Letzten Sommer:
Nika Ramirez stand mit einem Tablett bewaffnet vor der Kantine, dem Schlachtfeld aller Schulen. Hier konnte man sehen, wer wo und mit wem saß und auch wenn es beinahe banal klang, so zeigte sich, wer beliebt war.
Das Einzige, was Nika allerdings wollte, war einfach nur ihren Kartoffelbrei essen, der nicht wie an ihrer letzten Schule aus Ersatzmitteln bestand. Sie ging durch die Reihen auf der Suche nach einem freien Platz und schnappte dabei die einzelnen Gesprächsfetzen auf.
„Und Simon meinte dann so: ‚Ich bin..."
„Die Party letzten Freitag? Das war der Hammer..."
„Du scheiß Psycho!" Nika blieb stehen. Eine Reihe weiter erblickte sie ein Mädchen, das gebückt an einem Tisch saß und sich die langen hellen Haare vors Gesicht fallen ließ. Um sie herum stand eine Gruppe Schüler.
Nika sah schon an der Haltung, an der Art wie sie sprachen und wie sie die Blicke aller anderen auf sich zogen, wer sie sein mussten. Die beliebteste Clique der Hemingway-High. Und wie es jede beliebte Clique tat, spaltete sie die Schülerschaft in zwei Hälften. Die eine Hälfte, die unbedingt von ihnen bemerkt werden wollte, es aber nicht wurde und die andere Hälfte, die ihnen nie in die Quere kommen wollte, es aber unbewusst immer wieder tat. Ob es nun an dem schlechten Style, dem falschen Aussehen oder der stillen Persönlichkeit lag.
Und das Mädchen gehörte ganz sicher zu der zweiten Hälfte. Als eine Schülerin mit hellorangem Haar wie aus einer Loreal Werbung und ein Junge mit – offensichtlich - mehr Muskeln als Gehirn sich zu ihr herunterbeugten, schnappte Nika die Worte auf, die sie zu ihr sagten.
„Du wirst nie irgendwo dazugehören." „Du wirst nie Freunde haben."
Nika erkannte die beiden aus ihren heutigen Kursen. Courtney Hill und James Green, wenn sie sich recht erinnerte. Und auch Zac erkannte sie wieder, der alles filmte, während das Mädchen die Augen schloss, als würde sie sich fortwünschen. Oder als unterdrückte sie Tränen.
Olivia, ein Mädchen mit dunkler Haut und krausem Haar, war die Einzige, die sich bei dem Spektakel etwas unwohl zu fühlen schien, aber sie blieb still, lächelte und griff nicht ein. Ebenso wie der Hüne mit blondem Haar, das ihm bis in die Stirn fiel. Er wirkte eher gelangweilt als interessiert.
Nika ging entschlossen auf die kleine Gruppe zu, bis sie genau vor ihnen stand. Doch sie sah nur das Mädchen am Tisch an.
„Darf ich mich hier sezten?", fragte Nika und das Mädchen blickte auf. In ihren Augen glitzerten Tränen. Sie blickte sich um, als erwartete sie, dass Nika jemand anderen gemeint hatte, dann nickte sie. Nika setzte sich.
Die kleine Gruppe, die um sie herumstand und für einen Moment sprachlos gewesen war, fing nun an zu lachen. Aber Nika reagierte nicht. Sie duckte sich nicht weg, aber sie sagte ihnen auch nicht die Meinung ins Gesicht. Sie sah sie nicht einmal an.
Sie saß nur da, aß ihren Kartoffelbrei und sah zu dem Mädchen ihr gegenüber.
„Wie heißt du?", fragte sie.
„Madison", sagte das Mädchen.
„Psycho Maddie", warf Courtney ein. Aber Nika reagierte nicht.
„Ich bin Nika", sagte sie.
„Du kommst aus LA, oder?", fragte Madison. Ihr Blick huschte immer wieder zwischen Nika und den anderen hin und her.
„Ja.", Nika nickte, „Ich lebe mit meinem Bruder und meinem Vater auf einer kleinen Farm direkt neben der Stadt."
„Und wo ist deine Mutter, Schlampe?", fragte der große Junge mit blondem Haar – Liam, wie Nika nun wieder einfiel. Er grinste, anscheinend fand er nun wieder Interesse an dieser Unterhaltung. „Ist sie weggelaufen, weil sie dich nicht mehr ertragen konnte?"
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All girls, except one, grow up
Mystery / Thriller[Wattys Gewinner 2021] Tayo Ousman bekommt die Chance seines Lebens! Ein Stipendium an der Privatschule Hemingway-High soll sein Sprungbrett aus L.A.s toten Winkel sein. Doch was erstmals wie eine glückliche Gelegenheit wirkt, entpuppt sich schnel...