Kapitel 11

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Jacob, Leah, Seth und ich gingen jetzt, schon seit einer Viertelstunde in Wolfsgestalt durch den Wald. Endlich kamen wir an einer Siedlung an. Naja, was heißt Siedlung. Es waren ein paar kleine Häuschen und eine offen stehende Scheune in der ich Jakes geparktes Motorrad erkennen konnte. Ich grinste, soweit Wölfe grinsen konnten und schielte zu Seth herüber. Ich ging seit wir losgegangen waren, Schulter an Schulter mit ihm und jedes Mal, wenn sich unsere Schultern deutlich merkbar streiften, lief mir ein positiver Schauer über den Rücken. Mittlerweile waren wir in der Mitte der Häuser angekommen und ich sah mich um. Ich sog die frische Waldluft ein und Unterschied die verschiedenen Gerüche, so weit ich konnte. Es waren allerdings viel zu viele Gerüche: viele verschiedene Wölfe, Vögel, Hasen, Mäuse, Laub... Alles mögliche. Erst jetzt bemerkte ich, wie Seth mich ansah. Ich sah ihn auch an und blickte mich danach weiter um. Mittlerweile waren viele Personen aus den Häusern gekommen. Alle hatten schwarze Haare und einen dunkleren Teint. Ich rückte näher an Seth heran, dass waren mir einfach zu viele Menschen. Ich hasste es, wenn so viele Menschen auf einen Haufen sind und ich hasste es im Mittelpunkt zu stehen. Allerdings trat gerade beides ein, da wir, also Jake, Leah, Seth und ich, in der Mitte einer Art Kreis standen und uns ca. 20 Augenpaare anstarrten. Ich fühlte mich sehr unwohl und sah Seth von der Seite an. Er erwiderte meinen Blick kurz und nickte mir dann zu. Ich verstand und verwandelte mich genauso wie er zurück. Leah und Jake taten es uns gleich. Nun standen wir in Menschengestalt in der Mitte des Kreises und Leah und Jake entfernten sich langsam und stellten sich zu den anderen dazu. Ich sah mich um, scannte die Gesichter, schaute ob mir eines bekannt vor kam. Aber nein. Kein einziges bekanntes Gesicht. Ich blickte weiter still und leise in die Runde und ließ meinen Mund leicht offen stehen. So konnte ich die Gerüche über meine Zunge gleiten lassen. Ich konnte die Gerüche beinahe schmecken. Die unglaubliche Stille die schwer in der Luft lag war bis dahin von nicht einem Laut bis auf dem Zwitschern der Vögel unterbrochen worden. Jetzt löste sich aber ein Mann aus der Menge. Er saß im Rollstuhl und es war sichtlich beschwerlich für ihn über den Waldboden an dieser Stelle zu fahren, denn hier lagen massenhaft viel Laub und Äste, aber er kam trotzdem zu mir und schüttelte mir die Hand. Er lächelte mich freundlich an und ich lächelte nervös zurück. "Willkommen Alissa", ertönte eine angenehm warme und tiefe Stimme aus seiner Kehle. "Äh, hallo", sagte ich unsicher und blickte nervös um mich. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich mich krampfhaft mit der linken Hand an Seth Schulter festkrallte und mit der anderen Hand seine Hand hielt. Seth drehte mich leicht zur Seite und mir würde klar warum. Er drehte mich so, dass der Mann im Rollstuhl, dessen Name ich nicht kannte, meinen rechten Arm sah. Ich spürte wie Seth Hand langsam über meinen Rücken zu meiner Schulter glitt und meine dünne Strickjacke beiseite strich. Das Mondlicht des Sichelmondes fiel durch die Baumkronen und ein Strahl war passender Weise genau auf meinem Oberarm. Mir war klar, was man da sehen sollte. Das Tattoo. Der namenslose Mann runzelte die Stirn und ich fühlte mich noch unwohler als vorher. Ich hatte mittlerweile meine Hand von Seths Schulter genommen, aber hielt weiterhin seine Hand. Der Mann schüttelte den Kopf und er fuhr ein bisschen rückwärts. Die Menge hinter ihm machte auch eine Schritte nach hinten, was mein Gefühl, dass irgendwas nicht stimmte nicht gerade besser machte. Ich drückte Seths Hand und er strich beruhigend mit seinem Finger über meinen Handrücken. "Ich sehe kein Tattoo", die Stimme des Mannes klang jetzt nicht mehr sanft und warm sondern eher hart und kantig. Ich sah erschrocken zu ihm und dann zu meiner Schulter. Wie war das? Dran denken und dann kann man es wieder sehen?! Ich verschwendete nur einen Gedanken daran und schenkte dem Mann danach wieder meine Aufmerksamkeit. Er nickte zufrieden und verkündete laut und deutlich: "Von jetzt an ist Alissa, trotz dass sie vielleicht nicht euren Vorstellungen vom Äußeren einer Auserwählten entspricht, bis sie sich bewährt hat Teil dieses Clans. Wir werden mit der Zeit ja sehen, ob sie hier bleiben kann oder ob sie gehen muss." Mit den letzten Worten versetzte er mir eine Gänsehaut.

Die Leute um mich herum begannen zu Murmeln und verschwanden langsam. Entweder im Dickicht oder in den Hütten. Ich sah Seth an und da würde mir plötzlich klar, was er gestern gemeint hatte, mit dem was seine Verbindung zu mir angeht. Denn mit den Worten des Mannes, hatte ich vieles an grundlegendem Wissen bekommen. Mein Gott, wann passierte hier einmal etwas, für dass es eine ganz normale logische Erklärung gab?!

Ich wusste jetzt was eine Prägung war und das man keine Kontrolle darüber hatte. Ich wusste aber auch, dass es verboten war die Prägung, wenn man sich auf eine Auserwählte geprägt hatte, zu zeigen, bevor sie nicht vollständig in den Clan aufgenommen würde und sich bewährt hatte.
Ich sah Seth an und er erwiderte meinen Blick. Es war so ein wunderschöner Augenblick. Wir standen auf einer Lichtung im Wald, um uns herum zwitscherten die Vögel, wir wurden vom Sichelmond beschienen und seine Augen glitzerten im Mondeslicht. Der Augenblick war perfekt, bis Seth und ich sah in seinen Augen, wie schwer es ihm viel, meine Hand losließ, sich umdrehte, verwandelte und davon lief.

Wolves - Allein unter WölfenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt