Unkraut vergeht nicht

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Allerdings währte meine Freude nicht wirklich lange. Mit nicht wirklich lange meinte ich gar nicht. Wer freute sich auch schon über den Anblick von Gift sabbernden, haarig bebeinten, beißenden Monstern? Gut vielleicht die Zwerge, die waren meiner Meinung nach sowieso vollkommen meschugge, wollten gegen einen feuerspeienden Regenwurm kämpfen nur um ein Stück Dreck zu erobern, pah. Und sicherlich würden sich auch einige heroische Helden mit Schwertern aus Götter, Verzeihung, Valarknochen freuen, dieses Unheil aus der lebenden Welt zu verbannen. Aber ich, ausgerüstet nur mit zwei mehr oder wenig gut geschmiedeten Metallstücken, die in zwei dunklen Lederscheiden schwer an meiner Hüfte baumelten und einer dünnen Lederrüstung freute mich DEFINITIV nicht.

Auf jeden Fall war mir eines sofort klar. Die hatten definitiv ein Zora-Rosmarin-Schnitzel auf ihrer Speisekarte stehen. Zusammen mit vegetarischen Rayna-Blutorangen-Salat und einem Celina-Menschcreme-Dessert. Als die erste Riesenspinne zusammen mit einigen kleineren Artgenossen aus dem dunkelgrünen, dornigen Strauchbusch direkt vor mir plötzlich auf mich zu sprang, waren ich und Rayna die Ersten, die loskreischten,- und das in einer Lautstärke, jede Bohrmaschine wäre stolz. Der Anblick des achtbeinigen Monsters, dem ich gerade mal bis zur Brust ging, ließ mir die Haare zu Berge stehen und meinen Körper mich mit einigen Litern Adrenalin, dem Koffein der Sportler, vollpumpen. Ich wirbelte geistesabwesend herum, rutschte beinahe auf den mit glatten Kiefernnadeln bedeckten Waldboden aus und sprintete unheilige Gebete murmelnd in die entgegengesetzte Richtung davon.

Nun ja, ich versuchte dem Ding davon zu sprinten. Wenn ich fünf Schritte machte, machte die schwarze Spinne mit den dunkelrot glühenden Augen einen. Wo ich über größere Steine strauchelte und mit Schwerti eins Dornenbüsche und tiefhängende Zweige mühsam aus dem Weg schlagen musste, hatte die Spinne mit ihren acht Beinen und ihrem harten, undurchdringbaren Panzer einen riesigen Vorteil.

Keuchend hetzte ich mich im Wald ab und hielt nach einem geeigneten Versteck Ausschau. Einem Versteck, in dem die Spinne mich nicht mit ihren großen Beißzangen zwicken konnte, ein Versteck, in dem sie mich nicht wie einen lästigen Holzwurm mit ihren dürren, behaarten Stelzenbeinen wieder herauspulen konnte. Dunkel meinte ich mich an einen ausgehölten Baumstamm, an dem wir vor einiger Zeit vorbeikamen, zu erinnern, - allerdings kam das Ungeziefer mit ihrem Beinen dort sicher auch rein. Und wenn dann erst kleinere Spinnen auftauchen würden. Nein. Ich brauchte einen Baumstamm mit Deckel. Alias ein Fass. Ich bin echt positiv überrascht, dass mir das mit dem Fass eingefallen ist. Aber unsere witzige Schlumpfgemeinschaft hatte kein Fass dabei. Aber die Elfen hatten welche. Natürlich gefüllt und stinkend nach Wein, aber ich sollte nicht so zimperlich sein. 

Also musste ich jetzt zu den Elfen. 

Frage: Wo waren die Elfen? Oh, bessere Frage: Wo war ich überhaupt? Ha, und jetzt kommt die beste Frage überhaupt: Wieso war ich, wo ich war? Ich mein, ich wusste doch eigentlich, dass alle Zwerge heil von den Spitzohren wieder gerettet wurden. Und ich lief gerade vor denen weg. (Glaub ich zumindest, hey, ihr kennt meinen Orientierungssinn...) Und wenn ich gerade vor den Spinnen und Zwergen weglief, lief ich vor den Elben weg, lief ich von meiner Rettung davon. 

Aber so lange die Spinne mich jetzt fangen und in ihr Nest zu den Zwergen bringen würde,- aber nein! Ich konnte mich doch nicht von der Spinne fangen lassen. Nicht von dem hässlichen, mit Beißzangen klackernden, klickernden Monster, dass mich seit einigen Minuten hartnäckig verfolgte, nicht vor dem abscheulichen Ding, dass gewiss nur mit mir spielte, mich eigentlich schon längst hätte fangen, umgarnen können. Oh Gott. Scheiße, habe ich eine Angst. Hätte ich doch nur den einen Ring, nein, wäre ich doch bloß in der Schule, nicht in Mittelerde.

Mein Herz raste und der Schweiß stand mir dank dem superlangen Sprint schon längst auf der Stirn. Wenn ich leben wollte, zurück zu meinen Freunden wollte, von den bogenschießenden Waldelfen im grünen Tütü gerettet werden wollte, dann musste ich jetzt stehen bleiben. Mir war bewusst, dass ich ohnehin nicht mehr lange fliehen konnte, doch trotzdem kostete es mich einiges an Überzeugungsarbeit, meine Beine zum Stehen zu bringen. Die trapppel-trampelnden Geräusche der Spinnenschritte verstummten abrupt. In einer einigermaßen epischen Bewegung zog ich Schwert Nummer zwei (hatte ich denen eigentlich schon Namen aufgeklebt?) aus der dunkelbraunen Lederscheide. Mit einer langsamen Drehung wandte ich mich der Spinne zu und nahm eine einigermaßen professionelle Kamphaltung, die ich mal in einem Manga gesehen hatte, ein. Tatsache war aber, dass es mir und meinem ausgezehrten Körper schon Einiges an Kraft kostete, die doch recht schweren Messerchen nur aufrecht zu halten. Well, wären das keine superleichten Elbenschwerter würden sie mir sicher aus der Hand rutschen.

Bis die Valar fallenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt