Verstand, welcher Verstand?

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Am nächsten Morgen wachte ich mit ungeheuerlichen Rückenschmerzen auf, weil ich sonst nur selten auf dem Boden nächtige. Und dann auch nur, wenn ich aus dem Bett gefallen war. Ich bin sogar mal aus einem Hochbett mit Gitter gefallen. Was für eine Glanzleistung. Das soll mir mal einer nachmachen! Ich bedauere zutiefst, kein Video davon zu haben! Ich wäre in weniger als 24 Stunden zur Internetmillionärin geworden!

Die Zwerge packten bereits ihre Decken zusammen und auch ich rappelte mich nun auf, um mich fertig zu machen. Ich hatte Muskelkater. Und was für einen! Dabei sah Reiten doch gar nicht so anstrengend aus, wie konnte das also sein?

Kaum hatte ich meine Decke unter dem Arm, ging ich schon mein Pony suchen. Puma stand neben Cels Pony und hob kurz den Kopf, als es mich sah. Im Gegensatz zu mir schien es gut geschlafen zu haben und schüttelte die Mähne. Ich ignorierte mein Reittier und stopfte die Decke in eine Tasche am Sattel, als Celina neben mich trat. Celina legte ihre Decke ebenfalls bei ihrem Pferd ab und führte es dann zu einem Stein, damit sie aufsteigen konnte. Das war eine außerordentlich gute Idee und das schaute ich mir lieber schnell ab, bevor ich wieder mit einer filmreifen Darbietung auf mein Pferd kriechen musste.

Nachdem sie endlich aufgesessen war, nährte auch ich mich dem grauen Stein und stieg etwas unsicher hinauf. Als ich darauf stand, wackelte er und ich machte, dass ich schnell auf das Pferd kam, bevor er noch mit mir umkippte. Ich gähnte müde und streckte mich. Mein Rücken knackte kurz auf und Puma trottete Celina hinterher. Mehr als die Hälfte der Gruppe saßen schon auf dem Pony und die fehlenden Zwergen stiegen nun auch auf, sodass wir losreiten konnten. Zu meinem Leidwesen ritten wir in Richtung Sonne und schon bald sah ich nur noch mit Hand über den Augen etwas.

Einige Stunden später saß ich, ob ihr's glaubt oder nicht, immer noch auf dem selben Pony! Jeder Muskel schmerzte und auch der Zustand meines Rückens oder meines verbrannten Armes heiterten mich wirklich auf. Das hatte ich dann auch den anderen werten Mitreisenden gesagt. Insgesamt war ich heute wieder einmal sehr redselig. Meine Klassenlehrerin hatte mich vollkommen unberechtigt introvertiert genannt! Es ist schließlich ein Unterschied, ob man nichts sagt oder zu faul ist, um den Mund auf zu machen.

Auf jeden Fall, war ich den Zwergen enorm auf den Cookie gegangen. Ich meinte natürlich, dass ich sie drei Stunden lang an einer wundervollen Geschichte teilhaben ließ. Das endete aber leider dann damit, dass Bilbo sich Taschentücher in die Ohren stopfte, die Zwerge freihändig weiterritten (weil sie keine Taschentücher hatten) und Thorin mich wütend anschnauzte, dass ich den Mund halten sollte. Sie erkannten niveauvolle Geschichten ja nicht einmal dann, wenn man sie ihnen über Stunden ins Ohr brüllte.
Kunstbanausen!

Schließlich war ich auf Thorins Forderung vollkommen freiwillig, ohne von jemanden, hust Kili hust, bedroht zu werden, eingegangen. Die anderen hatten unter meinen Geschichten vermutlich sowieso schon mehr gelitten, als ich unter meinen Muskelkater. Ich rief noch mal mein angesammeltes Wissen über Mittelerde auf und bemerkte, dass es bald regnen würde, auch, wenn der Himmel gar nicht danach aussah. Was mich wirklich am Regen störte, war seine Einstellung. Immer so von oben herab. Aber, wie eine weise Frau einmal sagte „no rain, no flowers".

Nachdenklich schaute ich in den Himmel. Es sah wirklich überhaupt nicht nach Regen aus. Mein Glück. Im Gegensatz zu mir wussten die Zwerge allerdings nicht, dass es bald regnen würde. Etwas, was ich zu meinem Vorteil nutzen würde. Ich könnte mich einfach an ihrem Unwissen bereichern und nichts und niemand könnte mich davon abhalten, da Celina gerade im Halbschlaf war.

,,Ich wette, es regnet gleich.'', meinte ich leise und lenkte mein Pony ungeschickt neben Filis. Er schenkte mir einen ungläubigen Blick und schaute kurz in den Himmel, bevor er sagte: ,,Ich wette dagegen.''

,,Gut, wie viel?'', fragte ich grinsend.

Überrascht sah der Zwerg mich an. Der brauchte anscheinend einen kleinen Anstoß: ,,Wenn ich gewinne, schuldest du mir fünf Münzen und falls ich verliere, schulde ich dir die Münzen.''

