35 - what you need

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Der Ofen piepte und ich holte die dampfenden Chilli Cheese Nuggets heraus.
Nico schob sich eins in den Mund.
"Fuck, find die heif", sagte er mit vollem Mund.
Ich lachte.
"Was erwartest du, die sind direkt aus dem Ofen."
Er grinste.
"Ich hab' vergessen, wie Essen funktioniert."
Ich lächelte.
"Dann bring ich es dir eben wieder bei."
Er nahm etwas Alufolie und steckte diese ein.
"Was hast du damit vor?", fragte ich.
"Wonach sieht's denn aus. Einschlafhilfe", entgegnete er.
"Übertreib mal nicht."
"Du bist ja da."
Ich seufzte.
"Okay. Auf Junkies aufpassen kann ich ja gut."
Er nahm den Teller mit den Nuggets und ging mit mir wieder nach oben, als zwei knutschende Personen reinstolperten.
Nico ließ seinen Teller auf den Boden fallen.
"Bist du bescheuert? Was ist mit John?"
"Fuck", sagte Nicos Vater leise und ließ von Nicos Mutter ab.
Diese rannte mit den Worten "Ich brauch jetzt 'ne Dröhnung" in das untere Badezimmer.
Ich fühlte mich unfassbar fehl am Platz und rannte Nico nach.
Dieser sperrte sich in seinem Bad ein und schrie.
"Fuck", sagte ich.
Dann hämmerte ich an die Tür.
"Nico?"
"Alles ist gut", sagte er verheult.
"Klingt aber nicht so."
Dann klopfte auch Nicos Vater an die Tür, der irgendwie auch hier hoch gekommen war.
"Brauchst du einen Krankenwagen?"
"NEIN", schrie Nico.
Sein Vater seufzte nur und verschwand wieder.
"Darf ich reinkommen?", fragte ich leise.
"Das willst du nicht sehen."
"Ich hab dich schon in sonst welchen Zuständen gesehen, das halte ich jetzt auch aus."
Er öffnete die Tür und sah völlig fertig aus.
Seine Arme waren blutüberströmt und seine Augen verheult.
"Ich hasse mich."
Ich umarmte ihn vorsichtig.
"Pass auf, ich saue dich nur ein."
"Alles gut, ist mir doch scheißegal."
Er setzte sich auf den Klodeckel und schob den übelsten Zusammenbruch.
Überfordert ging ich zum Medizinschrank und durchsuchte diesen nach etwas brauchbarem, bis ich tatsächlich fündig wurde.
Xanax-Tropfen.
"Mund auf",  sagte ich leise und gab ihm ausversehen 2 statt einem Tropfen.
Aber egal.
Hatte er sowieso absolut nötig.
Immer noch zitternd und weinend schaute er auf seine Arme.
"Scheiße", sagte er.
Ich setzte mich auf den Rand der Badewanne.
Er holte aus einem Schränkchen einen Verbandskasten.
Dann desinfizierte er seine Wunden.
"Ahhh, fuck", stöhnte er vor Schmerzen.
"Kacke", sagte nun auch ich.
"Ist weniger schlimm, als ich dachte", sagte er kalt und klebte sich die tieferen Wunden mit Steristrips zu.
Ich verzog das Gesicht.
"Das ist eigentlich nicht deine Aufgabe."
"Willst du, dass ich wegen so einer Scheiße in die Klapse gehe?"
"Ja."
Er sah mich entgeistert an.
"Was?"
"Wenn du wegen so was unnötigem dich komplett aufschneidest, was passiert dann, wenn was wirklich schlimmes passiert?"
"Das fandest du unnötig?!"
"Okay, unnötig nicht, aber..."
"Raus."
"Nein."
Er seufzte.
"Dann halt nicht."
Er sah mich erschöpft an.
"Kannst du mich in mein Bett tragen?"
Ich nickte und hob ihn hoch.
Er war so leicht wie ein Zehnjähriger.
Scheiße.
Behutsam legte ich ihn auf seinem Bett ab und er holte die Alufolie aus seiner Hoodietasche.
Dann krempelte er die Ärmel seines Hoodies nach unten und vergrub sein Gesicht in seinen Händen.
"Ich bin so tief gesunken", murmelte er, während ich ihm das Blech zum rauchen vorbereitete.
Seufzend nahm er mir die Folie ab und rauchte.

Als er fertig war, ließ er sich zurück in sein Bett fallen und lächelte.
"Jetzt ist es besser."
Aber zwei Minuten später murmelte er "Fuck" und erbrach sich auf den Boden neben sein Bett.
"Musst du nochmal?", fragte ich und bevor ich den Mülleimer in seine Kotzbahn schieben konnte, reiherte er nochmal alles aus.
"War wohl doch zu viel, hm?"
Ich strich ihm die Haare aus dem Gesicht.
Er nickte.
"Danke, dass du da bist."

nicotine (bittersüße vodkaküsse)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt