Kapitel 19

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"Da vorne ist es."

Arthur deutete auf eine große Holztür, die bestückt war mit vielen kleinen Zeichnungen. Sie hatte außerdem kleine goldene Linien überall herum als Verzierung, was meiner Meinung nach ziemlich kitschig war.
Wir befanden uns in einem Gang, der bisher noch frei von Angreifern war. Sie waren also nicht bis zu den königlichen Gemächern und Arbeitszimmern durchgedrungen.
Endlich eine gute Nachricht.

"Kiana und Claire, ihr geht rein und holt das Memoire. Arthur und ich halten wache. Ihr werdet es schon hören, wenn hier Soldaten auftauchen."

Kiana und ich schauten uns unsicher an. Wir hatten weder das Holzbein noch das Schwert hier, abgesehen davon war Arthur verletz. Sie würden uns vielleicht zehn Sekunden mehr Zeit verschaffen, aber dafür wären beide nach spätestens fünfzehn Sekunden tot. Das klang nicht gerade nach einem guten Plan.

"Macht einfach, wir schaffen das schon!"

"Ich bezweifle-"

"Kie, bitte. Wir haben keine Zeit für eine Diskussion", unterbrach Arthur seine Schwester. So ungern ich es auch zugab, aber der Prinz hatte recht. Wir hatten keine Zeit. Die Prinzessin spielte nervös mit einer Haarsträhne rum, dann öffnete sie die Tür. Ich rannte ihr schnell hinterher und schloss die Tür.

Das Arbeitszimmer war fast so groß wie die königliche Bibliothek. Die gesamte rechte Wand bestand aus einem Bücheregal mit gefühlt drei Millionen Büchern. Daneben befand sich eine Fensterwand, von der man einen wunderschönen Blick auf die Wälder vor dem Schloss hatte und sogar ein kleines Dorf sehen konnte. Wahrscheinlich lebten dort die Familien der Soldaten und Angestellten.

"Wo könnte man so ein Memoire bloß aufbewahren?"

Innerhalb von Sekunden wandte ich meinen Blick von der wunderschönen Aussicht ab und starrte zur Prinzessin.

"Sie wissen nicht, wo das Memoire ist?"

Kiana schüttelte unschuldig den Kopf. Das war eine super Voraussetzung. Das Arbeitszimmer war riesig, es könnte überall sein.
Der Schreibtisch des Königs, der vor der Fensterwand stand, war ordentlich aufgeräumt worden, abgesehen von ein paar Stiften, die auf den Boden gefallen waren.
Unterhalb der Tischplatte befanden sich drei Schubladen.

"Kiana, Sie suchen das Bücherregal ab, ich übernehme den Schreibtisch."

Sie nickte und sprintete zu dem Regal.
Ashton hatte mir mal gezeigt wie man ein Schloss knacken konnte, nur leider hatte er dafür ein besonderes Werkzeug gehabt. Die silberne Haarklammer in meinem Haar hatte eine ähnliche Form, vielleicht würde sie es bringen.
Vorsichtig zog ich die Klammer aus meinen Haaren, die von der Kletterei völlig zerzaust waren.
In der ersten Schublade befanden sich lediglich ein paar Schreiben, die irgendwas über einen Umbau der Minen erzählten.
In der zweiten Schublade lagen weitere Unterlagen von einem anderen Königreich. Wenn ich das Wappen richtig erkannte, dann waren sie vom Königreich Molenia. Was hatte das Königspaar mit dem Königreich Molenia zu tun?
Da sich in der letzten Schublade auch kein Memoire befand, nahm ich das Schreiben an mich und las mir ein bisschen was davon durch.
In dem Schreiben ging es um einen Austausch der Ostfelder, die am Königreich Goodmore grenzten. Anscheinend wollte Königreich Molenia ein paar Felder und Minen von Goodmore übernehmen, da sie zu wenig hatten, um ihr Volk damit ausreichend zu ernähren. Doch König Nicolas und Königin Graciella hatten abgelehnt.

"Woher weiß Arthur, dass sich das Memoire hier befindet?"

Kiana, die gerade ein altes grünes Buch in der Hand hielt, schaute sofort zu mir hoch. Ihre mandelförmigen Augen schauten auf die Unterlagen in meiner Hand, dann schaute sie wieder weg.

"Vater hatte uns erzählt, dass er nach dem kleinen Angriff von Devisa das Memoire aus dem Sicherheitstrakt herausgeholt hatte und hierherbrachte, damit er es erneut lesen konnte. Er brauchte die Hilfe von Frederik, um vernünftige Entscheidungen gegenüber dem Königreich zu erteilen", antwortete sie leise, ihre Hände suchten weiter nach dem Memoire.
Ein lautes Scheppern unterbrach die kurze Stille, die zwischen der Prinzessin und mir aufgetaucht war. Wir schauten uns beide fragend an, dann hörten wir Schwerter, die auf irgendwas einschlugen.
Kiana war die erste, die zur Tür gerannt war. Ihre kleinen Hände umklammerten den Türgriff so stark, dass ihre Haut ganz weiß wurde, dann riss sie die Tür auf.
Sebastian schlug einem der drei Soldaten ins Gesicht, der damit zu Boden ging. Bevor sich der Prinz jedoch auf den zweiten Soldaten konzentrieren konnte, wurde er von seinem anscheinend doch noch nicht besiegten Gegner wieder auf den Boden gerissen. Kiana, die so ziemlich neben den beiden stand, stürzte sich ohne wirklich drüber nachzudenken auf den Soldaten und umklammerte seine Hand, bevor er mit dem Schwert an Sebastians Kehle kam.
Ich zog sofort meinen Dolch heraus und rannte zu ihnen. Doch Arthur brauchte wesentlich mehr meine Hilfe als die beiden.
Er hatte seine eine Hand an seinen Oberkörper gedrückt, während er mit seiner anderen die eine Hand des Soldaten festhielt. Der hatte jedoch seine linke Hand noch frei, sodass er die Hand des Prinzen wegschlug, der nun verloren hatte.
Sein Angreifer wollte das Schwert nach vorne ziehen, doch ich war schneller und hatte ihm den Dolch in die Schulter gerammt.
Es dauerte nicht lange, da floss das warme Blut aus seiner Schulter heraus, welches sich auf meiner Hand verteilte.
Arthur nutzte die kurze Überraschung des Soldaten und riss ihm das Schwert aus der Hand. Doch statt ihm zu töten, drückte er ihn auf den Boden und legte das Schwert an seine Kehle für ein paar Sekunden, bis er es wieder zurückzog und zu mir schaute.

"Sehr beeindruckend, MyLady."

Mein Lächeln hielt nicht lange.
Die Stimmen um mich herum wurden leiser, während ich auf meine rote Hand starrte. Der metallische Gestank wurde stärker und stieg mir in die Nase.
Sebastian und Kiana hatten es zu zweit geschafft den zweiten Angreifer bewusstlos zu bekommen, sodass nur noch einer übrig war.
Viel von dem Kampf bekam ich leider nicht mit. Während Arthur geschickt mit dem Schwert in seiner Hand umging, hatte Sebastian sich meinen Dolch geholt und war zurück zu Arthur geeilt.
Kiana war zu mir gekommen. Als ich sie neben mir sah, bewegten sich ihr Lippen, doch ich hörte nichts. Alles war still, als wäre ich alleine in einer Wüste.
Auch die schwarz-weißen Punkte wurden immer mehr, bis ich gar nichts mehr erkenne konnte. Das einzige, was ich spürte, war der Aufprall auf dem Steinboden, der nicht gerade angenehm war.

Until there's nothing left Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt