Die Stadt war überwältigend.
Ich hielt den Atem an, als wir durch die Tore traten. Die bunten Häuser reihten sich dicht an dicht und sprühten vor Lebensfreude. Lachende Menschen liefen durch die Straßen, aßen Fisch und füllten sie mit purem Glück.
Es war unglaublich.
Ein Seitenblick zu Tamlin zeigte mir, das auch ihn die Geborgenheit dieser Stadt traf. Ob er überlegte, wie der Frühlingshof wohl aussehe, wäre Tarquin dessen High Lord? Der Geruch von geräuchertem Fisch drang in meine Nase und ich zog genussvoll Luft ein.
Ich hatte lange keinen Fisch mehr gegessen...
Ich berührte Tam am Arm und er folgte meinem Blick zu der verfüherisch duftenden Fischbude.
,,Wirklich? Wir kommen in Adriata an und das erste, das du im Sinn hast, ist Essen?", fragte Tamlin mit einem leichten Lächeln. Anscheinend tat ihm die Abwesenheut von seinem toten Hof gut, um seine Lebensgeister wieder zu erwecken.
,,Wieso auch nicht? Der Fisch hier soll fantastisch sein!", schwärmte ich ihm vor und blinzelte ihn an.
Zuerst dachte ich, er würde ablehnen und sagen, wir müssten uns auf die wichtigen Aufgaben konzentrieren, aber anscheinend konnte auch er dem Geruch nicht widerstehen, denn kurze Zeit später standen wir an der Bude. Tamlin holte ein paar Geldstücke aus irgendeiner verborgenen Schicht der Welt und bezahlte. Gierig stürzte ich mich auf mein Stück, was mir ein echtes Lachen von ihm einbrachte, wenn auch nur ein leises.
,,Ich möchte mir noch die Stadt anschauen, bevor wir in den Palast gehen.", informierte ich Tamlin mit vollem Mund und stellte ihm die indirekte Frage, ob er mich begleiten wollte.
Er zögerte kurz, winkte dann aber ab und sagte:
,,Ich sehe mir schon einmal unsere Unterkunft an."
Also zuckte ich bloß mit meinen Schultern und verschwand im Gedränge von Adriata.Die Sonne schien auf das glitzernde Meer und ich besah mir das Schauspiel der Wellen, die ihren unermüdlichen Weg gingen, nur um immer wieder am Strand zu zerschellen. Es war ein trauriges Schicksal, und doch schien das Meer immer eine Ruhe auszustrahlen, die gekonnt darüber hinwegtäuschte.
Ich fragte mich, was ich morgen sagen sollte, wenn ich im Fokus aller High Lords stand. Tamlin war hier zwar ein wenig aufgetaut, aber ich wusste nicht, ob er mich beschützen würde, sollte es darauf ankommen. Ich hatte hier noch niemanden gesehen, den ich kannte, aber wahrscheinlich auch nur, weil ich mich in Vierteln aufhielt, die der Adel des Sommerhofes für unziemlich hielt.
Aber hier waren die Menschen aufgeschlossen und freundlich, nicht so steif und auf Förmlichkeiten bedacht wie die höheren Fae.
Ich schnaubte.
Was ich wohl war?
Als ich von meiner Welt hier hinengestolpert war, hatten meine Ohren sich verformt, meine Gestalt war geschrumpft und meine Macht abgeschwächt worden. Ich wusste nicht, ob ich sie überhaupt noch besaß. Nachdem ich in Prythian gelandet war, hatte ich sie zurückgedrängt, hatte sie versteckt und nie wieder hervorgeholt. Aber anscheinend musste ich es morgen tun.
Was würde passieren, sollte ich den High Lords keinen Beweis meiner Kraft geben können?
Ich wusste, dass ich Azriel finden musste, um zu erfahren, was die anderen über mich dachten. Und wenn ich es ihm zu erst erzählte, kam er sich vielleicht nicht ganz so verraten vor. Also nahm ich meinen Fisch (Mittlerweile den dritten) und lief zu Tarquins Palast.Durch meine Zeit als Dienerin hatte ich gelernt, mich unauffällig im Hintergrund zu halten und niemandem aufzufallen. Diese Fähigkeit kam mir nun zu gute, als ich durch die Flure schlich. Ich hatte keine Ahnung, wo Tamlin sich aufhielt, aber ich hoffte, in der Küche ein paar Informationen zu sammeln.
Ich drückte mich in die Schatten an den Wänden und dankte der Quelle für meine schwarzen Haare. Durch eine glückliche Fügung des Schicksals hatte ich sogar eine schwarze, unauffällige Tunika mit dunklen Hosen an, die mich in den Fluren des Schlosses beinahe unsichtbar machte.
Dies war eine Facette meiner Macht, die ich mir immer wieder zu nutze gemacht hatte und von der auch Az wusste: Der Manipulation des Lichtes.
