Vor dem großen Eingangstor des Freizeitparks kommen wir nochmal zum Stehen. Dameon steht die Freude ins Gesicht geschrieben. Da die Drehkreuze blockiert sind, klettern einige darüber hinweg und andere unten durch. Zur Zeit der Zerstörung der Uhr war der Park anscheinend noch offen, denn das massive Tor dahinter ist unverschlossen. Die Lichter sind aus und nichts bewegt sich. Aber es wäre auch ein Wunder wenn es anders wäre.
"Sehen wir mal!"
Sagt Dameon leise doch motiviert und springt leichtfüßig über den Tresen an der Infostelle. Dort holt er einen Stapel Karten zur Navigation hervor und gibt jedem eine, damit sich keiner verläuft.
"Ich war noch nie ein Fan von solchen Parks. Alles ist laut und ständig übergibt sich jemand, weil er die Achterbahnen nicht verträgt."
Beschwert sich eine Frau hinter mir, die genau wie Dameon auf eine Waffe verzichtet hat. Allerdings ist sie ziemlich fitt. Ihr Kommentar lässt mich schmunzeln.
"Ich war schon fünf Mal hier. Und wenn die Sonne wieder scheint, zelebriere ich das auf der Riesenachterbahn am südlichen Ende."
Erwidert einer der Männer neben ihr.Belustigt steckt Dameon eine Karte in seinen Gürtel. Simon verdreht lediglich die Augen und nimmt sich widerwillig auch eine.
"Wir teilen uns in Gruppen von vier Leuten auf. Fast jeder hat ein Walkie-Talkie also sollte Kommunikation kein Problem sein. Wir sind hier nicht auf verschiedene Kanäle aufgeteilt, wenn einer spricht kann also jeder zuhörern. Sollte es irgendein größeres Problem geben oder die Verbindung getrennt werden, treffen wir uns wieder am Eingang."Neben Simon und Dameon ist noch ein Mann in meiner Gruppe, mit dem ich bis jetzt keine bekanntschaft machen konnte. Er ist ziemlich groß und hat einen leichten Bartansatz. Als Alex stellt er sich vor, während wir uns in Bewegung setzen und nur die Gruppe zurück lassen, die sich freiwillig gemeldet hat um am Eingang Wache zu schieben.
"Saria, die Frau mit den neu geborenen Zwillingen, ist meine Ehefrau. Sie war im achten Monat schwanger als das Attentat stattfand und hat anderthalb Monate danach im Bunker entbunden. War ein hartes Stück Arbeit aber es gab keine Komplikationen."
"Da ist Ihnen sicher ein Stein vom Herzen gefallen. Während der Apokalypse ein Baby zur Welt zu bringen ist nun nicht gerade der Traum einer glücklichen Familie.", merke ich an und nehme eins der großen Kuscheltiere beim vorbeigehen aus dem Regal einer Bude. So etwas wollte ich immer haben aber wer gewinnt schon bei solchen Spielen. Alles Schwindler und Lügner. Es ist ein weißes Einhorn mit glitzernder Mähne. Etwas zu viel Glimmer und Glanz für meinen Geschmack. Ich verziehe das Gesicht bei genauerem hinsehen und drücke es einfach Dameon in die Hand. Er nimmt es zwar aus Reflex an sich, beäugt es dann aber genauso misstrauisch und zieht eine Augenbraue hoch. Allerdings wende ich mich bereits wieder Alex zu."Jeder frisch gebackene Vater würde für seine Familie sein Leben geben, zumindest glaube ich das. Deshalb bin ich hier. Meine Kinder sollen in der Sonne spielen können, mit der Natur aufwachsen und nicht in ständiger Angst leben müssen. Vielleicht spreche ich da nur für mich aber ich glaube nicht dass es noch andere gibt, die uns retten können. Sollten wir erfolgreich sein, sind wir sicherlich die ersten und einzigen bei der Uhr."
"Na dann können wir auch die ganzen Lorbeeren kassieren."
Erwidert Dameon und zwinkert uns zu. Ich erkenne seine Gesichtszüge gut denn obwohl unsere Lampen an unseren Gürteln befestigt und in Richtung Boden gedreht sind, hüllen sie uns Vier gerade so perfekt in sanftes Licht.
"Sie sind bereit Ihr Leben zu geben für die die Sie lieben."
Simons Kopf senkt sich und auf einmal wirkt er traurig.
"Natürlich. Mag sein dass es nicht viele gibt die meine Ansichten teilen aber für mich ist das der Job eines Vaters. Und der eines Ehemannes."
Kaum erkennbar nickt mein bester Freund, äußert sich dazu aber nicht weiter.Mit dem Einhorn unter dem Arm deutet Dameon auf das Riesenrad, welches über unsere Köpfe ragt und mit den Galaxien im Himmel zu verschmelzen scheint. Der Eingang liegt nun direkt vor uns. Ihm ist die Situation genauso unangenehm geworden wie mir und er ergreift die Initiative etwas zu ändern.
"Habt ihr Lust? Das bekomme ich ganz sicher zum laufen, ich hab hier mal Teilzeit gearbeitet. Und in den Glaskuppeln kann man auch ruhig die Stimme erheben. Das wird eine wohlige Erlösung."
Obwohl mir dabei ganz und gar nicht wohl ist, siegt meine Liebe zu Riesenrädern. Ich nicke zustimmend während Dameon bereits das Ticketfenster nach oben schiebt und die Tür daneben von innen öffnet.
"Sicher dass du nicht Teilzeit als Einbrecher gearbeitet hast? Du kannst das nämlich ziemlich gut."
"An den Buden arbeiten entweder Entertainer oder Betrüger. Ich würde mich eher zu dem ersten dazu zählen."Dameon kramt in den Schubladen bis er einen kleinen Schlüssel daraus hervor zieht. Diesen steckt er unter dem Tresen irgendwo hinein, dreht ihn aber nicht. Stattdessen drückt er mit der freien Hand ein paar Knöpfe. Die sind aber nicht erkennbar von meiner Position aus also wende ich mich lieber erwartend dem Riesenrad zu.
"Würde ich es jetzt so anschalten dann blinken alle Lichter und die Musik startet. Irgendwie konnte man das aber umgehen, vielleicht schaffe ich es diesmal."
Das letzte Wort von ihm macht mich hellhörig.
"Diesmal?"
Simon hinter mir lacht und kommt neben mich.
"Er hat es schonmal in der Nacht versucht, ist aber an den Lichtern gescheitert und wurde erwischt. Deshalb HATTE er hier mal gearbeitet."
Alex hinter mir lacht und ich kann es mir kaum verkneifen. Für diese Erklärung erntet Simon lediglich einen angepissten Blick von Dameon.Eigentlich müsste ich jetzt fragen warum Simon sowas triviales über Dameon weiß. Immerhin weiß Simon ja nicht, dass Dameon mir bereits gestanden hat dass sie sich schon länger kennen als mein bester Freund mir offenbaren will. Und obwohl das mein Gefühl von Betrug nur weiter untermauert, verbleibe ich still mit einem Lächeln auf den Lippen.
"Wo hast du eigentlich das Einhorn her?"
Fragt Simon neben mir. Bemerkt er das jetzt erst? Dameon antwortet mit einem knappen "Geklaut" und drückt es demonstrativ an sich. Das gibt er so leicht wohl nicht wieder her. Im nächsten Moment setzt sich das Riesenrad neben uns ratternd in Bewegung, bleibt aber nach zwei Gondeln wieder stehen. Licht- und Musikeinlagen setzen nicht ein, Dameon hat es geschafft. Diesmal."Ich hab's doch gesagt. Hah! Cool, oder?"
"Es wäre cooler wenn du es beim ersten Mal geschafft hättest.", murmelt Simon und öffnet die Tür der Gondel. Im vorbei gehen schnaubt Dameon lediglich und setzt sich auf die linke Sitzbank. Da ich am leichtesten bin und Alex am schwersten ist, setzen wir uns nach rechts. Simon muss es dann mit Dameon links ausgleichen."Übrigens, du musst am Schalter erstmal das Riesenrad starten und dann zur Gondel rennen und einsteigen sonst geht nichts los."
Der Ton in Dameons Stimme schreit Rache und Simon starrt ihn kurz an, bevor sein Blick sich an den Schalter heftet.
"Echt jetzt?"
Dameon nickt und es vergehen weitere stille Sekunden, bis Simon sich eingestehen muss dass das wohl kein Scherz ist. Seufzend geht er zu dem Fenster am Schalter und beugt sich über den Tresen. Mit einem Ruck setzen wir uns in Bewegung und Simon kommt schnell zurück gerannt. Dameon hält die Hand aus der Gondel und Simon greift danach, weil wir ziemlich schnell aufsteigen. Aber bevor es unmöglich wird zieht Dameon ihn mit hinein und schließt die Tür lachend. Das dadurch entstandene Schaukeln gleicht sich schnell aus.
"Okay okay, ich schätze das habe ich verdient. Aber die Geschichte wie du gefeuert wirst werde ich in fünfzig Jahren noch erzählen. Egal wie du es mir heimzahlst."
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Covered - in der Dunkelheit
Teen FictionEin paar Monate ist es nun her. Wie lange genau kann keiner sagen, weil die Sonne schon seit Jahrzehnten nicht mehr von allein scheint. Die letzte funktionierende Uhr, eine große Atomuhr, steht in einer Stadt weit weg von hier. Sie ist es, die unser...