Mein Leben mag mich nicht

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Winter:

In meinem Kopf hämmerte es. Zu viele Gedanken stritten sich um die Vorherrschaft. Die alte Farm, Miguel, der Kuss -der Kuss!-, und das anschließende Gespräch in der Bar über Liam. Nachdem wir die alte Farm hinter uns gelassen hatten, waren wir in die Stadt gefahren. Madison hatte mir einen Hamburger ausgegeben und wir hatten schweigend zugesehen, wie die Touristen durch die Straßen unserer Stadt gingen und auf prächtige, glanzvolle Dinge zeigten, ohne die schmutzigen Ecken von L.A. zu sehen. Als meine Schicht im Puzzles anfing, war sie einfach mitgekommen. Und erst dort, zwischen den Schnapsflaschen und dieser allgegenwärtigen Verzweiflung hatte sie mir erzählt, warum Nika Liam hatte helfen wollen.

Als ich also nach dem Abend in der Bar nach Hause kam, setzte ich mich an den Schreibtisch und obwohl die Uhr schon zwei schlug, ordnete ich die Stifte und strich das Papier glatt. Dann schrieb ich jeden einzelnen Gedanken im Bezug auf Nika und die Morde auf. Um endlich Ordnung zu schaffen. Auch Liams Zusammenhang zu Nika schrieb ich auf. Wie er sie kennengelernt hatte, wie Nika ihm helfen wollte, wie er sie jeden Tag nach Hause gefahren hatte. Als Madison das erzählt hatte, lag in ihren Augen Bedauern und ich wusste, dass sie ihn ebenfalls gemocht hatte. Bevor es schließlich zu einem unschönem Ende gekommen war, über das ich kaum wagte nachzudenken.

Erst dann, als es bereits vier Uhr am Morgen war, konnte ich ruhigen Gewissens zu Bett gehen. Und während ich an die Decke starrte und das Scharren von einem Stuhl aus der Küche durch die dünnen Wände drang, dachte ich nicht an Nikas Selbstmord, an Liams Probleme oder an Olivias leeren Augen. Ich dachte an den Kuss mit Madison und schlief friedlich ein.

Nur um drei Stunden später vom Klingeln meines Handys wach zu werden. Fluchend tastete ich nach dem Übeltäter und wollte den Anrufer, der es wagte mich um meinen heiligen Schlaf zu bringen, schon wegdrücken, als ich Miss Taylors Namen auf dem Display erkannte.

„Hier Ta..."

„Ich weiß, dass du es bist, Tayo, schließlich habe ich dich doch angerufen!" Nach nur drei Stunden Schlaf wirkte ihre Stimme wie ein Presslufthammer.

„Ich freue mich auch Sie zu hören, Miss Taylor."

„Wage es bloß nicht zu scherzen, Ousman, unsere Lage ist ernst. Schalte den Fernseher an."

„Warum ...?", fragte ich, doch sie ließ keine Wiederworte zu und so schleppte ich mich aus dem Bett und ging ins Wohnzimmer. Doch als ich endlich die Fernbedienung gefunden und den Fernseher angemacht hatte, war jeder Gedanke an Schlaf vergessen. Mein Herz setzte für einen Schlag aus.

„Heilige Scheiße."

„Du sagst es."

Eine im Hosenanzug gekleidete Nachrichtensprecherin stand vor der Hemingway-High und berichtete:

„An dieser Schule in einem Vorort von Los Angeles ereignete sich am gestrigen Morgen der Mord an der 17-jährigen Schülerin Olivia Carter. Der zweite Mord in einem Monat wohlgemerkt, man spricht bereits von dem Hemingway-Killer."

Der Hemingway-Killer... was für ein alberner Name! Und doch sah ich die tausend sensationssüchtigen Amerikaner schon vor ihren Fernsehern hocken und darauf warten, dass der Hemingway-Killer das nächste Mal zuschlug.

„Du weißt, was das bedeutet?", fragte Miss Taylor und ich nickte nur – bis mir einfiel, dass sie mich ja gar nicht sehen konnte.

„Schlechte Publicity.", antwortete ich.

„Verdammt schlechte Publicity.", beschwerte sich Miss Taylor und sofort erinnerte ich mich an unser erstes Gespräch in dem Beratungszimmer, von einem der Hauptinvestoren zur Verfügung gestellt.

All girls, except one, grow upWo Geschichten leben. Entdecke jetzt