hilfe", sagte der Schwarzhaarige. Felix fehlten die Worte. War das nicht etwas plötzlich? Wo sollten sie Wohnen? Was war mit seiner Arbeit? Schließlich war morgen erst Dienstag.
Seungmin neben ihm begann zu reden. Erst nach einer Minute, merkte der Blonde, dass er mit ihm sprach.
"Du kannst dir die Woche bestimmt frei nehmen. Du hast noch so viele Urlaubstage, da wird sich bestimmt was einrichten lassen. Ich werde mal mit Wonpil-Hyung sprechen."
Der Braunhaarige griff nach seinem Telefon und verschwand kurz.
"Dir steht die Verwirrung noch ins Gesicht geschrieben. Wir werden die zwei Tage oder drei Tage bei mir wohnen. Ich hoffe, das ist okay?"
War es das? Felix war sich da nicht so sicher. Er fühlte sich gerade ein wenig verloren. Andererseits würde er dem Schwarzhaarigen schon gern helfen.
"Also gut. Ich bin dabei."
Die plötzliche Umarmung von Changbin schockierte Felix mehr, als seine eigene Entscheidung. Aber es fühlte sich richtig an. Beides sogar.
Weniger als zwanzig Minuten später verabschiedeten sie sich von seinem Freunden, wobei ihm Seungmin und Jisung augenbrauenwackelnd zu zwinkerten. Felix tat so, als hätte er es nicht gesehen.
"Ich gebe dir meine Adresse und du läufst mit der Brut dahin. In der Zwischenzeit hole ich deine Sachen von Zuhause. Und dann sehen wir weiter", erklärte ihm Changbin und griff nach den Schlüsseln für sein Auto. Insgeheim war Felix dem Schwarzhaarigen unglaublich dankbar, schließlich hatte er sich seine Angst vor den Auto fahren gemerkt.
"Hat der Kleine auch einen richtigen Namen?", fragte Felix lachend, was dem Jungen im Kinderwagen auch ein Lächeln auf die kleinen rosigen Lippen zierte.
"Oh. Ähm, ja. Er heißt Soo-ri."
Adler. Ein schöner Name für so einen niedlichen Fratz.
"Wir sehen uns dann Zuhause. Essen müsste im Kühlschrank stehen, falls du Hunger hast. Aber ich gehe nochmal einkaufen."
Der Blonde nickte und hob zum Abschied die Hand. Zuhause. Er würde jetzt zu der Wohnung des Schwarzhaarigen gehen. Irgendwie war er nervös.
Felix fragte sich, als er durch die Straßen spazierte, wie er in diese Situation geraten war. Der Tag begann nur mit einer Befragung zum Geschehen bei der Feier und nun würde er bei Changbin übernachten und dann noch mit einem Kind, dass nicht mal ihnen gehörte. Die Welt war verrückt. Er war verrückt. Zuhause. Wann hatte er die kläglich kleine Wohnung, in der er lebte Zuhause genannt? Soweit er sich erinnern konnte, noch nie. Sein Zuhause war in Australien, in dem Mehrfamilienhaus voller Wärme und Licht und Liebe. Voller Leben. Vielleicht würde er sich bei Changbin wie bei sich damals in Australien fühlen.
Zum Glück spielte das Wetter mit und sie konnten die warmen Sommertage noch nutzen. Es war schon Ende August, was bedeutete das Felix bald Geburtstag hatte. Es würde das zweite Jahr ohne seine Familie sein. Augenblicklich bildete sich ein Kloß in seinem Hals. Soo-ri starrte ihn an. Felix hatte das Gefühl, dass Kind konnte direkt in seine Seele sehen und verstehen, dass es ihm scheußlich ging. Er zwang sich zu lächeln. Vor dem Kleinen wollte er nicht traurig sein. Das kleine süße Kichern, welches aus der Mund des Kindes drang, ließ ihn ebenfalls lachen.
"Wir beide werden Changbin richtig richtig nerven, oder?"
Der Kleine zappelte zustimmend mit seinen kleinen Händen.

Coffee Love {ChangLix}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt