8 - all around me

611 26 2
                                    

N

Sie legte ihren Kopf auf meine Schulter, als wir uns in den Bus gesetzt hatten.
Ich gab ihr einen meiner Kopfhörer und machte All Around Me von Flyleaf an.
Der Sex war unfassbar gut gewesen.
Sie war einfach heiß.
Aber ich zweifelte immer noch daran, dass sie wirklich mitkommen wollte und nicht nur nicht an meinem Tod schuld sein wollte.
Ich war schon wieder viel zu lange für meine Verhältnisse clean.
Aber wenn sie dabei war, konnte ich mich schlecht selbst verletzen.
Vielleicht war das ja auch gut.
Aber nur vielleicht.
Sie starrte mit ihren Telleraugen ins Nichts.
"Alles okay?"
Sie hob ihren Kopf.
"Ja."
Sie nahm meine Hand und begutachtete meine Tattoos.
"Warum eigentlich?"
Ich zuckte mit den Schultern.
"Langeweile. Und Druck halt."
"Was für Druck?"
"Kannst du dir das nicht denken?"
Sie schluckte und kuschelte sich ein bisschen an mich.
Ich küsste ihre Stirn.
Sie lächelte.
Alles war so perfekt.

"Nico, bleib mal da."
Ich deutete auf die Treppe.
"Geh hoch."
"Was?", fragte ich genervt meinen Vater.
Er seufzte.
"Ich will dir das echt nicht sagen, aber du musst in die Klinik."
"Wer sagt das?", fuhr ich ihn an.
"Dein Psychiater."
"Der soll sich mal verpissen."
Er schwieg.
"Und wann?", fragte ich in die Stille hinein.
"Montag."
"Das ist ÜBERMORGEN!", schrie ich.
"Ich weiß."
Er sah traurig auf den Boden.
"Ich will das auch nicht."
Ich stöhnte.
"Ernsthaft? Schon wieder? Haben die kein Leben?"
"Du kannst mir nicht erzählen, dass es dir gut geht."
"Kann dir doch egal sein", sagte ich und blinzelte die Tränen weg, die gerade hochschossen.
Dann rannte ich nach oben.
Zu Lynn.
Zu der einzigen im Umkreis von 500 Metern, die nicht wusste, dass ohne sie in Zehn Minuten wieder Mal ein Krankenwagen vor der Tür stehen würde.
"Hey", sagte ich leise.
"Was ist los?"
Ich setzte mich zu ihr.
"Hab mich mit meinem Vater gestritten. Ich hasse das. Und trotzdem passiert es jeden Tag."
Sie schluckte.
"Und deine Mutter?"
Ich ballte meine rechte Hand zu einer Faust.
"Können wir bitte über was anderes reden als meine Mutter?"
"Ich streite mich auch oft mit meiner Mutter."
"Super. Ich gar nicht. Sie gibt einfach keinen Fick mehr auf mich, weißt du? Nicht dass sie das je getan hätte. Sie ist einfach abgehauen, als ich 7 war und depressiv wurde. Ich habe einfach keine Mutter, okay?"
Sie nahm meine Hand.
"Okay."
Ich sah weg.
"Kannst du mir ein Tattoo stechen?"
Ich nickte.
"Okay."
Ich nahm mein Clipper, ein Taschentuch, ein Stück Papier, meine Nähnadel und Tattoofarbe.
"Was willst du denn?"
"Einen Smiley."
"Krieg ich hin. Mit oder ohne Kreis? Und wo?"
"Erstmal ohne. Auf meinen Mittelfinger."
"Okay."
Ich ging aus dem Zimmer.
Dann kam ich wieder.
"Wo warst du?"
"Hände waschen."
"Ach so. Tut da sehr weh?"
"Ne, nur ganz wenig."
Ich nahm ihre Hand in die eine und die Nadel in die andere.
"Bereit?"
"Yes."
Sie kniff beim ersten Stich die Augen zusammen.
Dann öffnete sie sie wieder.
"Das tut ja null weh."
"Hab ich dich gesagt."
"Lol, es blutet", sagte sie.
"Ist normal."

Ich grinste.
"Gefällt es dir?"
"Ja."
Sie küsste mich.
"Lass mal schlafen gehen."
"Geht das?"
"Ja, geht schon. Bist eh fast nüchtern."
Sie nickte und legte sich in mein Bett.
Ich gesellte mich zu ihr.
Dann schloss ich die Augen.

nicotine (bittersüße vodkaküsse)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt