„Sag mal, wo bleibst du denn? Ich warte hier schon eeeewig!", quengelt Mirco mir ins Ohr, während ich versuche gleichzeitig zu telefonieren und das Kleingeld aus meiner Jackentasche zu kramen. Zum Glück bekomme ich blind einen Geldschein in der Tasche zu fassen und drücke ihn dem genervten Kioskbesitzer in die Hand. „Ich beeil mich ja! Weißt du, wie schwer es ist in dieser Stadt nachts an Eis zu kommen? Die Läden haben alle zu und ich musste mich erstmal auf die Suche nach einer Tankstelle oder so machen. Ich bezahle noch schnell und bin dann zurück."
Aus den Augenwinkeln bemerke ich zwei junge Typen, die mich grinsend beobachten. Ich fühle mich sofort unwohl und zupfe unbewusst an meinem Kleid herum. Vielleicht hätte ich mir doch schnell was Anderes anziehen sollen, aber heute Nachmittag war es unerträglich heiß in Bonn gewesen und da schien das Kleid genau die richtige Wahl zu sein. Ich hatte nicht erwartet das Hotel heute noch einmal zu verlassen und dementsprechend war ich nicht gerade passend für einen nächtlichen Spaziergang gekleidet. Ich merke, dass der Schnaps, den ich mit Mirco vor einiger Zeit geplättet habe, mir langsam zu Kopf steigt.
Ok, ich werde mir die Tüte mit dem Eis schnappen und auf den schnellsten Weg zurück ins Hotel. Ich werde mich mit meinem besten Freund auf das Sofa hauen, Eis futtern, vielleicht noch ein Gläschen trinken und dann hoffentlich meine Aufregung wegen morgen ein bisschen ablegen können.
Ich spreche mir selbst Mut zu, während ich rasch den Kiosk verlasse und in Richtung Hotel eile. Zu meiner Beruhigung scheinen mir die zwei Typen nicht zu folgen. „Hannah, du machst dich echt immer umsonst verrückt", schimpfe ich leise mit mir selbst und ziehe die Jacke enger um mich. Ich fühle mich schon immer unwohl allein in der Dunkelheit. Aber das geht vermutlich den meisten Frauen so. Kein Wunder also, dass ich so erleichtert bin, als ich die hellen Lichter des Hotels entdecke. Eilig betrete ich das Foyer in Richtung der Fahrstühle.
„Ok, du musst in die sechste Etage, Zimmer 607", erinnere ich mich immer wieder, da mein Orientierungssinn wirklich zu wünschen übrig lässt. Ich drücke auf den Knopf des Fahrstuhls und hänge meinen Gedanken nach, während ich meinen Blick durch die Lobby schweifen lasse.
Die Magic Con in Bonn! Unglaublich, dass ich wirklich hier bin. Und das nicht nur als Besucher, wie vor etlichen Jahren. Damals hieß die Convention noch Ring*Con und fand in demselben Hotel statt, in dem ich jetzt das lange Wochenende verbringen werde. Es war eine Convention, die komplett Herr der Ringe gewidmet war. Eine Filmreihe, die mich in meiner Jugend dermaßen gefesselt und mich so sehr beeinflusst hatte.
Mittlerweile bin ich 33, ausgebildete Professorin an einer Uni und Autorin. Der letzte Punkt ist das, was mich am meisten erstaunt. Es fing alles so harmlos vor zwei Jahren an. Corona überrollte die Welt und durch den Lockdown war mein soziales Leben komplett lahmgelegt. Auch das Studium wurde dadurch nur schwieriger und zog sich in die Länge. Aus einer Laune und kompletter Langeweile fing ich erneut das Schreiben von Fanfiktion an und hatte bald eine große Leserschaft für mich gewonnen. Es waren überwiegend junge Frauen, die sich von mir in eine romantische Welt entführen ließen. Mittlerweile sind es so viele Leserinnen, dass ich auch auf Auftrag schreiben kann. Man sagt mir, über welche berühmte Person oder Figur man gerne etwas lesen würde und ich versuche dies dann in einer Geschichte einzubauen. Mein erster eigener Roman ist gerade im Druck und ich bin schon total gespannt, ob er meinen Lesern genauso gefallen würde, wie meine verrückten Fantasiegeschichten.
Denn nur wegen diesen Fangeschichten bin ich hier gelandet.Marc der Veranstalter dieser Convention kontaktierte mich und fragte, ob ich bereit sei auf der Messe ein paar Panels zu leiten. Ich war total überrascht und auch etwas überfordert von dieser Anfrage, aber ich wäre dumm gewesen dieses Angebot nicht anzunehmen.
Und nun stehe ich hier in diesem Fahrstuhl, die Tüte mit dem Eis unter dem Arm und wundere mich noch immer, wie ich hier überhaupt gelandet bin. Und was ich bei den Panels morgen eigentlich erzählen soll. Wenn überhaupt jemand kommt? Oh mein Gott, was wenn niemand kommt?? Oder man mir komische Fragen stellt, auf die ich keine Antwort habe? Oder man mich ausbuht? Hatte ich Feinde? Bestimmt! Jeder hat doch Hater. Ok, Hannah du wirst panisch...beruhige dich.....", seufze ich und krame nach meinem klingelnden Handy. Mirco hat echt keine Geduld!
Die Fahrstuhltür öffnet sich und vor Schreck rutscht mir mein Handy aus der Hand. „Fuck!", murmel ich und versuche es aufzuheben, ohne dass mir die Eistüte auch noch wegrutscht. Ich bemerke, dass jemand zu mir in den Fahrstuhl steigt, aber das interessiert mich gerade nicht sonderlich. „Was denn?", knurre ich ungewöhnlich gereizt in den Hörer. „Wo bleibst du? Was ist mit dem Eis? Und bringst du noch Schnaps mit?" Scheinbar hatte Mirco sich noch ein paar Gläschen alleine gegönnt, während ich unterwegs war. „Ja Schatzi, alles gut. Kein Schnaps, aber Eis! Das muss reichen! Bin gleich da!" Ich lege auf und werfe einen Blick auf die Anzeige des Fahrstuhls. Der braucht ja ewig, bis er mal oben ist.
„Entschuldige?" Verwirrt drehe ich mich zu dem Mann um, der anscheinend eben zu mir in den
Fahrstuhl gestiegen ist. Ich schaue in die blausten Augen, die ich je in meinem Leben gesehen habe und halte kurz die Luft an. Fuck! Steht da gerade ernsthaft Tom Hiddleston bei mir im Fahrstuhl? Ernsthaft jetzt? Bei mir? Im Fahrstuhl? Jetzt? „Hannah, konzentrier dich! Schön locker bleiben. Ganz cool reagieren..ganz ruhig und cool. Du bist eine erwachsene Frau", meine Gedanken überschlagen sich.Mehr als ein „Mhm?" bekomme ich ihm gegenüber aber nicht heraus. Und dieses „Mhm?" klingt nicht gerade sehr ruhig und sinnlich, sondern eher wie das Quietschen einer Maus. Verdammt!
„Ähm, also sie....du.....tropfst!?"Ich starre ihn an, als würde ein Geist vor mir stehen. Wie? Ich tropfe? Was? Was soll das denn jetzt? Was sagt man dazu?? Was antwortet man da? „Oh...danke?", erwidere ich und drehe mich abrupt von ihm weg. Danke? Habe ich gerade „Danke" gesagt? Doch Tom lässt nicht locker. „Ähm nein, ich meine... die Tüte? Sie tropft?" Etwas unbeholfen deutet er auf den Beutel in meiner Hand und tatsächlich: Das Eis ist schon so weit geschmolzen, dass eine klebrige rosa Masse aus der Tüte auf den Boden tropft. „Oh Fuck! Das äh...ist Eis...also war Eis.... Ähm, für meinen Freund. Er wartet auf mich und...äh...er ist ein riesen Marvel Fan! Ein riesen riesen Marvel Fan.", fange ich an zu plappern und versuche unauffällig mit meinem Schuh das Eis vom Boden zu wischen. Dass in Wahrheit ich der Marvel Fan bin und Tom als Loki so manches Mal die Hauptrolle in meinen Geschichten gespielt hat, muss er ja jetzt nicht wissen. Allein bei dem Gedanke daran merke ich, wie sich hektische rote Flecken in meinem Gesicht bilden.Oh nein, bitte nicht jetzt! Cool bleiben Hannah! Ganz cool bleiben!
„Tatsächlich? Wie wär's dann mit einem Foto für deinen Freund?", schlägt Tom lächelnd vor und
ignoriert gnädigerweise meinen vollkommen bescheuerten Versuch das Eis vom Boden zu schieben. „Ein Foto? Oh..ja, das wär cool. Danke." Ich krame wieder nach meinem Handy, während er mir die tropfende Tüte aus der Hand nimmt. „Vielleicht lieber ohne das..?", murmelt er dabei und ich könnte im Boden versinken. Bestimmt hat er Angst, dass ich ihm Eisflecken auf sein teures Sakko schmiere.Ich fühle mich wie ein Kleinkind und stehe etwas unbeholfen mit meinem Handy in der Hand da. „Also ein Foto?", lächelt Tom und legt den Arm um mich. „Äh ja...klar! Sorry!", ich kichere etwas verlegen und versuche nervös die Kamera an meinem Handy zu aktivieren. Die Betonung liegt auf „versuche"! Kennt ihr das, wenn die Technik im unpassenden Moment streikt? Willkommen in meinem Leben!
„Irgendwie will das gerade nicht so richtig...", murmle ich verlegen. „Warte mal!" Während er mich im Arm hält, versucht Tom die Kamera auf meinem Handy zu aktivieren. Konzentriert drückt er auf verschiedene Tasten, während ich ihn nur anstarre. Mein Gott, dieser Mann ist perfekt. Und er riecht echt gut. Ich schüttel leicht den Kopf, um meine Gedanken zusammenzukriegen. Ich sollte mich echt mal zusammenreißen. Irritiert von meinem Kopfschütteln sieht Tom mich an. „Alles ok? Irgendwie will dein Handy nicht so recht. Ich weiß auch nicht..."
Bevor er weiterreden kann, verselbstständigt sich mein Körper. „Das ist deine Chance!", ist alles was ich noch denken kann, bevor ich meine Augen schließe, mich einfach zu ihm vorbeuge und ihn küsse.Er ist so überrascht, dass er sich nicht wehren kann. Einen winzigen Moment berühren sich unsere Lippen und ich habe das Gefühl, dass er mich leicht an sich drückt.
Was tue ich da verdammt? Ich kann ihn doch nicht einfach küssen. Das ist fucking Tom Hiddleston und ich springe ihn einfach an und knutsch ihn ab. Verdammt, verdammt, verdammt! Ich muss sofort aufhören! Aber wie? Und was sage ich dann? Oh Fuck, ich muss dann was sagen!? Wie wird er reagieren? Was mache ich jetzt? Warum hab ich das überhaupt gemacht? Fuck?!?!?
Meine Gedanken rasen und abrupt schiebe ich einen völlig verwirrten Tom von mir. Ich wage es nicht ihm in die Augen zu schauen und schnappe mir die klebrige Eistüte, die noch am Boden steht. „Es tut mir echt leid. Wirklich! Sorry! Ich wollte nicht....Also ich wollte schon, aber ich sollte nicht...", stammel ich vor mich hin und schaue panisch zur Fahrstuhltür, die sich Gott sei Dank in diesem Moment öffnet. Geht also doch mit der Technik! „Sorry, das Eis schmilzt!" Und mit diesen Worten spurte ich aus dem Fahrstuhl.
Das Eis schmilzt? Ernsthaft? Das habe ich gerade gesagt? Das Eis schmilzt???
Ich bin wirklich eine komplette Katastrophe!
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Ein Wochenende auf der Magic Con (Tom Hiddleston Lovestory)H
FanfictionHannah kann es kaum glauben: Sie soll als bekannteste Autorin von Fanfiktions auf der Magic Con in Bonn auftreten. Ein turbulentes Wochenende steht ihr bevor, inklusive Gefühlschaos!