Zuerst nehme ich um mich herum überhaupt nichts wahr. Ich weiß, dass ich seit einiger Zeit wieder mehr oder weniger bei Bewusstsein bin aber wirklich anwesend in der Realität bin ich nur physisch. In meinem Kopf kämpfen zwei Erinnerungen, welche nicht beide im selben Universum wahr sein können, um die Titel "Realität" und "Einbildung".
Einmal ist da meine beste Freundin, von einem Virus zerfressen und auch noch unter genetisch manipuliertem Obst begraben, welches dadurch bereits seit Monaten genießbar ist. Einen Schrank zerschmetterte es genau über ihr und in genau dieser Sekunde verstummten ihre Schreie.
Zum anderen aber stand sie Stunden später vor mir, sah mich an und war lebendig. Ihr Blick war leer, ihre Bewegungen lautlos, aber sie war am Leben. Hätte ich die Wahl dann ist es klar, welches Schicksal zu Sieger erkoren wird aber das ist mir nicht vergönnt und Terra auch nicht. Sie ist tot. Und sie kommt auch nicht wieder. Das ist die Wahrheit.Gleichmäßige Schritte und das Knirschen von Kieselsteinen unter Schuhen dringen langsam zu mir durch. Meine Beine bewegen sich ebenfalls, aber wohin? Ich krame etwas in meinem Gehirn nach einem Ziel aber mehr als Kopfschmerzen erreiche ich dadurch nicht. Mein Körper wird links und rechts gestützt, von wem weiß ich nicht, und mein Kopf wippt einfach kraftlos mit. So lange ich den Kopf nicht mit eigener Kraft heben kann, lasse ich auch die Augen geschlossen, um Schwindel zu vermeiden. Das fehlt mir gerade noch. Allerdings ist etwas an meinem Cover seltsam. Es ist leichter als zuvor aber so weit ich spüre vollständig.
Der Stoff schmiegt sich ausnahmslos an meinen gesamten Körper. Habe ich bei dem Sturz etwas verloren? Unmöglich, ich hatte doch nix wichtiges dabei.
Kurz verweile ich in der Monotonie meiner Bewegungen aber sobald meine Gedanken klarer werden und neue Erkenntnisse zulassen, schnellen meine Arme plötzlich nach unten und meine Hände tasten meinen Gürtel nach dem Walkie-Talkie ab. Wer auch immer mich festgehalten hat, tut es nun aufgrund der Überraschung nicht mehr und ich merke sofort, dass ich noch nicht in der Lage bin allein zu stehen. Zwei kräftige Pranken greifen von hinten nach meinen Schultern um mich aufrecht zu halten, bevor ich mit dem Boden Bekanntschaft mache. Ein panisches Keuchen entweicht meiner Stimme und ich öffne die Augen.
"Mia! Hey, ganz ruhig. Bleib ruhig."
Simon. Ich blinzle ein paar Mal nervös und sehe mich nach meinem besten Freund um. Überall sind Schatten. Silhouetten, die mit der Dunkelheit verschmelzen.Panik treibt mir eine Gänsehaut über die Arme und ich reiße mich los. Ich bin doch in der Fabrik zusammengebrochen, das hier muss ein Albtraum oder ein schlechter Scherz sein! Erst als ein dicker Baumstamm gegen meinen Rücken schlägt und mir somit den Weg versperrt, bekommt mich die Person, welche mich vorhin gehalten hat, wieder zu greifen und zieht mich von der rauen Rinde weg, bevor mein Cover aufreißt.
"Verdammt, Mia!"
Simon's Stimme ist gedämpft und er presst die Wort förmlich durch die Zähne hindurch.
"Wir sind im Wald, jetzt reiß dich zusammen!", knurrt er. Der Griff um meine Schultern wird fester.
"Ich erkläre es dir jetzt nochmal,"
meldet sich eine Männerstimme hinter mir deutlich genervt. Das ist wohl der Typ, der mich festhält.
"Was auch immer du in dem Bad getrieben hast, als wir dich gefunden haben, warst du bewusstlos mit einer kleinen Platzwunde am Hinterkopf."
Macht Sinn, ja. Die Heizung war schon ziemlich alt und rostig. Den Teil der Geschichte lässt meine eingeschränkte Konzentration noch zu.
"Da wir nicht warten konnten, haben wir dich mitgenommen. Wir haben dich zwar direkt wach bekommen aber immer wieder bist du abgedriftet. Schon zum zweiten Mal erkläre ich dir den Scheiß hier und das ist jetzt auch das letzte Mal."
"Nur bist du letztes Mal nicht so panisch geworden. Stimmt etwas nicht mit dem Cover?"
Flüstert Simon und sein Kopf hebt und senkt sich, so weit ich erkennen kann, ein bisschen, als würde er meinen Körper genau unter die Lupe nehmen. Ich traue es mir noch nicht zu den Kopf zu schütteln. Die vier anderen setzen sich bereits wieder in Bewegung und auch der Mann hinter mir drückt mich nun langsam vorwärts. Erneut erkundet meine Hand den Gürtel um meiner Hüfte, erneut erfolglos.
"Wo ist das Walkie-Talkie?"
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Covered - in der Dunkelheit
Teen FictionEin paar Monate ist es nun her. Wie lange genau kann keiner sagen, weil die Sonne schon seit Jahrzehnten nicht mehr von allein scheint. Die letzte funktionierende Uhr, eine große Atomuhr, steht in einer Stadt weit weg von hier. Sie ist es, die unser...