Verlust

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„Uff."

Mir wurde alle Luft aus den Lungen gepresst. Nach Luft schnappend und verwirrt richtete ich mich auf. Es war nicht sonderlich hell und so nahm ich meine, unsere, Situation nach zwei Sekunden gestochen scharf wahr.

Ich befand mich mit meinen Mitstreitern in einer riesigen Höhle, einem ausgehöhlten Loch im Berg. Durch die Höhle spannten sich hölzerne Brücken und simpelste Laternen baumelten hier und da an groben Tauen. Der Laternenschein spendete Licht wie eine untergehende Sonne und kurz schloss ich genüsslich meine Augen. So einen wundervollen warmen Lichtschein hatte ich... Gut, Konzentration Zora! Schlagartig versuchte ich mich aufzurappeln. Meine Hände fanden kaum halt auf dem unebenen Untergrund und mit einem mürrischen Grunzen sah ich doch nochmal genauer nach. Stellte sich raus, dass ich auf einem Zwergenhaufen lag. Kein kleiner Haufen, sondern ein Haufen Zwerge. Stinkender Zwerge, wohlgemerkt. Deo war ja noch nicht erfunden.

Vorsichtig zog ich meine Arme heran und rollte mich von dem Haufen runter. Kaum, dass ich wieder auf meinen Füßen stand, näherte sich mir ein zweites Problem. Ich kannte diese Szene aus dem Film und so tastete ich hektisch nach meinen Schwertern und trat gegen den Haufen. Zeit zum Aufstehen, Zwerge, Schönheitsschlaf ist vorbei.

Dutzende Trolle, kleine hässlich aussehende Embryos jagten johlend auf uns zu. Die Hängebrücken unter ihnen ächzten unter dem Gewicht der vielen trampelnden Füße und hin und wieder stürzten manche in den Tod, doch dies störte die Meute nicht. Die Goblins setzten auf Quantität, nicht Qualität. Ein dummes Prinzip, es sei denn, die Gegner waren deutlich in der Unterzahl.

Ich muss euch nicht erzählen, in welcher absolut miserablen Situation wir uns befanden.

„Auf! Auf!", brüllte jemand laut mit tiefer Stimme und einige Sekunden später, stand die Gemeinschaft kampfbereit zur Stelle.

Thorin zog sein Schwert und sein Schild- wenn man es Schild nennen konnte, aber gut, er hatte sich ja sogar nach dem Teil benannte. Hatte eindeutig ein Eichenschild-Komplex der Typ. Auch die restlichen Zwerge hoben ihre Äxte, Schwerter und Keulen, nachdem sie sich in einem schützenden Kreis zusammengeschlossen hatten. Dunkel hatte ich das Gefühl, dass etwas fehlte. Und bedauerlicherweise konnte ich dem nicht weiter auf den Grund gehen; Denn die Goblins stellten keine Fragen.

Sie attackierten.

„Auf sie!", lachte Kili laut und stürzte sich mit seinem Bruder in die Schlacht. Ab da an waren wir verloren. Warum? Die werten Herren Zwerge hatten unserem sicheren Schutzkreis ein Loch verpasst.

Ich meinte zu hören, wie Thorin sie versuchte zurück zu rufen, - aber ich hatte andere Sorgen. In Form eines kleines hässlichen Etwas, das auf den Namen Jörg hörte. Gut, es hörte nicht wirklich auf den Namen, aber der Goblin sah zumindest nach einem Jörg aus.

Schaumiger Geifer tropfte aus seinem deformierten Maul und seine verformten Klauen kratzen über den Höhlenboden, als er heulend auf mich zu sprang. Nicht Gruselig. Überhaupt nicht gruselig. PAPA, mach den Goblin weg, heulte ich keine Sekunde später in meinem Geist.

Ich schauderte, als Jörg auf mich zu sprang und hob meine Schwerter schützend vor meinen Körper. Doch den suizidgefährdeten Goblin hielt das nicht auf. Er war bereit sich für seine Kameraden in den Tod zu stürzen. Zumindest verrieten mir das seine trüb beigen Augen. Außerdem verrieten mir seine Augen, dass er ein liebender Vater von zwei viel zu früh gestorbenen Zwillingen war. Seine Frau Elli hatte ihn nach einer Affäre mit seinem Trinkkumpel Jann, einem pausbäckigen Bäckerssohn, verlassen. Jörg war tottraurig gewesen und hatte sich immer tiefer in die Arbeit und schlecht schmeckendes Bier geflüchtet, um seine bleibenden Liebesgefühle für seine Kindheitsliebe und ehemalige Frau Elli zu ertrinken. Elli erwiderte diese Gefühle nicht mehr... oder vielleicht hatte sie es auch nie getan? Das wird Jörg wohl nie erfahren, denn Elli spricht nicht mehr mit ihrem Mann und schenkt auch ihren vierjährigen Kindern nicht mehr als verachtende Blicke. Jörg opferte seine schwindende Lebensenergie für seine Kinder Eva und Alrik. Er zog um in ein kleines Häuschen fern ab der Zivilisation, als er seinen gut bezahlten Job als Brückenbauer verlor. Es hatte sich wohl die neue Frau des Bäckermeisters über ihn beschwert. Doch auch dies war Elli, der heimtückischen Goblindame, nicht genug. Sie konnte mit dem Gedanken an einen Ex-Mann, der arbeitslos war und Halbweisen großzog, einfach nicht leben. Sie schämte sich zutiefst und aus diesem Scham wurde Hass. So fuhr Elli eines Tages per Spinnentaxi zu der heruntergekommenen Hütte ihres ehemaligen Mannes. Sie wartete im Schatten des Waldes wie eine hinterlistige Schlange, bis Jörg außer Haus ging um von den spärlichen Bronzesickeln, die er als Tagelöhner verdiente, etwas hartes Brot für seine hungernden Kinder zu kaufen. Einige Zeit später kamen die Kinder zurück von der Schule. Sie waren dürr und trugen kaputte Lumpen, bemerkte Elli zutiefst entsetzt. Elli wollte diese Kinder aus der Welt schaffen. Und es waren ihre eigenen, also hatte sie wohl jedes Recht dazu. Es war nicht auszudenken, was passieren würde, wenn jemand von ihren neuen Freunden, gar ihr Mann Jonn, davon erfuhr. Und so hackte Elli die Kinder in Stücke. Sie nutzte ihre Kontakte und ließ Jörg büßen und des Mordes verurteilen. Und so landete Jörg in der Vorhut der 27. Goblineinheit. Seine Kumpanen waren schwer bestrafte Straftäter und weiterer Abschaum. Doch das störte Jörg nicht. Sein Wunsch mit seinen Kindern vereint zu sein, war größer als sein Lebenswille...

Bis die Valar fallenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt