44 - new flesh

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Ich legte mich zurück in Lynns Bett und holte eine gedrehte Kippe aus meiner Bauchtasche, die auf dem Boden lag.
Nervös rauchte ich.
Ich fühlte mich durch den Orgasmus eben zwar gut, aber sonst ging es mir irgendwie richtig beschissen.
Lynn war süchtig nach Heroin, ich wollte mir schon wieder wehtun und alles war scheiße.
Aber ich wollte Lynn jetzt nicht mit meinen Problemen belasten.
Sie hatte genug Eigene.
"Alles gut?", fragte sie mich.
Ich nickte abwesend und schloss die Augen.
Wie gerne würde ich meine Arme und Beine gerade komplett aufschlit-
"Alles okay?"
"Ja", fuhr ich sie an.
"Wirklich?"
"Natürlich nicht, wonach sieht's denn aus?"
Genervt seufzte ich.
"Ich liebe dich, okay?"
Sie küsste mich auf die Wange.
Ich starrte nur die Wand an.
"Ich dich auch, aber..."
"Aber?"
Sie sah mich traurig an.
"Meine Scheißkrankheit und Liebe passen so gut zusammen wie Schokokuchen und Mayo."
Ich sah ihr intensiv in die Augen.
"Heißt das, du machst Schluss?"
"Nein."
Sie atmete tief durch.
"Aber ich weiß nicht, wie lange das noch gut geht. Ich werde dir so weh tun, auch wenn ich nicht will. Ich will nicht nur nicht, ich habe Angst davor. Und trotzdem werde ich das tun, weil ich es immer tue."
Sie blickte mich an.
Ich konnte sehen, dass meine Worte sie getroffen hatten.
"Dann lass es uns noch genießen."
"Das geht aber gerade einfach nicht."
"Dann iss wenigstens was."
"Nerv mich doch nicht immer mit deinem beschissenen Essen!"
"Ohne Essen stirbst du."
"Ich weiß", murmelte ich.
Sie strich über meine Brust.
Meine Knochen standen zwar hervor, aber mein Bauch und meine Oberschenkel waren einfach viel zu fett.
"Nico. Du musst wirklich was essen."
Ich schüttelte den Kopf.
"Ich muss gar nichts. Siehst du doch."
"Ich sehe nur, dass du ganz dringend was zu Essen brauchst."
Nervös kaute ich auf meiner Lippe herum.
"Ich kann heute wirklich nichts essen. Sonst bring' ich mich noch um."
Sie schluckte.
Weil sie ganz genau wusste, dass ich das verfickt nochmal ernst meinte.
"Morgen?", fragte sie leise.
"Mal schauen", murmelte ich und zwang mir ein Lächeln auf.
Ich verschwand im Badezimmer und spritzte mir ein bisschen Wasser ins Gesicht.
Das brachte nur relativ wenig, also nahm ich eine neue Klinge und schnitt mir in meinen weniger benutzten Arm.
Aber weniger tief als bei dem, um den Lynn einen dicken Verband gewickelt hatte.
Dann schnitt ich mir eine Hälfte eines gebrochenen Herzes in die eine Hand und die andere Hälfte in die andere.
Ich beobachtete die blutenden Herzhälften.
Das fühlte ich einfach.
Es war wirklich traurig, aber ich sah selten etwas, das mich so sehr beschreibte wie diese Scheiße, die ich mir gerade angetan hatte.
Wenn mein Vater das sah, durfte ich mir wieder mal einen Vortrag über Liebe und dass es nichts brachte anhören.
Nur weil in seinem Leben keine Liebe funktionierte.
Ich drückte mir ein Taschentuch auf die Schnitte und kaute auf meiner Lippe herum.
Das Taschentuch färbte sich rot und ich baute mir nervös einen Joint.
Diesen rauchte ich alleine und zündete ihn an.
Dann öffnete ich das Fenster und blies gestresst den Rauch aus.
Ich hätte Lynn nicht so anblaffen sollen.
Aber ich war einfach zu kalt, um darauf wirklich einen Fuck zu geben.
Aber ich bereute es auch.
Sollte ich...?
Ich drehte die Klinge zwischen meinen Fingern.
Aber nein.
Sie würde das nicht wollen.
Ich war drauf und dran, den Joint auf meiner Hand auszudrücken, aber dann ließ ich es doch bleiben und schmiss ihn aus dem Fenster.
Dann ging ich zurück zu Lynn.
Die gerade dabei war, sich den nächsten Schuss zu setzen.
"Das lässt du lieber sein", sagte ich leise und wollte ihr das Besteck aus der Hand nehmen, aber sie schlug mich.
Auf meinen frisch zerritzten Arm.
Entsetzt riss ich ihr die Spritze aus der Hand.
"Bitte schlag mich nie wieder", flüsterte ich.

nicotine (bittersüße vodkaküsse)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt