Ich öffnete meine Augen, als ich aus dem Raum zwischen den Welten trat und lächelte.
Es war nicht wie am Frühlingshof, keine kalte, undurchdringliche Mauer aus Trauer und Leere schlug mir entgegen. Stattdessen herrschte am Hof der Nacht das Leben. Lachen, Musik und Kultur schlugen mir entgegen, als ich auf den Straßen der Stadt landete. Da ich nicht gewusst hatte, wo genau ich das Gefolge von Aelin hatte hinbringen sollen, erschien mir das Stadtzentrum als eine gute Möglichkeit.
Meine Begleiter waren zusammen gerückt und sahen sich mit wachsamen Augen um. Die schwarzhaarige Schönheit hatte ihre Hand verdächtig nah am Schwertknauf, während der blonde Mann mit der Narbe im Gesicht sich in einen Wolf verwandelt hatte.
Ein kleiner Junge sah ihn und machte große Augen, als Fenrys seine Zähne fletschte. Trotzdem trat er näher, vorsichtig und behutsam. ,,Mama, siehst du das?", flüsterte er einer hochgewachsenen Frau neben sich zu, die besorgt vor ihn trat. Ich spannte mich an, bereit, einzugreifen, sollte die Situation brenzlig werden, aber der Wolf entspannte sich. Sein Nackenfell senkte sich, er ließ sich auf den Boden fallen und legte den Kopf schief. Lächelnd trat der Junge näher und strich sanft über das Gesicht des weißen Wolfes. Er stockte nicht, als er zu der Stelle an seinem Gesicht kam, das ohne Fell war, sondern zog seinen Ärmel hoch. Eine dicke Narbe zog sich über seinen Unterarm, wulstig und schwer. Ich schluckte, als ich sie sah. Fenrys verwandelte sich zurück und trat dem Jungen als die Schönheit entgegen, die er noch immer war.
,,Woher hast du die Narbe?", fragte er ihn ernst.
Schüchtern wollte der Junge seinen Arm wieder bedecken, aber Lysandra hielt ihn sanft davon ab. ,,Es ist in Ordnung, Kleiner. Er ist manchmal nur ein bisschen ungeübt im Umgang mit Kindern." Sie warf ihm einen bösen Blick zu und Fenrys verdrehte die Augen, hielt sich aber schuldbewusst zurück. Aedion trat neben Lysandra und betrachtete die Narbe. Er runzelte seine Stirn, sagte aber nichts.
Die Mutter des Jungen schritt schnell zu ihm und zog seinen Ärmel wieder hinab, als sie seine vor Scham roten Wangen sah.
,,Ihr habt kein Recht, ihn so zu bedrängen!", fuhr sie Lysandra an und ergriff sanft die Hand des Jungen. Als sie ihn fortnahm, warf der Kleine einen letzten Blick auf Fenrys, der sich leicht vor ihm verbeugte.
Dann wand er sich an mich.
,,Woher hat der Junge diese Narbe?"
Ich schwieg.
Dunkle Schwingen landeten hinter mir und ich spürte, wie sich machtvolle Flügel hinter mir ausbreiteten. Meine Begleiter fuhren zurück, Aedion stellte sich schützend vor Lysandra.
Azriel zog bloß eine Augenbraue nach oben.
,,Er hat die Narbe aus dem Krieg." Seine Stimme war leise und bedrohlich, eine Warnung. Sollte es jemand wagen, einem der Bewohner Velaris etwas anzutun, würde der Wahrsager höchstpersönlich sie spalten.
Azriel wand sich zu mir.
,,Wir treffen uns im Haus der Winde. Bring sie dorthin." Ich nickte knapp, streckte meine Hände aus und fasste nach den Fremden. Azriel schwang sich in die Luft und flog ohne einen Blick zurück zum Haus der Winde. Die unwillkürlich beeindruckten Augen von Fenrys sah er nicht mehr. Er spürte nicht, wie der weiße Wolf ihm hinterher sah.Ich brachte uns in einen großen Saal.
Meine Schritte hallen unnatürlich laut auf den marmornen Fließen wider, die einzigen Geräusche, wie ich merkte. Meine Begleiter waren stehen geblieben und betrachteten die Pracht des Hauses, suchten nach Ausgängen und Gefahrenquellen.
Ich drehte mich zu ihnen um und bedeutete ihnen, weiterzulaufen. Fenrys folgte meiner Aufforderung als erster, Aedion und Lysandra schlossen sich ihm an. Ich führte sie zum High Lord des Hofes der Nacht, in einen gemütlichen, etwas kleineren Raum. Aelin saß bereits neben Rowan auf einem Sofa, die Beine ausgestreckt.
,,Ich gebe zu, es ist nett hier. Nicht Terrasen, aber immerhin... Eindruck schindend.", sagte sie mit einem Lächeln zu Rhysand. Die Königin erblickte uns und stand schwungvoll auf. Rhysand öffnete seinen Mund und schien etwas begrüßendes sagen zu wollen, aber die Aelin beachtete ihn nicht und schnitt ihm das Wort ab. ,,Kommt herein!" Sie neigte leicht den Kopf vor mir und klopfte zwei Mal in die Hand, woraufhin Nuala und Cerridwen nach einem fragenden Blick zu Rhysand, der mit vollkommen überfordertem Blick nickte, 4 Stühle in den Raum bringen ließen. Der High Lord selbst lehnte an der Wand und sah hilfesuchend zu Feyre. Ich stellte mich in eine Ecke des Raumes und beugte das Licht. Nicht viel, nur soweit, dass es anderen unangenehm war, in meine Richtung zu sehen. Niemand nahm auch nur Notiz von mir. Bloß Azriels dunkle Augen blickten aus den Schatten zu mir. Ich nickte ihm einmal zu und wob das Licht enger um mich.
Dann beobachtete ich.
Aelin hatte die Kontrolle hier fast gänzlich übernommen, sich wie selbstverständlich das größte Sofa genommen und den High Lord stehen lassen. Alle waren hier versammelt.
Lorcan lehnte neben der Hexe und dem König an der Wand, Yrene und Hasar saßen nebeneinander auf den Stühlen in der Mitte. Meine Begleiter gesellten sich zu ihnen und Aelin ließ sich wieder auf das Sofa fallen.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes war der gesamte innere Kreis des Hofes der Nacht versammelt. Azriel und Cassian waren bis an die Zähne bewaffnet, Mor wie üblich in rot neben Amren, die die Neuankömmlinge bisher schweigend musterte.
Aelin streckte sich einmal. Ihre Augen waren wachsam, glitten wie die einer Katze durch den Raum, fokussiert und konzentriert. Sie lächelte Rhysand provokant zu und hob eine Augenbraue. Rowan neigte sich zu ihr und flüsterte etwas in ihr Ohr, woraufhin sie ihn nur ungläubig ansah.
,,Ich bin eine Königin, er ist ein High Lord." Rhysand blinzelte ungläubig.
,,Also meint Ihr, weil Ihr eine Königin seid, seid Ihr in meinem eigenen Reich höher als ich gestellt?"
Selbstzufrieden nickte Aelin.
Vorsichtig mischte Dorian sich ein, der bisher neben Manon auf einem der hinteren Stühle gesessen hat.
,,Ihr dürft sie nicht missverstehen. Aelin ist nicht gerade ein umgänglicher Mensch", die Königin schnaubte, ,,aber sie meint es nicht so. Immerhin hat sie sich für uns in einen Sarg sperren lassen."
Ich hielt meinen Atem an, als ich den schneidenden Blick der Königin sah. Aber es war Lysandra, die knurrte.
,,Wag es nicht, noch einmal so etwas auch nur zu erwähnen."
Dorians Augen blitzen kalt, aber er neigte bloß den Kopf, als er die rasende Wut in den Augen der Gestaltwandlerin sah.
,,Also, Aelin denkt, sie sei stärker als Rhysand?", fragte Mor dazwischen, ehe die Situation eskalieren konnte.
,,Wenn ja, dann bin ich auf ihrer Seite.", meinte Feyre grinsend. ,,Niemand besiegt die illyrianischen Babys, nicht wahr?"
Cassian sah sie halb ungläubig, halb lachend an.
,,Das werden wir noch sehen...", meinte er und verschränkte seine Arme, spielte mit seinen Muskeln.
Rowan verdrehte die Augen und tat es ihm gleich, woraufhin Mor den Kopf schief legte.
,,Mh... Was meinst du, High Lady? In etwa gleich groß, oder?"
Feyre nickte, betrachtete Aelins Seelengefährten mit gespielt ernstem Blick.
,,Bevor ihr euch hier alle duelliert, habe ich eine sehr wichtige Frage an Euch." Rowan lehnte sich wachsam nach vorn und nickte.
,,Fragt was Ihr möchtet."
,,Habt Ihr Flügel, Mylord?"
Mor brach in schallendes Gelächter aus.

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Mareile
FanfictionHallo! Wenn ihr Das Reich der sieben Höfe auch so sehr mögt wie ich, dann seid ihr hier richtig. Ich werde ein Crossover zwischen Dem Reich der sieben Höfen und Throne of Glass schreiben. Lest meinen Fan Fiction, hasst sie, liebt sie, verliert euch...