Mareile

19. Die Heerlager

Manon führt mich und Dorian auf den Trainingsplatz. Es war eine willkommene Ablenkung von der Tatsache, dass sowohl ich als auch der Prinz zu Gejagten geworden waren.
,,Wie funktioniert das? Kannst du dir einfach meine Macht aneignen?", fragte ich Dorian interessiert. Er verneinte mit einem leisen Lächeln.
,,Meine Magie nennt sich rohe Magie. Sie basiert auf den Elementen und kann sich anpassen, jede Form annehmen. Eis scheint ihr zu gefallen.", meinte er mit einem Augenzwinkern.
,,Und Licht kennt sie noch nicht?", fragte ich verblüfft. Manon grinste leicht.
,,Es sieht so aus, als säßen die Erwartungen in Euch hoch, Hoheit.", meinte sie diabolisch.
,,Du erwartest, dass ich scheitere?" Dorian hob eine Augenbraue, aber die Hexe lachte nur.
,,Ich habe dich Gestalt wandeln sehen. Du wirst Wochen brauchen, um das Licht brechen zu können."
Ich ging zu Manon und streckte die Hand aus.
,,Ich wette, er schafft es erst innerhalb von 2 Monaten."
Dorian legte den Kopf schief und runzelte die Stirn.
,,Euer Vertrauen in mich ehrt meine Wenigkeit."
Manons Mundwinkel zuckten verdächtig. Sie legte ihre Hand in meine ausgestreckte und sagte:
,,Er braucht mindestens 4 Monate."
,,Was bekomme ich, wenn ich gewinne?", fragte ich sie grinsend. Kurz schien sie zu überlegen.
,,Einen Ausritt auf Abraxos." Dorian riss seine Augen auf und sah sie ungläubig an.
,,Wer ist Abraxos?", fragte ich misstrauisch. Der Hexe würde ich zu trauen, mir eine ähnliche Kreatur wie Bryaxis zur Verfügung zu stellen.
,,Ein Wyvern. Ähnlich wie ein Drache, lederne Haut, große Flügel. Abraxos ist mein Wyvern."
Sie sah mich ernst an, ihre Hand noch immer in meiner. Ihr Blick war klar und fest, ein Versprechen glänzte in ihm. Sie würde mich umbringen, sollte ich Abraxos verletzten. Aber sie vertraute mir. Ich nickte knapp, schlug ein.
,,Ich werde dich nach Elaith mitnehmen." Das war mein Versprechen an sie.
Elaith war mein Zuhause, meine Zuflucht. Ein Ort, der unentdeckt war, fern ab von jeglicher Zivilisation. Ich hatte es in meiner Zeit amFrühlingshof gefunden, einer Zeit, in der ich unsichtbar war. Es hatte Tage gegeben, an denen ich weglaufen wollte. Weit weg, Prythian hinter mir lassen. Und dann hatte ich Elaith gefunden. Ich hatte keine Ahnung gehabt, wo ich war, als ich auf die Hügel stieg, die unberührten Weiten sah, das Meer ruhig und still im Hintergrund. Meine Tränen hatten sich mit der salzigen Luft gemischt, mein Schluchzen mit dem Schrei der Möwen. Es war eine versteckte Bucht, bedeckt von unzähligen weißen Blüten. Weicher Sand unter meinen Füßen, Wind in meinem Gesicht. Luft, die nicht nach Rosen roch. Es war mein Zuhause geworden.
Vielleicht war es jetzt an der Zeit, es zu teilen.
Manon nickte, sie fragte nicht, was Elaith war.
Sie drückte meine Hand und die Wette war besiegelt.
,,Fangen wir gleich an?", fragte Dorian mit einem leichten Grinsen. Ich öffnete meinen Mund, um ihm zu antworten, aber bevor ich etwas sagen konnte, hörte ich Schritte. Cassian kam auf uns zu, sein Gesicht noch immer ein wenig blass.
,,Wir fliegen zu den illyriansichen Heerlagern. Ihr kommt mit, Amren, Yrene und Fenrys bleiben mit Feyre hier." Er war in diesem Moment kein Freund, er war ein General. Seine Worte knapp und scharf, seine Befehle eindeutig. Manon verengte ihre Augen. Ihre Verärgerung war förmlich greifbar, aber Dorian legte eine Hand auf ihren Rücken und strich einmal sanft darüber. Mit einem Fauchen schüttelte sie ihn ab, blieb aber ruhig.
,,Teilen wir den Wind?", fragte ich und Cassian nickte.
,,Wir treffen uns in 5 Minuten alle auf dem Trainingsplatz, also wartet einfach hier. Ich sammle die anderen ein."
Wenig später stießen Rhysand, Mor und Aelins samt ihrer Begleiter zu uns. Cassian und Azriel teilten schnell und routiniert alle auf jemanden auf, der den Wind teilen konnte. Ich hielt mich an Azriels Arm fest, weil ich nicht wusste, wo die Illyrianischen Heerlager waren. Sein Blick war ernst, hoch konzentriert. Einen Augenblick später umfasste er Manons und Dorians Arm und brachte uns in die Illyrianischen  Heerlager.

Kälte schlug mir unbarmherzig in mein Gesicht, Schnee und Eis bedeckten innerhalb von Sekunden meine Wimpern. Die Bergspitzen neben uns waren unkenntlich gemacht, alle verborgen durch die weiße Pracht. Kriegsschreie ertönten von einem Platz in der Nähe, Illyrianer kämpften mit nichts als einem Schwert und einer Hose in den eisigen Höhen.
,,Dürfen sie nichts anziehen?", fragte Hasar mit klappernden Zähnen und Mor schüttelte grimmig den Kopf.
,,Sie machen das selbe bei den Frauen. Entweder sie kämpfen wie die Männer vollkommen Oberkörperfrei, oder sie bleiben in der Waschküche."
Ich schluckte hart, als ich die Frauen durch die Fenster der spärlichen Hütten sah. Sie sahen verhärmt aus, gebrochen.
Ein gut aussehender Mann kam schnellen Schrittes auf uns zu. Auch er trug nichts weiter als eine Hose, sein Oberkörper war bereits voller Schneeflocken. Dennoch blieb er ein paar Meter vor uns stehen, verschränkte die Arme und musterte uns.
,,Lord Devlon, der Heerführer.", flüsterte Azriel mir zu.
Rhysand trat vor und breitete seine Flügel aus. Keine Verschleierung lag mehr über ihm, seine gesamte Aura als High Lord breitete sich über dem Trainingsplatz aus. Der Mann neigte den Kopf steif, wohl das einzige Zeichen der Anerkennung, die Rhysand bekommen würde.
,,Was wollt ihr hier?", fragte er dunkel und ich trat einen Schritt näher an Azriel heran, als ich sah, dass die Krieger aufhörten zu trainieren und lüsterne zu uns herüber sahen.
,,Wir haben Fragen.", sagte der High Lord kalt, aber Devlon hob bloß eine Braue.
,,Stellt mir die Fragen."
Ich zog leise Luft ein, als Devlon seinem High Lord diesen Befehl gab, aber Rhysand lächelte nur süffisant.
,,Dann erzählt mir alles, was Ihr über Bryaxis wisst."
Devlon erbleichte, gab sich aber nicht die Blöße, zusammenzuzucken. Er sah zu Cassian und was auch immer er in seinen Augen las reichte ihm als Bestätigung.
,,Folgt mir.", presste er durch zusammen gebissene Zähne hervor und führte und grob durch die Reihen der schaulustigen Illyrianer bis zu einem großen Zelt.