,,Wie ihr wollt.'', sprach der Zwerg und sah mich belustigt an. Er rechnete wohl fest damit, zu gewinnen. Im Gegensatz zu mir, kannte er allerdings die Zukunft nicht und würde bald sein blaues Wunder erleben.
Wenn er nur wüsste, dass ich überhaupt keine Münzen, sondern nur 'nen dämlichen Silberschlüssel hatte.
,,Will sich jemand anschließen?'', fragte ich die anderen Zwerge laut, doch nur Kili, der sowieso die ganze Zeit mitgehört hatte, war mit von der Partie. Da waren mir wohl schon zwei Fliegen auf den Leim gegangen.

Geduldig wartete ich, bis es endlich soweit war. Die Wolken rissen auf und es regnete in Strömen. Ungläubig starrten die Erben Durins in den Himmel, dabei waren sie eben noch so gut gelaunt und siegessicher gewesen. Pech gehabt, die Herren Zwerge. Mit mir legte man sich besser nicht an.

„Wie habt ihr das geschafft?", fragte Kili.

„Meine Gabe ist es, die Zukunft zu kennen. Deshalb nahm mich Gandalf auch erst auf diese Reise mit."

Kili und Fili warfen sich einen kurzen Blick zu und brachen dann in Gelächter aus. Jaja, lacht nur. Wenn die für die Verteidigung ihres Erdhaufens starben, würde ich sie auch auslachen! Beleidigt wandte ich ihnen den Rücken zu und lenkte mein Pferd grob in Richtung Rayna. Kaum war ich angekommen, beschwerte ich mich bei ihr: „Die sind alle voll gemein!"

,,Heul doch.", meinte Rayna taktlos und lief schweigend weiter.

„Die haben mir weder meinen rechtmäßigen Gewinn ausgezahlt, noch haben sie mich als Vala angebetet.", nörgelte ich und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht, während ich auf Raynas Reaktion wartete.

Rayna fing an zu lachen und kicherte: „Da will aber jemand ganz hoch hinaus. Ich zitiere Cel zwar nicht gerne, aber bist du dir sicher, dass du nicht größenwahnsinnig wirst?"

,,Pah. Klappe, du Wurm.", grummelte ich. Rayna seufzte auf und das Lächeln rutschte in einen tiefen Abgrund.

„Was ist?", fragte ich unbeholfen und überlegte, was sie haben könnte. Irgendwie wirkte sie... traurig und das war eine echte Seltenheit. Ob ich lieber Cel davon erzählen sollte? Doch bevor sie mir antworten konnte, brüllte Thorins sehr melodische Singstimme von vorne: ,,Anhalten! Wir schlagen hier unser Lager auf."

Rayna verschwand nach vorne und ich rutschte nachdenklich von meinem hohen Ross runter. Musste ich mich jetzt um Rayna kümmern, weil mir ihr seltsames Verhalten als Erste aufgefallen war? Oder konnte ich die Verantwortung noch auf Celina umwälzen? Wäre das denn moralisch richtig? Verdammt, seit wann kümmere ich mich bitte um die Moral?!

Ich stieg von Puma ab und zog es mit mir unter die Bäume, um Schutz vor dem Regen zu finden. Nachdem ich meine Decke als Schutz vor dem Regen über mich hielt, betete ich alle möglichen Götter an, dieses Regnen endlich aufhören zu lassen. Als ich schließlich auch verzweifelt alle Gegenspieler Gottes angefleht hatte, vergrub ich misslaunig mein Gesicht in der durchnässten Mähne meines Ponys. Ich würde mich bestimmt erkälten. Blöde Valar!

Ich wünschte, ich hätte einen Regenmantel dabei. Am besten einen feuerfesten Mantel wegen Smaug. Gab es das überhaupt? Ich könnte auch Daenerys die Haut abziehen und diese zu einem Feuermantel verarbeiten. Aber davor würde mich wahrscheinlich einer ihrer Drachen grillen.

Von meiner Position aus, sah ich Thorin und Gandalf angeregt reden. Wo war Rayna eigentlich? Obwohl ich mich suchend umgeschaut hatte, fanden meine geschärften Elbensinne sie nicht. Bäume waren eben großartig darin, sich zu verstecken, sodass man manchmal den Baum vor lauter Wald nicht sah.

Plötzlich warf Gandalf frustriert seine Arme in die Luft und sprach laut: ,,Ich gehe und suche die Gesellschaft dessen auf, der als einziger noch bei Verstand ist!''

,,Hey!'', brüllte ich quer über die Lichtung zu Gandalf rüber. „Ich habe jetzt aber keine Lust, mit dir zu reden!''

Er drehte sich kurz zu mir um und entgegnete ungehalten: „Närrin! Ihr zieht mit euren Freunden unbewaffnet und unerfahren in den Kampf gegen einen Drachen! Ihr seid nicht bei Verstand!'' Anschließend zeigte er mit seinem Leuchtstab des Schicksals auf mich. Man zeigt nicht mit nacktem Stab auf angezogene Leute!

„Sir, nehmen sie den Speer runter.", mischte sich plötzlich Celina ein und starrte Gandalf drohend an. Gandalf schüttelte ungläubig den Kopf und verschwand dann mit wehendem Umhang. Irrte ich mich oder war das ein Zitat aus Marvel- The Avengers?











May the virus be with you.


Mir ist langweilig.

Bin in Quarantäne.

Verseuchte Grüße,

Spyke

Bis die Valar fallenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt