Kapitel 3

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Den ganzen Tag hatte ich mir Gedanken über meinen Traum gemacht und logische Erklärungen für das Armband an meinem Handgelenk gesucht. Hatte ich Halluzinationen gehabt? Vielleicht hatte ich das Armband auch schon ewig in irgendeinem der alten Schmuckkästchen liegen gehabt und war schlafwandelnd zu meinem Schrank gestolpert und es herausgekramt. Vielleicht wurde ich auch einfach verrückt. Oder meine kleine Schwester hatte mir einen Streich spielen wollen. Das war alles möglich. Doch die logischte Erklärung war, dass es keine logische Erklärung dafür gab. 


Langsam dämmerte es draußen. Ich saß mit meinem  auf meiner Fensterbank und zeichnete die beiden Wölfe, die ich gestern Abend in meinem Traum gesehen hatte. Ich konnte mich erstaunlich gut an beide erinnern und mir gelang es ebenfalls erstaunlich gut sie in meiner kleinen Bleistiftzeichnung einzufangen. Leise hörte ich meine Musik aus meinem Handylautsprecher klingen und stellte meine Zeichnung zufrieden fertig. 

Ich schaute nach draußen. Nebel hatte sich über die Häuser in der Umgebung gelegt und nur vereinzelt sah man den leichten Schein einer Straßenlaterne. Meine ältere Schwester hatte vor mehreren Stunden das Haus verlassen und war auf eine Party verschwunden. Meine kleine Schwester saß mit meinen Eltern im Wohnzimmer und schaute einen Film. Disney vermutlich.


Ich hatte mir geschworen nicht einzuschlafen heute Abend. Ich war ohnehin nicht müde. Der Vollmond strahlte am Himmel und ich hatte einfach das Bedürfnis raus in den Wald zu rennen. Ein Blick auf die Uhr ließ mich wissen, dass meine Eltern vor über 2 Stunden ins Bett gegangen waren. Sie müssten mittlerweile tief und fest schlafen und auch meine kleine Schwester müsste schon lange in ihre Träume versunken sein. Ich steckte mein Handy, aus dem mittlerweile keine Musik mehr kam, in die Hosentasche meiner Shorts, holte meine alten Chucks aus meinem Kleiderschrank, zog sie an und öffnete leise mein Fenster. Schwüle, aber angenehm kühle Luft schlug mir entgegen und ich kletterte leise durch den Rahmen. Draußen klammerte ich mich an der Regenrinne fest und versuchte mit einer Hand das Hecken-Gitter - eine Holzbefestigung, die an unserer Hauswand hing und seit Jahren von nichts anderem bewachsen war als Efeu - zu fassen zu kriegen. Als ich endlich an diesem Gitter hing, konnte ich entspannt herunter klettern. Der Ausbruch aus dem ersten Stock war mir immer hin schon mal gelungen. Während ich in Richtung Straße lief, zog ich den Reißverschluss meiner Sweatshirtjacke zu und setzte die Kapuze auf.

An der Straße angekommen schnupperte ich das erste Mal richtig in der Luft. Es roch nach Sommerregen und feuchtem Gras. Einfach großartig! Hier an der Straße war schon mehr los, als in unserem Garten. Gerade fuhr ein Bus vorbei. Mit ihm zog der Geruch von Abgasen an mir vorbei und als die Bustüren aufgingen und die erste Jugendlichen ins freie torkelten erfüllte ein neuer Geruch die Nacht: Alkohol. Und Erbrochenes.

Vorsichtig stellte ich mich nah an unsere Hecke in den Schatten direkt neben der Straßenlaterne und beobachtete die Jugendlichen aufmerksam. Ich hatte ein bisschen Angst ein blonder Haarschopf würde sich aus der kleinen Gruppe lösen und zu mir herüberlaufen. Es hätte sein können, das meine Schwester von der Party nach Hause kam und direkt neben mir unser Grundstück betreten wollte. Das war zum Glück nicht der Fall. Anscheinend wollte sie noch nicht nach Hause kommen. Gut so.

Als die kleine Gruppe sich weiter entfernt hatte, lief ich weiter. Ich versuchte mich trotz das die Straßen menschenleer waren, eher in den Schatten aufzuhalten um nicht doch jemandem, der gerade zufällig aus dem Fenster schaute, aufzufallen.

Wolves - Allein unter WölfenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt