Wie alles in Flammen aufging

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Winter:

Nur noch 20 Stunden und 12 Minuten.

Mein erster Impuls war es gewesen ihr hinterherzuspringe. Sie irgendwie mit meinem Körper vor dem harten Aufprall zu beschützen. Doch auch wenn die Flammen brannten, ein kleiner Teil meiner Logik blieb kühl und nun stürzte ich die Treppen hinunter auf den Parkplatz zu.

Nur noch 20 Stunden und 11 Minuten.

Ich kniete neben Madison. Ihr einer Arm war unter ihrem Körper verdreht, die Knochen gebrochen, ihre Augen waren leer, auf ihren Lippen der Hauch ihres letzten Lächelns noch nicht verflogen.

Nur noch 20 Stunden und 8 Minuten.

Das Blut durchtränkte meine Schuluniform, es war warm und klebrig, doch ich hielt Madison in meinen Armen, küsste ihre Stirn, während meine Tränen an ihrer Haut abperlten und meine Stimme durch die Nacht hallte.

„Bitte, lass mich nicht allein."

Nur noch 19 Stunden und 54 Minuten.

Zitternd holte ich mein Handy aus der Tasche und wählte den Notruf. Meine Finger hinterließen Blutspuren auf dem Display. Eine Stimme meldete sich am anderen Ende.

Nur noch 19 Stunden und 47 Minuten.

Polizisten zogen mich von Madison weg, doch ich wehrte mich. Ich wollte zu ihr und sehen, wie sie wieder ihre Augen öffnete und mich anlächelte.

Nur noch 19 Stunden und 27 Minuten.

Mir saß ein Mann gegenüber, groß mit ergrautem Haar. Ein Detective. Er fragte mich, ob ich das Mädchen gekannt hätte. Ich nickte und nannte ihm den Namen, der mir auf der Zunge wehtat. Er fragte, ob ich sie ermordet hätte. Ich verneinte. Doch er fragte immer weiter Fragen, die zu beantworten, ich noch nicht bereit war.

Nur noch 18 Stunden und 39 Minuten.

Mein Vater stürmte in das Polizeirevier und verlangte seinen Sohn zu sehen. Man ließ ihn nicht zu mir. Doch als ich sah, wie mein Vater tobte, um mich zu sehen, wie meine Mutter hinter ihm durch die Tür trat und weinte, erzählte ich dem Detective von Nika Ramirez. Von Madison Clark und Zac Jones. Von Olivia Carter und Courtney Hill. Von James Green und Liam Smith. Ich erzählte ihm die Wahrheit.

Nur noch 16 Stunden und 14 Minuten.

Sie behielten mich in U-Haft, bis sie die Beweise, unter anderem das Handy von Zac, gesichert hatten und ließen mich in einer Zelle im Revier schlafen. Doch ich bekam kein Auge zu. Denn ich musste immer wieder an Madison denken, an ihr letztes Lächeln und ich konnte nicht aufhören die Minuten bis zu unserem ersten Date herunterzuzählen.

Nur noch 5 Stunden und 51 Minuten.

Man hatte mich entlassen. Mit einem Schulterklopfen und einem Termin für den nächsten Tag, an dem ich noch einmal aussagen musste. Außerdem war man ausgerückt und die Polizei hatte sowohl vor Liams als auch vor James Haustür gestanden. Nun waren sie in der Hand des amerikanischen Justizsystems.

Nur noch 2 Stunden und 22 Minuten.

Ich rief Marco an und entschuldigte mich, dass ich Madonna nicht zurückgebracht hatte. Er fragte, ob ich okay sei. Ich bat ihn um einen letzten Gefallen.

Nur noch 1 Stunde und 55 Minuten.

Marco klingelte an der Haustür. Er hatte mir den Gefallen getan und rang mir letztendlich noch das Versprechen ab, dass ich ihn heute Abend noch einmal anrufen solle.

Nur noch 1 Stunde und 13 Minuten.

Ich duschte mich, suchte mir ein Hemd und eine schlichte Hose heraus, versuchte meine Haare zu richten und nahm sogar etwas von dem Aftershave, das im Bad stand. Genauso wie ich es vorgehabt hatte.

All girls, except one, grow upWo Geschichten leben. Entdecke jetzt