Senkte ich die Lichtkegel ein wenig, erzeugte ich den Schatten an einer anderen Stelle, ließ ich das Licht flimmern, konnte ich mich unauffälliger bewegen, da meine Konturen verschwammen und ich so schwerer zu erkennen war.
Dienstboten kamen um die Ecke, aber ich hielt meinen Atem an und schlich an der Wand entlang. Die redeten von ihrem Schichtwechsel. Ich hörte etwas genauer hin und filtert die wichtigsten Informationen heraus: Vier Wachen pro Schicht, Wechsel alle halbe Stunde. Positioniert vor jedem Tor der Stadt und des Palastes.
Lang suchen musste ich die Küche nicht, da dies der Ort des geschäftigen Treiben war, der Ort des Lärms. Und der Ort der Gerüchte.
In dem großen Raum, in dem es nach fantastisch duftenden Soßen und Bratem roch.
Niemand achtete auf das schlanke Mädchen mit den schwarzen Haaren, das sich leise eine Schürze nahm und hinter einen Topf stellte. Unauffällig lauschte ich den Gesprächen der Köche und schnappte interessante Informationen auf.
,,Ich habe den High Lord des Frühlingshofes heute in seinen Gemächern gehört. Es schien, als schrie er", sagte eine dicke Frau zu ihrer Gehilfin.
,,Der High Lord des Frühlingshofes? Tamlin? War das nicht der, der die High Lady gefangen hatte?"
,,Also wenn du das nicht weißt, dann kann dir niemand helfen", schnaube die dickliche verächtlich.
,,Seinentwegen konnte Hybern nach Prythian!"
Die Gehilfin sah beschämt in ihren Topf und rührte sehr aufmerksam darin. Ich stimmte der Dicken insgeheim zu, ich meine, war sie denn vom Krieg so unberührt gewesen, dass sie nichts mitbekommen hat?
Wie konnte das denn sein?
Aber ich brauchte sie als Informationsquelle, da sie so naiv aussah, dass sie mir bestimmt alles bereitwillig erzählen konnte.
Also flüsterte ich ihr zu:
,,Ich wusste auch nicht, dass der High Lord des Frühlingshofes sie hatte. Ich dachte immer, der Herbsthof hatte sie entführt."
Sie sah unter ihren dichten Wimpern dankbar zu mir hoch.
,,Wie heißt du?", fragte sie.
,,Es tut mir leid, wenn du mir deinen Namen schon einmal gesagt hast, aber ich bin erst seit einer Woche hier..."
,,Wirklich? Oh, das tut mir leid... Als ich hier angefangen habe, hat man mir immer die schwerste Arbeit gegeben.", sagte ich und um ging durch einen Themenwechsel geschickt dei Frage nach meinem Namen.
,,Nein, ganz so schlimm ist es nicht. Ich musste nur die Zimmer der High Lords vorbreiten."
Fast hätte ich triumphierend gegrinst.
Bingo.
Und zwar gleich beim ersten Versuch.
,,Die High Lords...", seufzte ich verzückt.
,,Ich habe gehört, dass man nicht sagen kann, ob Tamlin oder Rhysand der Bestaussehenste von ihnen ist..", sagte ich verschwörerisch und entlockte ihr ein Lachen.
,,Wirklich? Ich habe noch nicht viele High Lords getroffen", gestand sie.
Kurz war ich versucht, meine Augen zu verdrehen, aber ich brauchte dieses Mädchen.
Sie war vielleicht nicht die beste Informationsquelle, aber nun musste sie ausreichen.
,,Ich würde beide zu gern einmal sehen...", seufzte ich verträumt und hoffte, dass mein Wimpernaufschlag nicht zu übertrieben war.
,,Ich glaube, Tamlin ist in den Gemächern im dritten Stockwerk untergebracht, das Zimmer auf der rechten Seite.", sagte sie leise und lächelte mich an.
,,Vielleicht siehst du ihn ja zufällig dort hinauskommen..."
,,Ja, der Zufall ist so eine komische Sache, nicht wahr?", fragte ich lachend.
,, Ich habe heute die Betten im Smaragdabteil schwarz bezogen. Ich denke, es soll eine Art Homage an den Hof der Nacht sein. Und für einen Vergleich braucht man bekanntermaßen zwei Gesichter", sagte sie mit roten Wangen.
,,Ich sage dir dann morgen, wer der Hübschere ist", flüsterte ich ihr zu und übergab ihr meinen Kochlöffel.
Sie lächelte mich zum Abschied an und ich zog mich vorsichtig aus der Küche zurück. Jetzt musste ich nur noch das Smaragdabteil finden.

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Mareile
FanfictionHallo! Wenn ihr Das Reich der sieben Höfe auch so sehr mögt wie ich, dann seid ihr hier richtig. Ich werde ein Crossover zwischen Dem Reich der sieben Höfen und Throne of Glass schreiben. Lest meinen Fan Fiction, hasst sie, liebt sie, verliert euch...