Kapitel 28

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"Du kannst die Gedanken von Vampiren lesen."

Der Satz von Seth hallte in meinem Kopf wieder. "Bitte was kann ich?!", ich sah ihn an. "Du hast mich schon verstanden... Wie gesagt, die Gabe ist selten...", sagte er. "Wir müssen den Stamm darüber informieren", stellte ich fest und Seth schüttelte den Kopf: "Wenn wir die Gabe trainieren, könnte sie bei deiner Prüfung von Nutzen sein... Du würdest wissen, was als nächstes auf dich zu kommen würde und hättest einen Vorteil gegenüber deinem Gegner, zumindest wenn er ein Vampir ist und das ist möglich...", er sah mich an und ich nickte.

Nach einigen Trainingseinheiten mit Seth und Jake in den letzten Wochen - ich hatte mein Zeitgefühl endgültig verloren und war durch akuten Schlafmangel vollends abhängig von koffeinhaltigen Getränken - war ich laut den beiden soweit: Ich hätte gute Chancen die Prüfung zu bestehen. Natürlich interessierte die Rudelmitglieder nur, was Jaje sagte, aber mir war auch Seths Meinung sehr wichtig. Und nun war der Tag gekommen, an dem ich es schon morgens fühlte, heute würde die Prüfung stattfinden. Eigentlich sollte ich davon nichts wissen, aber ich fühlte es. Ich stand auf, blinzelte kurz durch meine Fensterscheibe in die aufgehende Sonne und machte mich fertig. Ich zog mir ein schwarzes Top und meine kurze knallpinke Jogginghose an. In letzter Zeit hatte ich häufiger kurze Jogginghosen zur Schule angehabt, also war es nicht einmal auffällig. Es war Freitag und meine Mutter glaubte, wie jede Woche, ich würde nach der Schule zu Seth gehen und abends bei ihm übernachten. Sie wusste ja, dass wir zusammen waren.

"Morgen Mama", sagte ich als ich müde die Küche betrat, sie lächelte mich an: "Morgen Liebling, ich muss gleich los zur Arbeit, aber ich habe dir dein Frühstück hingestellt." "Danke", antwortete ich und kurz danach verließ sie das Haus. Mein Vater und Barny schliefen noch und meine Schwesten hörte ich im
Badezimmer streiten, wer den Föhn als nächstes bekam. Der beste Augenblick um zur Schule zu fahren. Laut rief ich einmal durchs Haus, dass ich jetzt gehen würde und verließ es dann. Draußen wartete Jake auf mich. Er nickte mir zu.

"Morgen", sagte ich lächelnd und packte meine Schultasche in meinen Fahrradkorb. Danach fuhren wir zusammen zur Schule. Ich merkte ihm an, dass etwas anders war, aber ich wusste ja was, deshalb fragte ich nicht. Wir redeten kein Wort, was den Umstand noch deutlicher machte. An der Schule verabschiedeten wir uns und gingen wie immer zu unseren Klassen.

Ich betrat die Klasse und sah Seth auf seinem Platz sitzen. Er war wohl wieder eingeschlafen. Seine Füße lagen auf meinem Stuhl und ich sah wie sich sein Brustkorb gleichmäßig hob und senkte. Vorsichtig und leise schlich ich zu ihm. Meine langen gewellten blonden Haare fielen in seinen Nacken als ich mich von hinten zu ihm beugte und meine Hände über seine Augen legte. "Hey mein Prinz", flüsterte ich ihm leise ins Ohr und ein Impuls fuhr sichtbar durch seinen Körper, hätte er meinen Geruch und meine Stimme nicht erkannt wäre er wahrscheinlich aufgesprungen und hätte sich verwandelt. Man konnte richtig sehen, wie sich seine Muskeln anspannten und wieder entspannten. Er nahm meine Hände von seinen Augen und sah mich verschlafen an. "Guten Morgen Prinzessin", er lächelte, "hast du gut geschlafen?"

"Natürlich, ich habe von dir geträumt", ich grinste und während ich das sagte zog er mich auf seinen Schoß und küsste mich zärtlich auf die Wange. Ich grinste. Mittlerweile wusste eh die komplette Klasse, dass wir ein Pärchen waren, in sofern war es egal, ob wir es zeigten oder nicht.

Kurz darauf betrat die Lehrerin das Klassenzimmer, aber ich hatte keine Lust aufzustehen, blieb deswegen auf Seth Schoß sitzen und grinste Seth an. Er grinste zurück. Bis:

"Ihr zwei Turteltäubchen, könntet ihr euer rumgekuschel vielleicht auf später, z.B. in der Pause verschieben?!", sagte unsere Lehrerin und in Teilen der Klasse ging Gekicher durch die Reihen und ich nickte und setzte mich auf meinen Platz, neben Seth. Dann begann der Unterricht und mir fiel etwas auf. Nathan fehlte. Er war nicht in unserer Klasse, hätte diesen Kurs aber mit uns zusammen haben müssen.

Auch in den nächsten Kursen fehlte er und so langsam wurde mein Verdacht wegen der Prüfung immer mehr bestätigt. Ich lehnte mich unauffällig zu Seth rüber und flüsterte ihm leise ins Ohr: "Heute ist es soweit... Die Prüfung..." Er sah mich ungläubig an und ich nickte bevor er das Ganze hinterfragen konnte.

"Al, warte!", rief Seth mir hinterher als ich mich nach der Schule in Windeseile durch die Schüler drängte. Ich musste so schnell wie möglich zu Jake kommen, warum wusste ich selbst nicht so genau... Ich glaube, ich konnte es nicht mehr aushalten bis die Prüfung endlich losging. "AL! Jetzt warte doch mal kurz!", rief Seth und legte seine warme Hand auf meine Schulter, sodass ich stehen bleiben musste. Wir hatten uns ein bisschen über das anstehende unterhalten. Klar, ich wusste nur Auserwählte mussten Prüfungen machen und es war noch nie jemand durchgefallen, aber irgendwann war nunmal immer das erste Mal und ich hatte mega Respekt vor der Prüfung. "Al? Prinzessin?", Seth hatte seine Arme um mich gelegt und sah mich an, "Hey... Du schaffst das schon... Und keine Sorge, ich werde in der Nähe bleiben und dir unauffällig helfen, dass ist nämlich die erste Prüfung bei der es sein kann, dass Vampire einigermaßen freiwillig mitwirken... Also keine Sorge: Ich bin bei dir." Als er fertig gesprochen hatte küsste er mich zärtlich. Erst erwiderte ich und kurz darauf befand ich mich auch schon bei Jake am Fahrrad.

"Hey Jake!", hörte ich meine Stimme sagen und überspielte meine Aufregung mit einem Lächeln.

"Hey Wölfin", grinste er.

"Musst du mich so nennen Jake?", ich stieg auf mein Rad.

"Ja, ich bestehe dadrauf", er grinste weiter wie blöd und wir fuhren los.

Beim zum Rudel fahren unterhielten wir uns über dies und das und Jake erklärte mir, warum er mit dem Fahrrad und nicht mit seinem geliebten Motorrad fuhr.

Endlich beim Rudel angekommen. Jake und ich lehnten unsere Räder an eine der Hütten und sahen uns an. Grinsend nickten wir und sahen gleichzeitig in den Himmel: ein warmes Gefühl von Geborgenheit machte sich in meinem Hals breit und ich merkte wie meine Stimmbänder anfingen leicht zu vibrieren und ich den Mund leicht öffnete. Jake und ich jaulten kurz auf und liefen dann los. Nach zwei Schritten verwandelten wir uns und lieferten uns ein Wettrennen zum kleinen See in der Nähe.

Ich gewann und für einen kurzen Moment hatte ich alle Sorgen über die Prüfung vergessen, bis sich von hinter Jake ein Schatten auf uns zu bewegte.

Zuerst sah es bedrohlich aus, aber dann bemerkten Jake und ich, dass es nur Leah war. Wir unterhielten uns kurz über Gedanken.

'Hey'

'Hey Leah'

'Hallo... Ich soll euch sagen, dass ihr zwei heute Nacht das patrouillieren übernehmen sollt.'

'Machen wir...'

Ich hatte mich aus der kurzen Unterhaltung bis auf ein kurzes 'Hey' weitgehend rausgehalten, aber mitgehört.

Mir war sofort klar, heute Nacht würde die Prüfung stattfinden... Ich musste mich bereit halten.

Wolves - Allein unter WölfenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt