41 - baby you don't know

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"Es ist okay, du kommst da noch alleine raus."
"Und was, wenn nicht?", weinte ich.
"Das wird schon."
Er nahm mich in den Arm.
Ich krallte mich in seinen Hoodie.
"Okay."
Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht.
"Wir gehen jetzt erstmal zu dir und lenken dich ab."
Ich nickte und folgte ihm mit hängendem Kopf.
Er nahm meine Hand.
"Du bist wahrscheinlich nicht mal körperlich abhängig."
Ich schluckte.
"Hoffe ich."
Ich sperrte auf und ging mit ihm nach oben.
Dort setzte ich mich auf mein Bett.
"Was hast du gestern noch gemacht?"
Ich lachte auf.
"Mit 'nem Penner Heroin genommen, im McDonald's abgehackt und auf 'ner Bank gepennt. Du?"
Er sah mich geschockt an.
"Was?", fragte er perplex.
"Hast schon richtig gehört."
"Scheiße", murmelte er, "und ich heul' rum dass ich kotze."
"Hey, kotzen ist auch scheiße. Hab auch gekotzt."
"Du darfst das nie wieder nehmen. Ich wünschte, du hättest mich nie kennengelernt."
Ich sah ihn entgeistert an.
"Das ist doch nicht deine Schuld!"
"Natürlich, ich bin ein scheiß Einfluss", sagte er und ich konnte den seelischen Schmerz in seinen Augen sehen.
Er kratzte nervös seine Hände auf.
"Hör auf damit", murmelte ich.
"Kann nicht."
Er biss sich auf die Lippe.
Ich schluckte.
"Geh' doch ins Bad, wenn es so schlimm ist."
Er starrte mich an.
"Du WILLST, dass ich mich ritze?"
"Nein! Also nein, mir wäre alles lieber als das, aber ich will auch nicht, dass du hier rumsitzt und fast stirbst vor lauter Druck."
Er lachte nervös auf.
"Gut erkannt."
Dann stand er wirklich auf und verschwand im Badezimmer.
Ich wartete angespannt vor der Tür.
"Scheiße", murmelte er von drinnen.
Ich öffnete die Tür und sah Nico auf dem Boden an der Wand lehnen.
"Komm doch nicht rein!", ging er mich an und versteckte seinen Arm.
Der ganze Boden unter ihm war voller Blut.
"Shit", murmelte nun auch ich und setzte mich zu ihm.
Er vergrub das Gesicht in seinen Händen.
"Du sollst mich nicht so sehen", murmelte er.
"Es ist okay, dass du Scheiße gebaut hast."
"Nein, ist es nicht! Es ist nicht immer alles okay, NICHTS ist okay!"
"Shhhhh", flüsterte ich.
"Beruhige dich."
"Nein!"
"Ich hol' uns was zu trinken", murmelte ich und kam mit Amaretto wieder.
Er riss mir die Flasche aus der Hand und trank sie fast ganz leer.
Dann gab er mir sie zurück.
Die letzten Schlucke trank ich und verzog das Gesicht.
"Wie kann man sowas trinken?"
"Wenn man süchtig ist", murmelte er und starrte auf seinen Arm.
"Shit", murmelte er und zog seinen Ärmel wieder zurück.
"Das muss man verarzten", sagte ich leise.
"Halt's Maul", lallte er.
Ich stand auf und holte meinen Verbandskasten aus dem Badezimmerschrank.
Dann schob ich seinen Ärmel vorsichtig nach oben und nahm seinen Arm in meine Hand.
"Halt still", murmelte ich und wickelte einen Verband um die Verletzungen.
"Du sollst mich echt nich' so sehen", wiederholte er.
"Hab' ich aber schon."
Er verzog das Gesicht.
"Ich will, dass niemand mich so sieht, aber bei dir schäme ich mich wirklich in Grund und Boden. Das fickt mich richtig. Ich fühle mich so schuldig, weil ich weiß, dass ich dir genau so wehtuhe wie mir", sagte er ganz klar.
Er lallte nicht mal wirklich.
Nur ein bisschen.
Ich umarmte ihn, so fest ich konnte.
"Es ist... alles scheiße. Ich weiß. Du weißt es auch. Jeder in diesem Haus weiß es."
Er seufzte.
"Ich brauch ein' Joint."
Ich nickte.
"Ich auch."
Er zog seinen Ärmel vorsichtig zurück und als er aufstand, musste er sich erst Mal am Fensterbrett festhalten.
Dann schleppte er sich in Richtung Tür.
Aber davor kippte er um.
Scheiße.

nicotine (bittersüße vodkaküsse)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt