Der Urtitan des Nichts und anderer Wandlerkram

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Galadriel musterte uns und zog die Stirn leicht kraus. Sie sah mir dann plötzlich auf den zweiten Blick etwas out-of-charakter aus. Die Kette, an der ein dunkelblaufarbener Stein befestigt war, der ein ganz eigenes Innenleben zu haben schien, passte mal so gar nicht zu der sonst pastellgrünen Erscheinung. Ihre zarte, blasse Hand strich schließlich eine Strähne in ihrer ohnehin perfekten, blonden Flechtfrisur zurück. Was unnötig war, denn wie schon erwähnt, war ihr gesamtes Erscheinungsbild makellos. Ihre hellen Kleider raschelten leicht, als sie sich leicht zu mir runterbeugte. Ich zuckte nicht zurück, als sie langsam ihre Hand nach vorne streckte und ließ zu, dass sie eben diese vorsichtig auf meine Wange legte. Zu meiner Verteidigung kann ich aber sagen, dass ich zu dem Zeitpunkt maßlos verwirrt von ihrem artuntypischen Verhalten und verwundert von ihrer engelsgleichen Erscheinung war.

"Otokonoko." , meinte ich sie sehr leise murmeln zu hören, da dieses Wort aber eher nach 'nem schlechten Anime klang, fragte ich sicherheitshalber nochmal nach.

"Hm?"

Die spitzohrige Blondine richtete sich in einer raschen Bewegung auf, drehte sich um und lief einige Schritte von mir weg. Genauso plötzlich wirbelte sie wieder herum und eilte auf mich zu. Verwirrt verlagerte ich mein Gewicht nach hinten, als Galadriel vor mir auf die Knie sank und meine Hände ergriff. Doch bevor ich sie verhören konnte, was der Quatsch sollte oder ob sie mir einen Heiratsantrag machen wollte, fragte sie fast schon hektisch:

"Wo ist die Dritte von euch?"

Ich runzelte die Stirn. Die schien ja echt allwissend zu sein, was unsere kleine Bande betrifft. Clan, korrigierte ich still. Der Clan des Baumes.

"Beim Essen." ,antwortete ich verblüfft und warf der Frau eine forschenden Blick zu. Wer war sie, dass sie so viel wusste? War das noch normal für eine Galadriel?

"Und jetzt hier!" ,fügte Celina hinzu und tauchte hinter einer hässlichen, gestrichelten Blumenvase auf. Ich musste gestehen, ich war überrascht, dass sie das schreckliche Ding nicht ,hust, absichtlich ,hust, umschmiss, als sie hervor und neben uns trat. Cel war uns anscheinend gefolgt. Sie konnte ja nicht wissen, dass ich einmal in meinem Leben etwas Gutes tun wollte. Mehr oder weniger Gutes, aber nehmt mir das jetzt nicht weg.

"Sehr gut." ,meinte Galadriel zufrieden und ihre aufgerissenen Augen nahmen zu meiner Beruhigung wieder ihre normale Größe an. Vor ihrer kurzen Panikattacke war nichts mehr zu sehen. Erneut machte sie eine Drehung von uns weg, bevor sie wieder herumwirbelte, so schnell, dass ihre weiten, weißen Kleider um sie herumflogen.

"Das ist eure erste Reise, oder?"

"Nö, ich war schonmal auf Griechenland und Zypern und Spanien. Aber damals in Spanien war ich noch so jung, dass ich mich kaum dran erinnern kann. Zählt das noch?" , fragte ich sicherheitshalber nach. Und sollte ich die Inlandsreisen auch mit einrechnen? Dann musste ich auf jeden Fall das Porta Nigra in Trier erwähnen. Träumerisch wirbelten meine Gedanken um die drei Würfel aus echten Tierknochen, die ich dort billig gekauft hatte.

"Klappe, Zora." ,fauchte Celina und wedelte mit ihrer Hand. Beleidigt beobachtete ich ihre fliegenden Finger und stellte verwundert fest, dass sie neonpinken Nagellack trug. War ich einfach ignorant oder war der gestern noch nicht da? Wieso hatte ich dann nichts davon abbekommen. Aber warte, eine zukünftige Göttin mit grell rosa Nagellack- das ging doch nicht.

Der Blick, der uns von den beiden anwesenden Magiern zugeworfen wurde, stimmte mich plötzlich nervös. Während Galadriels noch freundlich nachdenklich blieb, sah Saruman, der Schwarze, ups,- falsche Zeit, aus, als würde er uns am liebsten massakrieren. Seine Augen blitzten zornig und kurz meinte ich, einen blutroten Schimmer in ihnen zu erblicken. Das Wetter schien sich seinem Gemüt zu beugen, denn die Sonne verzog sich hinter schwarz-grauen Gewitterwolken, die urplötzlich den hellblauen Himmel verschleierten.

Bis die Valar fallenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt