34 - every you every me

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Sie fing random an, meinen Rücken zu massieren und ich seufzte.
"Warum liebst du mich?", fragte ich und drehte mich zurück zu ihr.
Sie sah mich intensiv an.
"Weil du ein guter Mensch bist. Weil du Dinge mit mir anstellst, die niemand sonst macht. Weil ich dich liebe halt."
Ich wurde ein bisschen rot.
"Womit hab' ich dich verdient?"
"Du hast mich verdient."
Ich seufzte.
"Lynn, es tut mir leid, aber ich hab' den Joghurt ausgekotzt."
"Es ist okay. Du brauchst halt noch 'ne Weile."
Sie streichelte meinen Kopf.
"Du schaffst das schon wieder."
"Lieber verhungere ich, als zuzunehmen."
"Manchmal würde ich dich gerne zurück in die Psychiatrie bringen."
Ich verdrehte die Augen.
"Laber' ich echt so eine Scheiße?"
"Ja."
Ich schluckte.
"Aber es ist nicht jeden Tag so schlimm. Nur heute kann ich halt echt nichts essen."
Ich nahm mein Handy und schaute mir Thinspo an.
Lynn schlielte auf den Bildschirm und als sie sah, was ich da tat, nahm sie mir sofort mein Handy weg.
Dann deinstallierte sie Tumblr. Und Pinterest.
"Tumblr war mein Safespace."
"Ich bin jetzt dein Safespace, okay?"
Ich schmollte.
"Du kannst nicht einfach Sachen von meinem Handy löschen."
"Ich bin bereit, eine Kindersicherung einzurichten, damit du dir nicht weiter so eine Scheiße anschaust."
"Ich kann hacken, denkst du wirklich, das hält mich auf? Ich weiß immer, was ich tue."
"Wenn du dir fucking Pro-Ana Sachen anschaust, weißt du anscheinend nicht, was du tust."
"Ich bin nicht Pro-Ana."
"Wenn du bei dir selbst Pro-Ana bist, bist du Pro-Ana. So einfach ist das."
Ich verdrehte die Augen.
"Du hast keine Ahnung."
"Doch, habe ich leider."
Ich biss mir auf die Lippe, bis ich Eisen schmeckte.
"Es tut mir leid."
"Alles gut", sagte sie besorgt und strich mit ihrem Daumen über meine blutige Lippe.
"Es ist okay", sagte sie noch mal und küsste mich ganz vorsichtig, in der Absicht, mir nicht weh zu tun.
"Du hast ja Recht, aber das geht einfach nicht in meinen behinderten, beschissenen, gestörten Kopf rein."
"Es ist okay", wiederholte sie sich und umarmte mich sehr lange.
"Ich hasse nichts mehr als diese Krankheit. Außer mich selbst."
Sie seufzte.
"Ich hasse, dass ausgerechnet du diese ganzen Krankheiten hast. Du hast das nicht verdient."
Ich weinte in ihre Schulter.
"Danke."
Ich griff nach meiner Bauchtasche und baute mir einen Joint.
"Ich liebe dich", nuschelte ich mit dem Joint im Mund und zündete ihn an.
"Du kiffst zu viel."
"Hab ich ja noch nie gehört", antwortete ich sarkastisch und blies den Rauch aus.
Sie schaute mich ernst an.
"Als ob du keine Langzeitschäden davon tragen würdest."
"Ich kann mir nix mehr merken, aber immerhin krieg ich ein bisschen Hunger."
Sie zwang sich ein Lächeln auf.
"Und andere Nebenwirkungen?"
"Hatte ich davor auch schon."
"Und was?"
"Angst, Depressionen, Konzentrationsstörungen, so ein Scheiß halt."
Sie seufzte.
"Also macht es keinen Unterschied?"
"Es hilft mir gegen meine psychosomatischen Probleme."
"Und die wären?"
"Ich krieg übelste Bauchschmerzen. Von allem."
"Uff."
Sie seufzte.
"Es ist okay, solange ich kiffe, habe ich fast keine."
"Hast du jetzt Hunger?"
"Scheiße, ja. Ich glaub, ich hab' noch Chilli Cheese Nuggets. Aber kann nichts versprechen."
Ich ging mit ihr nach unten und kramte im Kühlfach herum.
So geiles Essen.
Wenn das alles nicht so viele Kalorien hätte.
"Scheiß darauf, ob das gesund ist. Versuch einfach zu essen."
Ich wollte gerade die Brennwerte durchlesen, als Lynn mir die Schachtel wegnahm und den Ofen vorheizte.
Ich seufzte.
"Sag mir wenigstens, wie viel Kohlenhydrate."
Sie schüttelte stur den Kopf.
"Du brauchst das alles zum Überleben. Da steht nicht umsonst 'Energie'."
Ich seufzte.
"Du hast ja Recht, ich sollte das nicht immer lesen."
Ich setzte mich auf den Tresen und sie hockte sich neben mich.
Dann küsste sie mich vorsichtig.
"Wie geht's deiner Lippe?"
"Alles wieder okay."
Dann küsste sie mich noch mal, aber viel stürmischer und ich zog sie auf meinen Schoß.
"Ich liebe dich", murmelte ich in den Kuss hinein.

nicotine (bittersüße vodkaküsse)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt