Ein Hauch von Leben, ein Hauch von Tod

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Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass die anderen angefangen haben. Und dass es irgendwie ein bisschen ausgeartet ist. Außerdem waren es Orks und ihre Wildschweinhunde. Die hatten das schon irgendwie verdient, okay?!

Zumindest war es das, was ich versuchte mir einzureden, als ich auf den Leichenberg zu meinen Füßen blickte. Das braune vertrocknete Gras war blutbefleckt, der metallische Geruch so stark wie Schwefelrauch. Und dennoch hatte ich keinen Tropfen Blut an mir. (Abgesehen von dem Älteren.)

Die Erde schmatze als ich einen Schritt vortrat, näher zu den Leichen. Bunt gemischt lagen dort Wargs mit blutverkrustetem Fell und ihre Herren, ein Dutzend Orks in eiserner Rüstung. Und sie alle hatten, ohne Ausnahme, nur eine Verletzung. Würde man nicht auf ihre Kehlen blicken, die ausgerissen über den Dreck verstreut lagen, könnte man meinen, sie schlafen.

Ich fühlte mich mehr wie ein Zuschauer, als ein Beteiligter, während ich über das Feld wanderte, zu dem Größten der Orks hin. Wage meinte ich mich an ihn erinnern zu können. Ich beugte mich vor und blickte in sein Gesicht. Der Ausdruck von Rage mit einem Hauch von Todesangst war wie festgemeißelt. Wie er wohl gefallen war? Meine Erinnerungen über das, was vorgefallen war, waren größtenteils schwammig, von Schatten verdunkelt.

Kannte ich ihn? Kannte ich irgendeinen von meinen Opfern? Mein Blick wanderte über sie. Fühlte sich Rayna in der Nacht so? Ich zuckte zusammen und biss auf meine Lippe. Rayna.

Nein. Zurück.

Womöglich war ich bereits an dem Punkt angelangt, an dem aus einem Leichenberg zwei wurden, schmunzelte ich verkrampft. Wusste ich nicht. Gab es da bestimmte, zu erfüllende Parameter? Naja, Tatsache war, dass ich einen Spähertrupp abgeschlachtet hatte, so wie's aussah.

Und der große Ork da ähnelte Azog. Ein bisschen.

Was mich zu meinem nächsten Problem brachte. Nach all der Zeit in Mittelerde war ich mir nicht mehr ganz so sicher über die originale Zeitlinie, aber ich war aus seltsamen Gründen der Meinung, dass Borg, Sohn des Azog, jetzt noch nicht tot sein sollte.

Auch wenn ich die Schuld einfach auf meine Nirfinnatur inklusive Blutrausch schieben konnte, immerhin hatte ich die nur mit meinen Dematerialisierungsfähigkeiten, Himmel war das Wort lang, massakrieren können. War aber auch echt unfair, wenn man den Feind nicht treffen konnte. Nein, die Schuld war nicht das Problem. Das war der Schmetterlingseffekt. Der Flügelschlag eines Schmetterlings soll einen Orkan auf der anderen Seite der Welt auslösen können. Was würde Borgs Tod als Folge haben?

Um ehrlich zu sein, hatte ich keine Ahnung welchen Auftrag dieser Nebencharakter gehabt hatte. Aber Späher hier am Erebor, so kurz vor der Schlacht? Das konnte kein Zufall sein. Sowas hätte Tolkien nicht geschrieben. Andererseits hatte ganz klar ich die Nirfin erfunden und die Elben verändert.

„Hölle, ist das kompliziert!", fluchte ich und warf die Arme in die Luft. Ein Schwert folgte aus Sympathie und landete nach kurzer Flugphase im Kopf von Borg.

„Ups." Das wird mir niemand glauben. „Apropos, Schwert.", murmelte ich und zog es einfach mit einem Schmatzen aus dem Gehirn des Orks hinaus. Es war grob geschmiedet, unhandlich und schwer. Nicht, wie meine Elbenschwerter. Aber besser als keines. Außerdem wohl recht stabil, bedenkt man, dass es vermutlich meine Tatwaffe war.

Sollte ich noch hierbleiben und mich um diese Sachen kümmern? Nein, besser nicht. Am Ende locken die Kadaver noch einen Drachen an. Ach, der Drache und die heile Seestadt.

WO ZUR HÖLLE WAR SMAUG?!

„Smaug! Komm hervor! Ich fordere dich zu einem Duell." Ich lachte übermütig, als mein Ruf über den Berg hallte und Echos mir meine Herausforderung zurückwarfen.

Bis die Valar fallenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt