Ich warte auf dich

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Letzten Sommer:

Sie brauchten eineinhalb Stunden bis zum Strand, im Radio lief ein fröhlicher Popsong und als sie an der Küste entlangfuhren und immer wieder Ferienhäuser auftauchten, zeigte Kai auf die kleinen Bauten und behauptete, eines Tages würde er ein solches besitzen. Um dort mit Nika zu leben.

Den gesamten Vor- und Nachmittag taten sie genau das, was Nika sich so sehr gewünscht hatte. Für diese paar Stunden lebten sie in einer anderen Welt, in einem anderen Leben. Sie schlenderten an der Küste entlang und besuchten sogar kurz Malibu-Luca, der in einer Wohnung mit Meerblick wohnte und sie mit einem breiten Lächeln begrüßte.

Am Ende des Tages saßen sie im warmen Sand und blickten das Meer hinunter. Der Strand war noch reichlich besucht, aber in diesem Augenblick fühlte es sich an, als wären sie alleine auf der Welt.

Die Sonne küsste das Meer und Nika lächelte. Das hier, genau das hier wollte sie haben. Nicht nur für diese kleinen gestohlenen Augenblicke, für immer.

Und wieder musste sie an Kais ständigen Witzeleien über ihre Zukunft denken. Dass er in Malibu leben wollte, mit dem Strand vor der Tür und Nika an seiner Seite. Und wieder geisterte diese eine Frage in ihrem Kopf herum, weckte die Zweifel und fraß sich in ihre Gedanken.

Was war diese Zukunftsversion für ihn, was war sie für ihn? Nur eine kleine Ablenkung, alles ein kleiner Spaß unter Freunden?

„Irgendwann", sagte Kai, als hätte er ihre Gedanken gelesen, „können wir diesen Anblick jeden Tag genießen."

Nika nickte, sie konnte kaum sprechen mit dem Kloß im Hals. Die Dreadlocks fielen ihm ins Gesicht und warfen dunkle Schatten auf seine gebräunte Haut.

„Irgendwann ist irgendwann zu spät.", wisperte Nika und blickte wieder auf das Meer hinaus, doch Kai hörte es trotzdem.

„Was meinst du?", fragte er und legte seine Stirn in Falten.

„Wir sprechen immer darüber, wir machen Witze darüber, aber ich frage mich", sie zögerte, doch dann sagte sie, „ob wir das wirklich irgendwann machen."

„Natürlich. Irgendwann."

„Und wann ist dieses irgendwann, Kai?"

„Wenn du bereit bist.", sagte er. Als läge es für ihn auf der Hand und als Nika verwirrt die Stirn runzelte, grinste er nur und fügte hinzu:

„Sieh mich an, Nika. Ich bin 20 Jahre alt und arbeite immer noch als unterbezahlter Barkeeper in einer Absteige. Ich hasse den toten Winkel und auch wenn ich nicht so schlau bin wie du oder Tayo, habe ich einen mittelmäßigen Abschluss in der Tasche und könnte auch in einer anderen Stadt, in einem anderen Job arbeiten. Ich könnte raus aus dem toten Winkel, aber ich warte. Auf dich. Damit wir all das zusammen tun können." Kai lächelte, „Ich bin nicht reich und habe kaum Freunde, aber ich habe dich und das reicht mir. Selbst wenn du mich vielleicht nie auf die gleiche Weise sehen wirst wie ich dich, steht mein Angebot jetzt und für immer. Ich werde so lange warten bis du den Schulabschluss hast, den du verdienst, bis du bereit bist den toten Winkel zurückzulassen. Irgendwann."

Nika schluckte, Kai sagte es mit einer solchen Sicherheit, als hätte er schon oft darüber nachgedacht. Vielleicht genauso oft, wie sie selber darüber nachgedacht hatte.

Selbst wenn du mich nie auf die gleiche Weise sehen wirst wie ich dich', hatte er gesagt, doch in diesem Augenblick traf sich ihr Blick und sie sah ihn genauso an wie er sie. Mit einem neuen Traum im Herzen. Ein Traum, der nicht bloß eine Lüge, ein Hirngespinst eines naiven Mädchens war, sondern die Wahrheit.

All girls, except one, grow upWo Geschichten leben. Entdecke jetzt