38 - prom queen

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N

Zitternd nahm ich den Blister in meine Hände und presste eine Alprazolam nach der anderen heraus.
Zehn Stück mit Alkohol sollten reichen.
Angewidert schluckte ich eine nach der anderen und holte meinen Notfall-Vodka aus dem Badschrank.
Dann exte ich die halbe Flasche.
Mir wurde schwindelig.
"Fuck", murmelte ich und schaute in den Spiegel.
"Alles gut?", fragte Lynn von draußen.
Sie war wohl vor die Tür gekommen.
Ich konzentrierte mich.
"Ja, klar. Ich ritze mich nicht mal, wenn du das denkst."
"Okay."
Ich sperrte wieder auf.
Dann umarmte sie mich.
Zögerlich erwidert ich.
"Ich hatte echt Angst."
"Keine Sorge, war nur ein kleiner suizidaler Anfall. Ist jetzt vorbei."
Geschockt sah sie mich an.
"Alles gut, ist jetzt vorbei", wiederholte ich.
"Ich hab' immer noch Angst."
"Ich wollte nur ehrlich sein", sagte ich leise.
"Ist auch gut, dass du die Wahrheit gesagt hast. Ich liebe dich, okay?"
Sie nahm mein Gesicht in ihre Hände und küsste mich.
Ich stand einfach nur da, ließ sie mich küssen und sagte abwesend "Ich dich auch", als wir uns voneinander gelöst hatten.
"Es ist ganz bestimmt nicht alles gut", sagte sie.
Ich nickte und lachte auf.
"Da hast du Recht."
Wenn sie wüsste.
Ein bisschen torkelnd ging ich zurück zu meinem Bett.
"Du hast getrunken", sagte sie leise.
"Hast du das nicht sowieso geschmeckt?"
"Ja, eigentlich schon."
Ich legte mich hin.
"Mir is' bissch'n schwindelig", murmelte ich.
Sie strich mir die Haare aus dem Gesicht.
"Wenn's nicht mehr klar geht, sag's es mir."
Ich zog meinen Hoodie aus und atmete tief durch.
Sie strich über mein Schlüsselbein.
"Du hast heute noch nichts gegessen."
Ich nickte.
"Aber mir ist schlecht."
"Kein Wunder, wenn du auf leeren Magen trinkst."
"Ich weiß, wie Alkohol funktioniert, du Sozialarbeiterin."
Dann wurde alles schwarz.

Ich hörte Sirenen.
Es war hell, das sah ich durch meine geschlossenen Augen.
Und geschlossen war auch die Psychiatrie, in die ich jetzt gehen musste.
Dann öffnete ich die Augen.
"Scheiße", murmelte ich.
Ich zog meine Hand von Lynn weg.
Sie hatte geweint.
Das sah man.
Also griff ich nach ihrer Hand, aber sie hatte diese schon weggezogen.
"Muss ich jetzt in die Klapse?", fragte ich den Sanitäter, der meinen Blutdruck maß.
Er schüttelte den Kopf.
"Außer, es wird als Suizidversuch gewertet."
Ich verzog das Gesicht.
"Bei meinen Armen, safe."
"Sieht aber ganz okay aus, warst du damit beim Arzt?"
"Mhm."
Natürlich nicht.
Aber was sollte ich sagen.
"Lynn?", fragte ich leise.
"Ja?"
Sie hob den Kopf.
"Was hab' ich nicht mehr mitgekriegt?"
Sie schluckte.
"Du warst vollkommen weg und hast kurz nicht mehr geatmet."
"Was hast du denn gemacht?", fragte er und nahm das Blutdruckmessgerät ab.
"Mischkonsum."
"Was für Mischkonsum?"
"Xanax und Alkohol."
"Das ist sehr gefährlich, wenn du das zusammen nimmst."
"Ich weiß", murmelte ich, "ich bin süchtig."
"Bist du in Therapie?"
"Ich bin bei drei verschiedenen Therapeuten."
Lynn schaute mich mitleidig an.
"Tue ich dir leid?", fragte ich sie.
"Du willst das nicht hören, aber ja. Du tust mir leid."
Ich seufzte und wurde herausgeschoben.
Lynn stand im Regen und schaute mir nach.
Nervös kratzte ich meine Hand auf.
"Hör damit auf."
Ich hörte nicht auf, sondern kratzte noch stärker.
"Da machen wir einen Verband drum."
"Super", murmelte ich.
Dann musste ich aufstehen und mich in das Krankenhausbett legen.
Anschließend legte ein Pfleger eine Nierenschale auf meinen Nachttisch.
"Brauchst du noch was?"
Ja. Ich brauchte ganz dringend eine Umarmung von Lynn.
Ich schüttelte den Kopf und er ging wieder raus.
Nervös kaute ich auf meiner Lippe herum.
Scheiße.
Jetzt war ich ganz alleine.
Es klopfte an der Tür.
Dann kam mein Vater herein.
Er trug einen Verband am linken Arm und sah ziemlich besorgt aus.
Ich seufzte.
"Du hast dich schon wieder geritzt?", fragte ich ihn.
Er setzte sich auf den Bettrand.
"Du machst diese Scheiße jeden Tag."
"Aber du bist erwachsen. Du solltest dein Leben im Griff haben."
"Wer sagt das?"
Ich verdrehte die Augen.
"Ich."
"Okay. Du hast versucht, dich umzubringen, oder?"
"Nein."
Haha. Nein. Gar nicht.

nicotine (bittersüße vodkaküsse)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt