Kapitel 20

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Als ich nach dem Strand wieder nach Hause kam, ging ich in mein Zimmer. Meine Familie war, so still wie es im Haus war, wohl nicht da und ich hatte meine Ruhe. Ich setzte mich auf mein Bett und sah auf den Brief, den mir meine Freunde vorhin gegeben hatten. Er lag neben mir und schien mich magisch anzuziehen. Ich nahm ihn in die Hand und sah ihn mir nochmal genauer an. Es stand immernoch kein Absender drauf. Ebenso fehlte die Briefmarke oder jeglicher anderer Hinweis auf den Absender oder ähnliches. Ich drehte den Brief noch weiter in der Hand und hielt ihn ausversehen näher an meine Nase. Ich hielt beim drehen inne. Der Geruch des Briefen kam mir bekannt vor. Ich roch Kastanie und feuchte Luft, Mäuse und einen mir sehr bekannten Wolf. Ich grinste und öffnete den Brief, der anscheinend in Seths und meiner kleinen Höhle, die er mir das eine mal während der Schule gezeigt hatte, geschrieben geworden war.

In dem Briefumschlag lagen mehrere Seiten Text und Fotos. Ich runzelte die Stirn und zog ein per Hand geschriebenen Zettel heraus.
'Liebe Ally,
da ich dich nicht wieder erschrecken wollte, bzw. da ich keine Gefahr laufen wollte erwischt zu werden, hier ein paar Sachen worauf du aufpassen musst (ich hab dir ein paar alte Buchseiten bei gelegt :) ). Wenn du noch fragen hast, weißt du ja wo du mich findest. Ich hab dich lieb <3 und wir sehen uns sicher heute Abend, dann wirst du verstehen, warum ich dir das alles jetzt gegeben habe.
Bis dann, Seth
P.S.: ich hab dir auch noch ein bisschen Nervennahrung dazu gelegt:). Lass es dir schmecken <3'

Okay, das hörte sich ganz schön komisch an... Ich sah in den Umschlag und tatsächlich, ganz unten lagen ein paar herzförmige Schokoladenpralinen. Ich grinste und holte die Pralinen, inklusive der ganzen Buchseiten heraus. Nachdem ich die Seiten sortiert und die Fotos von normal aussehenden Menschen daneben gelegt hatte, fing ich an zu lesen. Auf den ersten paar Seiten, ging es um eine alte Geschichte, mit dem Stamm der Quileute und sogenannten "Bleichgesichtern". Bei dem Ausdruck runzelte ich die Stirn.
Auf den nächsten und letzten Seiten wurden die "Bleichgesichter" näher beschrieben, wie z.B. "Kalte Wesen", "Dämonen ähnlich", "Monster" u.s.w.. Als ich zu Ende gelesen hatte nahm ich mir die Bilder vor. Ich sah ein paar Menschen, sie hatten recht helle Haut und schauten eindringlich in die Kamera. Ich drehte die Fotos um und auf den Rückseiten las ich ein paar kurze Sätze, die jemand dort notiert hatte. Auf dem einen stand: "Bleichgesichter an der Grenze. Die sollten es nicht wagen herüber zu kommen." Und auf einem anderen las ich: "Sie gehen. Kommen in ein paar Jahren wieder. Ein Glück. endlich Ruhe." Doch das, was ich auf dem letzten Bild las, machte mir Angst. Es war in einer anderen Schrift als die anderen geschrieben und in großen Druckbuchstaben, die Tinte schien noch recht frisch. Auf der Rückseite des Fotos stand: "VAMPIRE". Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Hieß das etwa, dass es da draußen auch noch andere Wesen außer Gestaltenwandler gibt? Wesen die für uns gefährlich werden konnten?

Nach einiger Überlegungs- und Erholungszeit, hatte ich auch die letzte kleine Herzpraline gegessen und die Buchseiten und Bilder wieder in dem Umschlag verstaut. Gerade als ich den Umschlag in einer meiner Schubladen verstecken wollte, fiel ein Foto heraus. Es war einmal in der Mitte geknickt und ich musste es wohl übersehen haben. Ich bückte mich und hob es auf. Ich faltete es auseinander und was sah ich da?! Abgebildet war ein kleines Baby, in einem Kinderwagen, das Bild war etwas verschwommen, als ob es von weiter weg fotografiert worden war und man dann den Ausschnitt des Bildes vergrößert hatte. Irgendwoher kannte ich dieses kleine Baby, was dort mit großen Gold-Braun-glänzenden Augen in Richtung Kamera schaute. Ich drehte das Foto um, in der Hoffnung auf der Rückseite einen Hinweis zur Identität oder ähnliches zu finden. Ich bekam meinen erhofften Hinweis, aber der schien nicht sonderlich gut zu sein, als ich ihn las, stellten sich alle meine Haare auf: "Die nächste Auserwählte. Die Bleichgesichter haben es, Vermutungen zu Folge, auf sie abgesehen, da sie so hilflos und klein ist und noch nichts gegen die ausrichten kann." Ich schauderte und las weiter, das nächste schien Seth hinzugefügt zu haben: "Du warst schon als Baby wunderschön <3 Achte auf dich, wenn du nachher kommst." Ich schüttelte den Kopf. Das war ich?! Ich war damit gemeint?! Oh je... Was wollten die bloß von mir. Ich dachte an die Seiten aus dem Buch. Jetzt schien sich das Puzzle zu Fügen. Die "Bleichgesichter" und die Quileute waren verfeindet. Sie hatten einen Pakt geschlossen, sodass jeder sein eigenes Territorium hatte, doch wenn sich ein Wolf außerhalb des Territoriums befand, war er für die "Bleichgesichter" leichte Beute, denn diese versuchten, zumindest damals, mit allen Mitteln, die Wölfe zu vernichten. Ich schüttelte den Kopf. Zu viele Informationen. Zu unglaublich.

Der Rest des Tages verging schnell und als am Abend meine Familie vom Shopping zurückkam und wir alle so um 23:00 Uhr im Bett lagen, schlich ich mich wieder einmal leise raus. Zum Glück mal wieder unbemerkt. Ich rannte in kurzen Shorts und Top die Straße entlang und dann in den Wald. Ich verwandelte mich, lief weiter und jedes Knacken in meiner Umgebung ließ mich schaudern und ich sah mich jedesmal mit gespitzten Ohren um.

Plötzlich tauchte ein Wolf neben mir auf. Ich begann vor Schreck zu knurren und sprang beiseite. Ich funkelte ihn an, es war so stockfinster unter den Baumkronen, dass ich nicht erkennen konnte, wer es war. Er verwandelte sich und sagte: "Ally? Alles Okay bei dir?" Die sanfte warme Stimme von Seth drang in meine Ohren und ich löste mich aus meiner Angriffshaltung und verwandelte mich ebenfalls zurück. "Sorry, hab dich nicht erkannt...", ich ging zu ihm, nahm seine Hand und sah ihm in den Augen. Ich konnte gerade noch erkennen, wie der sorgenvolle Ausdruck aus seinen Augen verschwand und sich in einen sanften, aber doch irgendwie angespannten Ausdruck, änderte. Ein Audruck, der sagte: "Lass uns weitergehen", was wir dann auch taten.

Auf dem Weg zum Clan unterhielten wir uns und ich stellte ihm Fragen zu den Seiten im Buch und den Fotos. Irgendwann war ich bei einer wichtigen Frage angelangt: "Okay, warum ihr verfeindet seid, hab ich jetzt verstanden, aber was wollen die von mir?"

"Naja, du gehörst ja jetzt halbwegs zu uns und für die Vampire ist es leider nicht verboten eine Auserwählte, die sich nicht in unserem Territorium befindet und noch nicht komplett aufgenommen ist, zu bedrohen, wenn nicht sogar ihr etwas anzutun", er drückte meine Hand während er das sagte, "Aber, wenn du aufgenommen bist, ist es ihnen überall verboten." Er lächelte mich an. Er versuchte wohl mich etwas aufzumuntern und bei seinen warmen Augen, klappte es sofort. Ich begann auch leicht zu lächeln. "Warum ich dir das gerade jetzt gegeben habe, erfährst du später, ja?", fragte er und ich nickte weiterhin leicht lächelnd.

Danach wechselte ich das Gesprächsthema, ich wusste, wir hatten nur noch fünf Minuten zu gehen, also war es das perfekte Thema. Ich lächelte, sah ihn an und fragte: "Wann hast du dich auf mich geprägt?" "Oh", er lächelte, "das ist schon einige Jahre her... Ich bin ja nur eineinhalb Jahre älter als du und damals, als du noch klein warst, haben wir häufig auf dich aufgepasst. Damit dir nichts passiert. Du musst wissen, die Territorien liegen im Wald und die Stadt ist nicht aufgeteilt. Naja, damals warst du auf einem Spielplatz und ich war das erste Mal, mit Jake, dazu eingeteilt worden auf dich aufzupassen, eigentlich war es uns verboten mit dir Kontakt aufzunehmen, aber damals, ich war auch noch recht klein, spielte ich im Sandkasten und beobachtete dich unauffällig. Als ich gerade nicht hingesehen hatte, warst du zu mir herüber gekommen und hattest dich neben mich gesetzt. Du sahst mir beim Sandburgen bauen zu und als ich deine Stimme hörte sah ich dich an. Du fragtest, ob du mir helfen könntest. Ich nickte vorsichtig und sah dir in die Augen. Damals wusste ich noch nicht, was eine Prägung oder Liebe überhaupt ist, dass erfuhr ich erst später, aber in dem Moment als ich dir in die Augen sah und du meinen Blick kurz erwidertest, schien meine Welt sich für den Bruchteil einer Sekunde zu drehen, ich fühlte mich magisch von dir angezogen, ab dieser Sekunde hätte ich alles für dich getan, und als ich dann einige Jahre später erfuhr was eine Prägung ist, wusste ich, dass ich mich, obwohl es fast unmöglich war, sich auf eine Auserwählte zu prägen, auf das kleine blonde Mädchen mit den kleinen süßen Zöpfchen geprägt hatte, und mir wurde auch klar, warum ich mich damals schon immer freute, wenn ich auf dich aufpassen sollte." Während er so erzählte, kriegte ich Gänsehaut und als er fertig war küsste ich ihn vorsichtig auf die Wange. "Aber wie kommt es, dass ich mich nicht an dich erinnern kann?", fragte ich ihn und sah ihn weiter an. "Irgendwann, wurde entschieden, dass wir nicht mehr auf dich aufpassen mussten und es wurde nur noch einmal die Woche ein Erwachsener zur Kontrolle geschickt...", er schien leicht geknickt und ich konnte in seinen Augen erkennen wie vor ein paar Jahren, als das beschlossen wurde, für ihn eine Welt zusammen brach, auch wenn er sich recht sicher sein konnte, dass er mich irgendwann wieder sah. Er lächelte und schaute nach vorne. Direkt vor uns lag die "Siedlung", also die paar Holzhütten, und er ließ meine Hand los. Ich sah auf seine Hand, nickte und schluckte zugleich und dann gingen wir nebeneinander auf den Platz in der Mitte von den Hütten auf dem schon viele andere warteten und sich unterhielten. Sie saßen um ein Feuer herum und als Seths Stimme sich erhob und er sagte, dass ich nur so spät war, weil ich nicht früher von zu Hause weg konnte, sahen uns alle an und plötzlich war alles still. Wir setzten uns neben Jake und Mex, die ich leise mit einer Umarmung begrüßte und der alte Mann im Rollstuhl, dessen Namen ich noch immer nicht kannte, begann zu reden.

Wolves - Allein unter WölfenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt